Die SPD bleibt auf Selbstabschaffungs-Kurs

Die SPD hat mit ihrer ideologisch motivierten Position zu Einwanderungs- und Asylfragen faktisch den Anspruch aufgegeben, eine Volkspartei zu sein. Regional mag sie noch für einige Zeit Erfolge haben, aber bundesweit droht ihr Bedeutungslosigkeit.

Die SPD hatte mich im August 2020 wegen meiner Vorschläge zur Reform der Asyl- und Migrationspolitik aus der SPD ausgeschlossen. Diese Vorschläge hatte ich im August 2016 in einem Artikel in der FAZ unter dem Titel „Die Grenzen schließen“ veröffentlicht. Sie blieben damals ohne Resonanz. 2018 wiederholte ich sie in ausführlicher Form in meinem Islamkritischen Buch Feindliche Übernahme. Dieses Mal wirkten sie explosiv und führten zu dem erwähnten Parteiausschlussverfahren, das im August 2020 bei der Bundesschiedskommission der SPD erfolgreich war. Unter anderem brachte die Bundesschiedskommission in ihrer Ausschlussentscheidung zum Ausdruck, 

  • dass man Einwanderer nicht nach wirtschaftlichen Kriterien oder nach Maßstäben der kulturellen Kompatibilität auswählen dürfe, weil dies gegen die Menschenwürde verstoße;
  • dass man die Grenzen nicht gegen Asylbewerber schließen dürfe;
  • dass die Rückführung von Ausreisepflichtigen in die Herkunftsländer nur mit der Zustimmung der Herkunftsländer und nicht unter militärischem Schutz erfolgen dürfe, das sei nämlich ein Verstoß gegen die Einsatzgrundsätze der Bundeswehr.

SPD: Nicht regierungsfähig

Wenn und soweit damals die Bundesschiedskommission die Grundsätze der SPD richtig interpretiert hat, ist diese in den zentralen Fragen der Migrationspolitik prinzipiell zur Handlungsunfähigkeit verurteilt, und genauso hat sie sich in den letzten Jahren und Monaten auch verhalten. So war es nur konsequent, dass die SPD am 29. Januar und 31. Januar im Deutschen Bundestag ebenso wie die Grünen gegen den Antrag und den Gesetzentwurf der CDU/CSU stimmten. Diese zielten auf eine grundsätzliche Wende in der Migrationspolitik, indem zunächst einmal die Grenzen gegen illegale Einwanderer geschlossen werden.

Die SPD ist – ebenso wie die Grünen – in diesem für das künftige deutsche Schicksal zentralen Punkt nicht regierungsfähig. Insofern ist es im Nachhinein gut und richtig, dass sich unsere Wege 2020 nach 37-jähriger Parteimitgliedschaft endgültig trennten. Zu lange hatte ich darauf gehofft, dass es auch in und mit der SPD möglich sei, deutsche Interessen konsequent zu vertreten. 

Die SPD hat mit ihrer ideologisch motivierten Position zu Einwanderungs- und Asylfragen faktisch den Anspruch aufgegeben, eine Volkspartei zu sein. Regional mag sie noch für einige Zeit Erfolge haben, aber bundesweit droht ihr Bedeutungslosigkeit. Illusionäre Gutmenschlichkeit können nämlich die Grünen weitaus besser vertreten als die SPD. Sie sind ja sowieso die Lieblingspartei der linksliberalen Intellektuellen. Die Arbeiter und die Millionen angestellter Durchschnittsverdiener kommen demgegenüber mehr und mehr zu dem Schluss, dass ihre Interessen bei der Union oder auch der AfD deutlich besser aufgehoben sind.

Merz: Voll ins Risiko

Die Umfragen zeigen stabil, dass eine Mehrheit in Deutschland eine Wende in der Asyl- und Migrationspolitik will, und so wird auch das Ergebnis der Bundestagswahl am 23. Februar sein. Wie sich diese Mehrheit am Wahltag auf die Stimmen für CDU/CSU, AfD und BSW aufteilt, ist aber gegenwärtig noch ungewiss. Der Umstand, dass die AfD dem Antrag und Gesetzentwurf der CDU/CSU zustimmte, brachte Hunderttausende von Gegendemonstranten auf die Straße und löste immer neue Empörungswellen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. Beides zielt auf eine Einschüchterung der demoskopischen Mehrheit. 

Mit der öffentlichen Stellungnahme der Altbundeskanzlerin Angela Merkel gegen die Positionierung von Friedrich Merz haben zudem die Merkel-Freunde 23 Tage vor der Wahl in der CDU/CSU einen öffentlichen Machtkampf vom Zaun gebrochen. Das hat einer Partei wenige Tage vor einer Wahl noch nie gut getan. Wenn Friedrich Merz in dieser innerparteilichen Auseinandersetzung nicht eindeutig reagiert, könnte es sein, dass die CDU/CSU Wählerstimmen verliert: Merkel-Freunde könnten sich in der Wahlkabine der SPD oder den Grünen zuwenden. Die Anhänger einer eindeutigen Wende in der Asyl- und Migrationspolitik könnten dagegen verstärkt für die AfD stimmen.

