Cora Stephan / 21.04.2022 / 10:00 / Foto: Pixabay / 18 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Alte oder neue Hütte?

Die Italien-Erweckung blieb mir verwehrt. Als alle Welt dort das Glück suchte, hatte ich keinen Führerschein und versuchte im übrigen, mein Studium zu beenden. Später fand ich die deutsche Toskana-Fraktion – na, erinnert sich noch wer? – eher lächerlich, vor allem die Begeisterung für italienischen Vino, noch zu einer Zeit, als der deutsche Höhenflug in Sachen Wein längst eingesetzt hatte. 

Doch weil die halbe Familie dort wohnt, kenne ich die Ardèche in Frankreichs Südosten seit beinahe einem halben Jahrhundert recht gut, erlebe also immer wieder das, was den Italienfans von damals widerführe, kämen sie zurück ins erinnerte Paradies. Das ist zwar nur hier und da abgebrannt, aber vor allem ist es zugestellt. 

So auch im einst eher kargen Land, früher die Grafschaft Vivarais, zwischen Rhonetal und den Bergen des Massif Central. Damals, als noch alle Welt von Paris und der Provence schwärmte, führte die Ardèche ein Schattendasein. Mit südfranzösischer Leichtigkeit hatte man es hier nicht so, mag sein, dass das kollektive Gedächtnis noch immer die Verheerungen der Hugenottenkriege gespeichert hat. Doch seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Gegend wachgeküsst, zuerst von den Aussteigern, die im Zuge des französischen Mai ’68 das einfache ländliche Leben suchten (und oft daran verzweifelten). Immerhin: Einigen gelang es, in einem der vielen leerstehenden Steinhäuser zu überleben, ohne ständig verschnupft zu sein. 

Ich kenne ein paar davon – meine französische Familie lebt heute vom Vermieten von Ferienwohnungen in den einst verlassenen alten Häusern. Tatsächlich hat erst der Tourismus dafür gesorgt, dass das „Patrimoine“ in Gestalt pittoresker Bergdörfer mit verwinkelten Häusern aus Stein erhalten blieb.

Einen schwer zu heizenden Steinhaufen bewohnbar machen? 

Französische Familien wohnen dort immer seltener. Sie ziehen in großer Zahl und enormer Geschwindigkeit Energiesparhäuser auf der grünen Wiese hoch, dort, wo einst Schafe und Ziegen weideten. Seit der Verkehr dank Umgehungsstraßen sich nicht mehr überall durch die engen Gassen der Dörfer zwängen muss, hat die Bautätigkeit vor und hinter ihnen zugenommen. Zwischen Dorf und Neubaugebiet liegt zumeist eine ausgedehnte Zone Commercial mit Super- und Baumarkt, Autowerkstatt und Gartencenter. Im Dorf selbst überdauern höchstens noch Boucherie und Boulangerie und die eine oder andere Bar. 

Man nennt es Zersiedlung – und es hat das Gesicht der Landschaft dort mittlerweile nachhaltig verändert. Das kann man beklagen, sicher, aber was hilft das schon? Der Zug fort aus den Metropolen aufs Land hält an – und welche Familie mit kleinen Kindern kann es sich schon leisten, einen nur schwer zu beheizenden riesigen Steinhaufen bewohnbar zu machen? Die neuen Häuser auf der grünen Wiese, Leichtbauweise, sind meistens gesichtslos – und unter Garantie geschichtslos.

In Deutschland ist das nicht viel anders. Auf dem Land entstehen die Neubaugebiete meist ohne Anbindung ans nächste Dorf, wo vielleicht noch die Kirche mit dazugehörigem Gasthaus steht. (Es soll übrigens einst in Unkel am Rhein eine Kirche gegeben haben, die man nur betreten konnte, wenn man durchs Gasthaus lief. Verblüffenderweise gingen stets mehr Menschen hinein, als nach dem Gottesdienst wieder heraus kamen.) 

