Alexander Wendt / 17.02.2018 / 15:00 / 17 / Seite ausdrucken

Die SPD und der Staat der Juden

Die Aktien Sigmar Gabriels steigen allmählich wieder. Sollte es die SPD-Basis mit ihrem Votum erlauben, dann hätte er gute Chancen, Außenminister zu bleiben. Für die deutsche Nahostpolitik bedeutet das nichts Gutes. Denn bei der deutschen Nahost- und Israelpolitik geht es schon seit Frank-Walter Steinmeiers Zeiten eigentlich eher um eine sozialdemokratische Strategie mit innenpolitischen Motiven.

Deshalb dürfte sich auch dann nicht viel bessern, wenn nicht Gabriel die Richtlinien bestimmen sollte, sondern eine Alternativkandidatin wie Katarina Barley.

Eine seltsame Bemerkung Gabriels nach dessen letzter Nahostreise Ende Januar zeigt exemplarisch, welches innenpolitische Kalkül eigentlich hinter der SPD-Nahostpolitik steht. In seiner Rede auf der Jahreskonferenz des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv sagte Gabriel über die seiner Meinung nach zu geringen Anstrengungen Israels für eine Zweistaatenlösung: 

„Diese bestenfalls gemischten Signale gehen in Europa nicht ungehört vorbei. Dort wächst die Frustration über Israels Handeln.“ Und: „Junge Menschen“ seien immer weniger bereit, die Behandlung der Palästinenser durch Israel zu akzeptieren. Es werde für ihn „immer schwieriger, zu erklären, warum unsere Unterstützung für Israel anhalten muss.“ 

Wer sind die „jungen Menschen“?

Bemerkenswert war nicht nur die offene Drohung, er als Außenminister beziehungsweise Deutschland insgesamt könnte dem jüdischen Staat demnächst auch formal seine Unterstützung entziehen. Sondern auch die ausdrückliche Verknüpfung mit „jungen Menschen“ in Deutschland und Europa. Den Subtext versteht jeder, Gabriel musste ihn gar nicht explizit aussprechen: Mehr und mehr junge Muslime, eingewandert oder hier geboren, werden zum politischen Gewicht.

Politiker der SPD machen keinen großen Hehl daraus, dass sie vor allem in diesem Milieu neue Wähler finden wollen. Die designierte Arbeitsministerin Eva Högl forderte vor den SPD-Delegierten, die sie 2017 zur Berliner Spitzenkandidatin kürten, ein Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger in Deutschland. Eine ganz ähnliche Entwicklung zeigt sich auch bei Labour unter Jeremy Corbyn: offensives Werben um muslimische Wähler, maximale Distanz zu Israel und den Juden.

Bei seiner vorletzten Israel-Reise 2017 hatte Gabriel bekanntlich Organisationen wie B’tselem und Schowrim Stika (Das Schweigen brechen) seine Aufwartung gemacht, die er als „zivilgesellschaftliche Gruppen“ bezeichnete – eine Formulierung, die sonst auf außenpolitischer Ebene nur im Bezug auf autoritäre Regime und Diktaturen benutzt wird.

Vor allem Schowrim Stika war in der Vergangenheit immer wieder dadurch aufgefallen, dass seine Aktivisten der israelischen Armee Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen hatten. Allerdings stellten sich die Beschuldigungen in vielen Fällen als entweder nicht nachprüfbar oder falsch heraus. Mit seinem demonstrativen Treffen hatte Gabriel damals die Absage eines Termins bei Premierminister Benjamin Netanjahu provoziert. Dafür war er im Internet (unter anderem auf der Seite von tagesschau.de) von Israelfeinden frenetisch bejubelt worden.

Selbst die SZ wwunderte sich

Bei seinem jüngsten Besuch sprach er nun wieder mit Netanjahu – was er wie einen Pflichttermin absolvierte – aber auch mit dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, in Ramallah. Dort gab er zu Protokoll, er habe „den Mut der Palästinenser, immer an den Friedensprozess zu glauben, immer bewundert“. Selbst die notorisch israel-gegnerische „Süddeutsche“ notierte dazu: „Ganz schön dick trägt der Außenminister da auf.“

Denn Abbas hatte vor kurzem noch einmal für alle, die es hören wollen, jeden Kompromiss mit Israel abgelehnt. Auf einer PLO-Konferenz Mitte Januar gab er die wirre Erklärung ab, Israel sei ein „Kolonialprojekt, das nichts mit den Juden zu tun“ habe. „Die Europäer wollten die Juden hierher bringen, um ihre Interessen in der Region sicherzustellen“sagte Abbas„Sie haben die Niederlande, die damals die größte Flotte besaß, gebeten, die Juden zu transportieren.“ .

Der Friedensprozess von Oslo, so Abbas, sei „tot“. Schuld sei selbstverständlich Israel, außerdem Donald Trump mit seiner Entscheidung, den Beschluss des US-Kongresses von 1995 zu verwirklichen und die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.

Es zieht sich schon seit vielen Jahren ein roter Faden durch die Nahost-Politik der SPD: Von der damaligen SPD-Generalsekretärin und heutigen designierten SPD-Chefin Andrea Nahles, die 2012 von „gemeinsamen Werten“ und „strategischer Partnerschaft“ mit der Fatah sprach, über den Ex-Außenminister Steinmeier, der sich am Sarkophag von Yassir Arafat verbeugte, bis hin zu Gabriel, der sich inzwischen noch nicht einmal um den Schein einer Äquidistanz zu Israel und dem antisemitischen Verschwörungstheoretiker Abbas bemüht.

