Die seltsame Corona-Härte der Berliner Gesundheitssenatorin

Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci repräsentiert in der Hauptstadt wohl das, wofür Markus Söder in Bayern steht: eine echte Corona-Hardlinerin. Das Studium ihres Twitter-Accounts fördert eine Hiobsbotschaft nach der anderen zutage. Neben dem regelmäßigen besorgten Posten von Corona-Fall-Zahlen und Inzidenz-Prozenten, dem Schimpfen über Corona-Demos und vermeintliche Corona-Sünder scheint der Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung vor allem die Gastronomie- und Partyszene ein Dorn im Auge zu sein. Schon am 12. August twitterte sie: „Wenn Disziplin in Gaststätten nicht funktioniert, muss über Alkoholverkaufsverbot nach außen wie in Hamburg für Strassenzüge nachgedacht werden.“

Am 13. August sagte sie in einem Interview mit dem Deutschlandfunk:

Also alle Gaststätten zu schließen, das wollen wir genau vermeiden. Deswegen muss man dann gezielt vorgehen, und die, die sich an Regeln nicht halten, da muss man auch gezielt mal eine Gaststätte schließen und da auch ein Zeichen setzen, dass alle anderen Gaststätten sich auch daran halten müssen.“

Spätestens wenn die ausgelutschte Phrase „ein Zeichen setzen“ ins Spiel kommt, weiß der geneigte Leser, dass man gerade schnurstracks von Real- zu Symbolpolitik übergeht und dass äußerste Vorsicht geboten ist.

Am 18. August drohte Kalayci dann:

„Die Dokumentionspflicht, Abstandsregeln und Maskenpflicht muss in den Gaststätten besser durchgesetzt werden. Auch bei Ballermann-Zuständen in Kiezen darf nicht weggeschaut werden. Die Verantwortlichen haben sich verabredet, mehr zu tun!“

„Es ist Schluss, nachts Partys zu machen“

Am 7. September zog sie erneut ein Alkoholverbot in Erwägung. Am 6. Oktober kündigte sie an, das „Nachtleben gezielt anzugehen“ und ereiferte sich einen Tag später im rbb-Inforadio: Es ist Schluss, nachts Partys zu machen, sich zu treffen. Die Zeit der Geselligkeit ist vorbei. Die Lage in Berlin ist ernst. Und da trägt jeder einzelne auch mit Verantwortung, diese Pandemie mit Berlin in den Griff zu bekommen.“

Am selben Tag wurde die 7. Berliner Infektionsschutzverordnung nach Vorlage von Kalayci bekanntgegeben, die weitere Verschärfungen wie eine Schließung von Gaststätten und anderen Alkohol-Verkaufsstellen zwischen 23 und 6 Uhr vorssieht. Elf Berliner Gastronomen gelang es daraufhin, per Eilantrag die Sperrstunde für ihre Läden zu kippen. Sie dürfen ihre Lokale weiterhin regulär geöffnet halten, wenn auch das Alkoholverbot ab 23 Uhr gilt.

Dilek Kalayci kündigte daraufhin an, der Berliner Senat werde Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.

Am 17. Oktober steigerte sie die juristische Drohung noch, indem sie mit der Moralkeule in Richtung der ungehorsamen Gastronomen schwang:

„An Betreiber von #Gaststätten, die mit juristischem Vorgehen gegen #Sperrstunde ab 23 Uhr meinen irgendetwas zu gewinnen: Wissen Sie nicht was auf dem Spiel steht? #Lockdown mit schweren wirtschaftlichen Folgen! Um dies zu verhindern, tragen auch sie eine Mitverantwortung!“

Scharfe, beinahe radikale Rhetorik der Senatorin stimmt ratlos

Besonders perfide wirkt ihre Androhung eines zweiten Lockdowns „mit schweren wirtschaftlichen Folgen“. Dass hier gerade Unternehmer verzweifelt versuchen, den Niedergang ihrer Existenz aufgrund staatlicher Willkür zu verhindern, scheint die Genossin nicht zu registrieren oder einfach nicht zu interessieren. Fast möchte man sie fragen: „Dilek Kalayci, warum nur hassen Sie die Berliner Gastronomie so sehr?“

Die scharfe, beinahe radikale Rhetorik der Senatorin macht ratlos. Es wäre geboten, sich angesichts einer derartigen verbalen Übergriffigkeit zu empören (ganz abgesehen vom Inhalt ihrer Beschlüsse), doch ich betrachte ihre harmlose, gemütliche Erscheinung und bringe ihre Worte und ihr Auftreten nicht zusammen. Welchen Zweck sieht diese durchschnittliche, bis dato unauffällige SPD-Lokal-Politikerin darin, sich derartig im Sinne der Corona-Restriktionen zu engagieren und nebenbei dazu beizutragen, eine ganze Branche nachhaltig zu schädigen? Denn – Dilek Kalayci plant wohlgemerkt, nach Ende der gegenwärtigen Legislaturperiode, also Herbst 2021, sich nicht mehr als Senatorin und Berliner Abgeordnete zur Wahl zu stellen.