Insofern kann man der deutschen Bauministerin durchaus folgen, wenn sie gegen den Hang ihrer Untertanen zum Eigenheim argumentiert. Klimaschädlich sei das, die Zersiedlung der Landschaft, jedem seins, statt der gemeinsamen Allmende – wobei sie wahrscheinlich nicht an den Raum gedacht hat, auf dem man früher seine Nutztiere weiden ließ und wo die Franzosen heute Petanque spielen. Dumm auch, meint Klara Geywitz, dass ein Haus, einst für fünf Familienmitglieder ausgelegt, zum Ende hin nur noch von höchstens zwei nebeneinander her Alternden bewohnt wird. Wenn es doch wenigstens schrumpfen könnte!

Das Holz geht an China, und Zement und Beton werden knapp 

Allgemeine Empörung schlug ihr entgegen – man misstraut ja mittlerweile jedem Politiker, der etwas ausschließt, etwa, dass er keine Vorschriften machen wolle, wie viel Quadratmeter eine Wohnung haben darf. Wer das denkt, der will es auch. Andererseits hat sie recht: warum neu bauen, wenn man das Alte renovieren könnte? 

Gern! Sofern es sich nicht um einen dieser gesichtslosen Schuhkästen aus der Nachkriegszeit handelt – oder den Beton gewordenen Architektentraum aus den 70ern. Gern, wenn das alte Fachwerkhaus nicht unter einer „klimafreundlichen“ Wärmedämmung zerbröseln müsste. Gern, wenn nicht jede Umnutzung beschwerliche Behördenvorgänge auslösen würde, die jede Initiative zu ersticken droht. Gern – wenn der Zersiedlung der Landschaft nicht längst ihre Verspargelung würdig an die Seite getreten wäre. 

Also, liebe Frau Geywitz: im Prinzip alles richtig. Auf Ihre staatlichen Anreize würde ich allerdings nicht setzen. Denn womöglich wird uns bald gar nichts anderes übrigbleiben, als den Altbestand so lange runterzuwohnen, bis es überall so aussieht wie einst in der DDR. Denn wovon soll neu gebaut werden? Das Holz geht an China, und Zement und Beton werden knapp. Des Bauherrn Zahlungskraft erledigt die Inflation. Hoffen wir also, dass, wie einst in der DDR, wenigstens die schöneren Bauten überleben. 

Foto: Pixabay

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S.Buch / 21.04.2022

Nachdem ARD und ZDF die DDR-Nachrichten-, besser Propagandasendung „Aktuelle Kamera“ bereits eingeholt und sogar überholt haben, steht der weiteren Rezeption sozialistischer Sitten und Gebräuche nichts mehr im Wege. Schließlich war in der DDR 1.0 bekanntlich nicht alles schlecht.

Ridley Banks / 21.04.2022

Beton besteht aus Kies oder Sand und Zement. Gibt aber auch weisse Schimmel!