Die EU springt ein

Während Gabriel verkündet, es sei jetzt Zeit, die Unterstützung Israels wegen der „jungen Menschen“ in Deutschland zu beenden, müht sich der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Arne Lietz im Europaparlament ganz praktisch, jeden Verhandlungsdruck von der palästinensischen Seite zu nehmen. US-Präsident Trump hatte angekündigt, die amerikanische Unterstützung für das UN-Palästinenserhilfswerk zusammenzustreichen, sollte Abbas sich weiterhin weigern, echte Verhandlungen mit der israelischen Seite aufzunehmen.

„Die Entscheidung der US-Regierung, Hilfszahlungen an das UN-Palästinenserhilfswerk mit politischen Forderungen zu verbinden, ist eine gefährliche Politisierung von humanitärer Hilfe. Ich bin über die Zurückhaltung der Zahlungen zutiefst beunruhigt”, so Lietz in einer Presseerklärung. Dass es zu den Kürzungen gar nicht kommen müsste, wenn Abbas seinen strikt israelfeindlichen Kurs ändern würde – diese Möglichkeit kommt bei Lietz gar nicht vor.

Stattdessen fordert er – ohne dafür irgendetwas von Abbas und der Fatah zu verlangen – dass die EU sofort in die finanzielle Lücke springen soll, die Trumps Entscheidung hinterlässt.

„In der Resolution begrüßt das Europäische Parlament die Entscheidung der EU sowie einiger Mitgliedstaaten – darunter Deutschland –, im Schnellverfahren der UNRWA zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung zu stellen“, freut sich der SPD-Europapolitiker, und berichtet stolz, er habe in seiner Verhandlung über die Parlamentsresolution „eine breite politische Unterstützung von sechs Parteienfamilien“zustande gebracht.

Dort, wo Trump den Verhandlungsdruck auf die palästinensische Seite erhöhen will, sorgt die SPD sofort federführend dafür, ihn mit zusätzlichem EU-Steuergeld sofort wieder zu nehmen.

Egal, wer Außenminister wird oder bleibt: Diejenigen, die Israels Existenz für etwas Positives halten, haben von der SPD nichts mehr zu erwarten.

Zuerst erschienen auf der Seite Publico von Alexander Wendt

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Leserpost

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Klaus Reichert / 18.02.2018

Zu Gabriels Leistungen gehört ja auch der Lob des Iran, dessen Hilfstruppen ja immerhin schon vor der israelischen Grenze stehen. Und, dass wir uns mit Saudi Arabien überworfen haben, dem einzigen arabischen Land, dass sich in die richtige Richtung bewegt - weg vom radikalen Islam. Alles für ein paar SPD Stimmen von Migranten?

Lars Bäcker / 18.02.2018

Man muss sich als Deutscher (nicht nur, aber gerade) gegenüber Israel schämen. Schämen für dieses Politikerpersonal, schämen dafür, wie sie sich gegenüber Freunden und Partnern verhalten, schämen, schämen, schämen. Und wenn sich der Autor fragt, wer denn diese “jungen Menschen” sind, von denen Gabriel faselt, jenen, denen er immer weniger glaubhaft erklären kann, warum Deutschland Israel unterstützt, so darf ich ihm die Antwort geben: Das sind jene, die sich Antifa nennen, die aber tatsächlich astreine Faschisten sind (rotlakierte, wohlgemerkt) und die von der SPD und dem Staat, finanziell unterstützt werden. Diesen Menschen kann man gar nichts erklären, da sie nicht verstehen wollen. Die könnte man 14 Tage lang, nur mit einem Geschichtsbuch, in eine Zelle sperren. Sie kämen ohne Erkenntnisgewinn wieder raus.

Marcel Seiler / 17.02.2018

Autor Wendt meint, die “jungen Menschen”, die in Deutschland israelkritisch bis -feindlich seien, seien eher Muslime. Das glaube ich nicht. Mein Eindruck ist, dass die Jungen in unserem Land, und zwar die deutschen, alles was westliche Kultur ist, kritisch sehen, und alles was die angeblich Unterdrückten tun, gut finden. Die Gewalt des Islam und der Palästinenser wird von den jungen Deutschen als legitimierte Gegengewalt gerechtfertigt. Jeder der für die eigene Kultur eintritt, ist in deren Augen sehr verdächtig, ein Nazi zu sein. – Es wird sehr schwer sein, gegen diese pathologische Grundstimmung Politik zu machen.

Andreas Arndt / 17.02.2018

Latenter Antisemitismus wird gerade wieder Manifest und salonfähig. Hat denn niemand gelernt.

Rudolf George / 17.02.2018

Von den Republikanern in den USA ist bekannt, dass sie in den 60er Jahren eine sogenannte „southern strategy“ entwickelten, um jene Weiße einzufangen, die mit der Bürgerrechtsbewegung nicht einverstanden waren. Die SPD scheint nun eine „islamic strategy“ zu verfolgen, um die demographisch stark aufkommende muslimische Bevölkerungsgruppe zu gewinnen.

Rudolf George / 17.02.2018

Ein weiterer Grund, warum die Verwirklichung des Projekts 10%- der SPD für Deutschland, Israel und auch den Rest der Welt eine gute Sache ist.

Gerd Koslowski / 17.02.2018

Onkel Adi und Großmufti Husseini, Honecker und Arafat, Gabriel/Steinmeier/Schulz und Abbas. Eine sehr seltsame Kontinuität.

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