Friedrich Merz ist kurz vor der Wahl ein hohes Risiko eingegangen. Aber dieser abschließende Machtkampf zwischen Angela Merkel und ihm war wohl unvermeidlich. Mit einem grundsätzlich härteren Kurs in der Migrationspolitik und der Bereitschaft, aus der Konsensfalle mit SPD und Grünen auszubrechen, hat er sein künftiges politisches Schicksal an eine gute Sache gebunden.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

 

Dr. Thilo Sarrazin, geb.1945 in Gera, aufgewachsen in Recklinghausen. Er studierte Volkswirtschaftslehre in Bonn. Er bekleidete zahlreiche politische Ämter und war unter anderem von 2002 bis 2009 Senator für Finanzen im Land Berlin. Sein im August 2010 erschienenes Buch „Deutschland schafft sich ab“ löste eine anhaltende Diskussion aus und wurde zum meistverkauften deutschen Sachbuch seit 1945.

Foto: Montage achgut.com/ Imago

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W. Renner / 10.02.2025

@B. Jacobs: „Wandel der Zeit und die SPD unter Brandt , Schmidt wurde abgeschafft.“ Nein, die Sozis zerbrechen nicht am Wandel der Zeit, sondern an ihrer eigenen Unfähigkeit und ihrem ideologischen Hirn…sch. Was hat der Kommunist Brandt denn geleistet, ausser die DDR salonfähig zu machen, sich die Stasi ins Haus zu holen und dafür zu sorgen, dass der Mob die Überhand auf den Strassen erlangte? Und das einzige, was ich Schmidt hoch anrechne ist, dass er sich von Terroristen nicht hat erpressen lassen und die Nachrüstung durchgezogen hat. Seine Wirtschaftspolitik war Sozen-like, auch eine Katastrophe.

dr. gerhard giesemann / 10.02.2025

Könnte es sein, dass die SPD sogar zur Selbstabschafung zu blöd ist? Määäh. Einfach nur g’schert??

B.Jacobs / 10.02.2025

Men sollte Herrn Sarrazin die Trauer über seine umgepolte SPD erlauben, viele Sozialdemokraten zerbrechen am Wandel der Zeit und die SPD unter Brandt , Schmidt wurde abgeschafft. Diese Erkenntnis reift spät, aber doch. Den echten Sozialdemokraten ergeht es wie den zu Tode gebissenen CDU Konservativen. Merkel, die Familie Kasner hat ganze Arbeit geleistet.

sybille eden / 10.02.2025

Aber Herr Sarrazin, die ” hunderttausende Gegendemonstranten” waren doch organisierte, bezahlte ( ! ) Regierungstruppen !

Gunnar Holler / 10.02.2025

Die SPD glaubt, Deutschland wäre verdammt reich und könnte grenzenlos spenden. 1% der Weltbevölkerung auf 0,1% des Planeten. Arme Irre sind das.

Ralf.Michael / 10.02.2025

Nochmal : Es ist absolut egal, wer die BT-Wahl gewinnt, und ob der Hosenanzug da mitmischt ! Die nächste BT-Wahl kommt dann halt in 2-3 Monaten. Die auf Uns zukommenden Probleme sind keine Hasen, die laufen nicht weg. Diese werden gelöst werden, auch ohne eine Regierung. Ihr wollt Es nicht begreifen ... Oder ?

Talman Rahmenschneider / 10.02.2025

Eins will ich noch hinzufuegen, damit meine amerikanischen Freunde, falls hier welche mitlesen, nicht enttaeuscht sind: Zwei Orte haben wir dort gefunden, an denen das anders war, und in einem gab es einen Familienbetrieb seit Urzeiten, in dem sie noch selbst malochten und uns den besten Rotwein seit Jahrzehnten gaben (gefuehlt). Dort werden wir sicher wieder noch einmal hinfahren. Denn es ist schon ein Gedicht, auf einen Ozean zu schauen, der fast 20.000 km breit ist und schon ewig da ist, wo dann auf der anderen Seite Asien ist, ein Ozean, der an Steine schlaegt, die aus verschiedenen Zeitaltern stammen und teilweise von verschiedenen Orten dorthin gereist sind und manchmal einfach im Meer liegen geblieben sind. Das ist phantastisch. Wie man an einem solchen Ort auf so krause Ideen kommen kann, wie Hollywoke die oft hat, bleibt mir verschlossen. Einen Film habe ich mal gesehen, der diesen Ozean ins rechte Licht setzt: Elia Kazan, The Last Tycoon. Sie waren mal besser. Vielleicht ist nur alles etwas verschroben geworden. Der Westen gehoert ins Kloster, zur Besinnung.

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