Karla Kuhn / 21.04.2022

Fundstück von Jesko Matthes / 21.04.2022 / 10:39 / “Nach zwei Jahren sprechen Virologen Klartext” Das Video dazu ist leider nicht mehr auffindbar !—-“Hoffen wir also, dass, wie einst in der DDR, wenigstens die schöneren Bauten überleben.” Die werden mit SICHERHEIT überleben, die werden sich die BONZEN unter den Nagel reißen, rechtswidrig aber das RECHT wurde abgeschafft, der KOMMUNISTENVERBRECHER hat IMMER RECHT ! Nein, eine zweite DDR wird das NICHT, es wird NOCH GRAUENVOLLER, alleine durch das LEYENSCHE SOZIAL-PUNKTE-SYSTEM ala CHINA. Durch die GELDABSCHAFFUNG ist die Kontrolle fast perfekt. ABER,  wie das so ist im Leben, es wird wieder Schlupflöcher geben, denn bis aufs Blut drangsalierte Menschen können sehr erfinderisch sein. ALLERDINGS glaube ich, daß der “schöne Schwabsche VERBRECHERISCHE PLAN” NICHT aufgehen wird. PUTIN ist der KEILTREIBER, er vermasselt den Plan, wurde ja schon von etlichen “Globalisten” so gesehen. Auch Clinton, m-w-d, hat sich so ähnlich geäußert !  “Gern – wenn der Zersiedlung der Landschaft nicht längst ihre Verspargelung würdig an die Seite getreten wäre.”  Die “Verspargelung” wird in die MILLIONEN gehen aber zwischen den Spargelstangen können ZELTPLÄTZE vermietet werden. Am Pilsensee gibt es Dauercampingplätze, das wird die Zukunft werden, jeder hat dann seinen eigenen SPARGEL. Strom und Wärme sind gesichert ! Also bitte etwas mehr Optimismus, schließlich muß die SAAT, die Merkel offenbar im Aufrag gelegt hat, auch ungehindert aufgegehen können. Die Person hat schließlich ihr ganzes “GEWICHT” in die Waagschale gelegt !!

Curt Handmann / 21.04.2022

Warum sollten unsere Volkszertre.. äh, Volksvertreter nicht wie alle anderen Vertreter entlohnt werden—nämlich am Erfolg gemessen? Dieses Schlaraffenland für politische Vollversager ist doch nicht mehr auszuhalten!

Dietmar Schubert / 21.04.2022

Natürlich kommt die DDR zurück! Was denn sonst! Geschichte wiederholt sich bekanntlich; die Vergangenheit kehrt in die Gegenwart zurück und beginnt die Zukunft zu gestalten. Hätten wir 1989 gewusst, dass der größte Teil der indigen, westdeutschen Bevölkerung auch liebe, nette DDR-Bürger geworden wären, hätte sie der Klapperstorch nicht zu weit westlich fallengelassen, würde Deutschland heute aus 50 Bezirken und nicht 16 Bundesländern bestehen.

Roland Müller / 21.04.2022

Liebe Frau Stephan, wenn Ihnen die zu erwartenden Bruchbuden irgendwann zu viel werden, empfehle ich Ihnen den Umzug nach Italien. Bella Italia ist ein wunderschönes Land mit vernünftigen Bürgern, wenn man mal von den italienischen Politikern absieht. Die hält nämlich der gelernte Italiener für nichtsnutzige Faulenzer und traut denen im Gegensatz zu den obrigkeitshörigen Deutschmicheln keinen Meter über den Weg. Einem langjährigen Einwohner der Lombardei dürfen Sie ruhig vertrauen. Bei Bedarf helfe ich Ihnen gern beim Koffer packen.

Ludwig Luhmann / 21.04.2022

Mittles Agenda 2030 und den Great Reset wird alles vorsätzlich zersetzt. Wohlstand, Kultur, Freiheit und Frieden - alles das wird zersetzt.

Thomas Brox / 21.04.2022

“Denn wovon soll neu gebaut werden? Das Holz geht an China, und Zement und Beton werden knapp. Des Bauherrn Zahlungskraft erledigt die Inflation.” Nächste Frage: Wer erledigt die Bauarbeiten? Etwa die zahlreichen Beamten oder Politbeamten? Oder unsere wohlversorgten islamischen Gäste? Oder die eigenen Hartz-4 Absahner? Oder vielleicht doch Rentner und Pensionäre - quasi das letzte Aufgebot (wie damals)? ++ Der parasitäre EU/deutsche Obrigkeitsstaat hat einen fundamentalen Systemfehler: Wer arbeitet schon gern für Schmarotzer, Leistung lohnt sich nicht. Das kriminelle Gelddrucken der EZB zur Staatsfinanzierung verschlimmert die Misswirtschaft noch zusätzlich.

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