In diesem Zusammenhang stieß ich auf einen interessanten Satz, der Anfang August im Zuge des Bekanntwerdens ihres Ausscheidens aus dem Senat in einem Beitrag des Tagesspiegels stand: „Kalayci wollte sich am Mittwoch nach Angaben eines Sprechers angesichts der vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen in der derzeitigen Coronakrise nicht zu ihrer politischen Zukunft und zu den Gründen für einen Rückzug äußern.“

Könnte es etwa sein, dass sich Dilek Kalayci (politisch) zu Höherem berufen fühlt und die Corona-Krise dazu nutzen möchte, dies unter Beweis zu stellen?

Foto: Stephan Röhl/Heinrich-Böll-Stiftung CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Thomas Taterka / 20.10.2020

Elf , also 11 Gastronomen in einer stetig wachsenden 4 Millionenstadt. Einer Weltstadt. Das lässt hoffen ! Gibt es schon verlässliche Zahlen zu den Umsatzeinbußen? - ” Sie sind Gastronom ? Wie geht’s Ihnen ... finanziell? ” ( Stimme von hinten : ” Wir müssen jetzt alle vernünftig sein ” ) Antwort : “Den ganzen Herbst und Winter? ” -Du tust mir leid , mein Freund. Du wirst mich lange nicht mehr sehen. Gegessen und getrunken wird zu Hause, solange bis Du aus dem Gröbsten raus bist oder eben nicht. 

Karla Kuhn / 20.10.2020

Heute am Zeitungskasten, “Ist Weihnachten in Gefahr?”  BEI UNS bestimmt nicht. Wir feiern so schön wie immer, ein festlich geschmückter Baum und alles as sonst noch dazu gehört. Weihnachten ist ein Familienfest und das lassen wir uns ganz sicher von NIEMAND zerstören, vor allem nicht von unbelehrbaren Typen.

giesemann gerhard / 20.10.2020

Ja wegen dem Schweinsbraten, dem rheinischen, mit Zibeben. Berliner Leber von der Sau! Eisbein, die blöden Schweinfleischfresser, wa?

Hans-Peter Dollhopf / 20.10.2020

Unsere neudeutschen Politikdarstell*, meist ja Innen, haben ein fettes Problem mit ihrer muslimischen Primärsozialisation beim Umgang mit uns schon länger hier Lebenden! Das belegt ganz penetrant etwa Chebli mit ihren Tollwutanfällen, wo sie interpretiert, dass es gegen ihre “Ehre” ginge. Gaststätten, in denen Alkohol konsumiert wird, das sind ebenfalls rote Tücher. Nein, SPD, Grüne und Linke installierten einen Clash of Civilizations über explizit muslimische Kandidatenauswahl. Gibt es wirklich keine politischen aktiven Türken in Deutschland, die sich einfach emanzipiert haben von den geistigen Beschränktheiten ihrer Altvorderen, die dann bei der Linken noch eine Chance hätten?

Peter Bauch / 20.10.2020

Haut man auch hier den Sack (Gastronomie) und meint den Esel (Neubürger)?

Sabine Schönfelder / 20.10.2020

Geil, bin „ganz“ bei der türkischen Sultanatsbiene. Berlin abriegeln, Ausgangssperre, Lock- und SHUTDOWN für 10 Jahre. Das Haus darf nur zur Arbeit verlassen werden. Da bleiben die Straßen ohnehin leer und grünen zu. ALLES GUT.

Axel Gojowy / 20.10.2020

Bürokratie ist doch die schärfste Waffe im Korona-Krieg. Nach 22.00Uhr Kneipe dicht, nächtliche Ausgangssperre, weil vermutlich nachtaktive Viren fliegen - Mundschutz und Lüftungsverhalten. Wenn sich da die Viren nicht totlachen .

Matthias Böhnki / 20.10.2020

Laalaalaala… Was macht eigentlich Schweden ? Man hört gar nichts mehr. Hatten in den letzten 7 Tagen 4 Tote durch/mit/an Corona. Deutschland hatte in den letzten 7 Tagen 202 Tote durch/mit/an Corona (Quelle ntv). Laalaalaala…...Das sind in Deutschland 50mal mehr Tote als in Schweden, obwohl nur 8mal mehr Einwohner….Laalaalaala…..Wie kommt das nur ?......Laalaa. Wir sollten keine Hamsterkäufe tätigen, sagt die Ministerin. Ich will gar keine Hamster kaufen !!!.... Laalaa…..Alles so schön grün hier…....Laalaa

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