Joachim Nikolaus Steinhöfel / 07.01.2018 / 13:02 / 10 / Seite ausdrucken

Die Selbstzensur des Zensurministers

Wenn jemand völlig in seiner Bestimmung aufgeht, dann fügt er sich selber das zu, was er anderen zumutet. Heiko Maas ist da ein leuchtendes Vorbild an moralischer Konsequenz. Der Zensurminister zensiert sich selbst. Aber der Reihe nach: Sieben Jahre lang behauptete sich ein Tweet des geschäftsführenden Justizministers Heiko Maas bei Twitter, bis er dann gestern, offenbar vom Verfasser selber oder dessen hochkompetenten „Social Media Team“, gelöscht wurde. Der Tweet lautete:

„Beim Besuch der islamischen Gemeinde Saarbrücken ist mir gerade wieder klar geworden was für ein Idiot Sarazin ist. 7:41 AM – 26 Nov 2010″

Als bedeutender Sozialdemokrat sollte man a) den Namen eines Genossen, der immerhin Bundesbankvorstand und Berliner Senator war und ein überaus erfolgreicher Buchautor ist, richtig schreiben können (Sarrazin), b) vage Vorstellungen von Kommasetzung haben und, als Justizminister, c) mindestens die Jura-Kenntnisse eines Bild-Lesers aufweisen (“Was ist erlaubt? Was ist verboten? Der Beschimpf-Knigge.”). Denn bei der Bezeichnung „Idiot“ handelt es sich in der Regel um eine strafbare Beleidigung.

Eifersucht auf Sarrazins zahlreiche Bestseller („Deutschland schafft sich ab“ zum Beispiel), kann es 2010 ja noch nicht gewesen sein. Außerdem ist es Maas ja beinahe gelungen, an die Verkaufserfolge des „Idioten“ anzuknüpfen. Maas Verkaufsschlager „Aufstehen statt wegducken: Eine Strategie gegen Rechts” (heute Amazon Bestseller-Rang: Nr. 179.484 in Bücher) ist ja nicht ohne jede Resonanz geblieben. Und aktuell hier und da als Restant für 0,10 Euro zu einem angemessenen Preis zu erwerben.

Maas operiert mit strafbaren Beleidigungen

Dass jemand, der in erster Linie für seinen Frontalangriff auf das Verfassungsrecht der freien Rede in Erinnerung bleiben wird, höchstselbst mit strafbaren Beleidigungen operiert und diese nach 7 Jahren klammheimlich löscht, entbehrt nicht einer tragischen Komik. Die Frage von “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt bei Twitter,

„Lieber @HeikoMaas ! Haben Sie diesen beleidigenden Tweet heute nach sieben Jahren heimlich gelöscht oder war das Ihr schreckliches NetzDG?“

harrt noch der Beantwortung durch unseren obersten Justizmeister. Maas wäre aber nicht Maas, wenn er nicht auch 2018 mit bemerkenswerten Thesen am Ball bliebe. Am 4. Januar 2018 liess sein Ministerium bei Twitter verlauten:

„‘Wem am Schutz der Meinungsfreiheit gelegen ist, der darf nicht tatenlos zusehen, wie der offene Meinungsaustausch durch strafbare Hetze und Bedrohung unterbunden wird‘ betont BM @HeikoMaas.“

Der Pirat Thomas Ney hat das prima kommentiert:

„Das #NetzDG als Bollwerk zum Schutz der Meinungsfreiheit. Für mich der schönste Euphemismus seit ‚Antifaschistischer Schutzwall.‘“

Diesen Tweet aus 2014 hat Maas übrigens noch nicht gelöscht und den kannst man sich auch nicht ausdenken:

„Treffen mit türk. Justizminister: Sperren von #twitter + #facebook ist nicht unser Verständnis von #Meinungsfreiheit.“

Karl-Eduard von Schnitzler hat schließlich seinen Meister gefunden.

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Leserpost

netiquette:

Elmar Schürscheid / 07.01.2018

Was Du nicht willst das man dir tu, das….! Ja, so ist das. Danke für Ihr Engagement Herr Steinhöfel. Drann bleiben, irgendwann gewinnen wir.

Heiko Stadler / 07.01.2018

Laut eine Focus-Online-Umfrage wünschen sich genau 90% der Befragten ein Ende der GroKo. Sicher spielt dabei dieses diesseits und jenseits von geltenden Recht um sich schlagende Häufchen Elend aus dem Justizministerium eine große Rolle.

H. Schmitt-Fellgiebel / 07.01.2018

Soweit ich weiß, ist das mit diesem ominösen Tweet von 2010 längst geklärt. Den hat Heiko nicht absichtlich geschrieben. Da ist er aus Versehen mit den Fingern unglücklich auf die Tastatur gekommen und dann noch mit der Maus ausgerutscht.

Andreas Rochow / 07.01.2018

Wenn wir es uns weiter gefallen lassen, von Menschen mit dem Demokratie- und Rechtsverständnis eines Heiko Maas regieren und kujonieren zu lassen, bleibt von Demokratie und Rechtsstaat nichts mehr übrig. Maas scheint nicht einmal zu merken, dass er selbst politisch und kulturell ein ernstzunehmendes Problem darstellt

Werner Arning / 07.01.2018

Ein gestandener Linker wie Heiko Maas kann gar nicht Hate Speech. Der weiß gar nicht, wie das geht, weil er ja keinen hasst. Weiß doch jedes Kind, dass nur Rechte hassen. Dass er Sarrazin einen Idioten genannt hat, also bitte, gegen wen geht es denn da? Wenn man dem kein unfreundliches Gesicht zeigen darf, dann ist das nicht mehr Maas‘ Land. Leute, ihr versteht aber auch gar nichts.

Wolfgang Schreck / 07.01.2018

Ich stelle dazu nur eine Frage: wo sind hier nun die zahlreichen selbsternannten Bürgerstaatsanwälte, die empört Strafanzeigen stellen? Oder werden diese nur reflexartig dann tätig, wenn es um die AfD-Politiker handelt?

Viola Heyer / 07.01.2018

In einer funktionierenden Demokratie ein Gesetz zu schaffen, dessen Ausübung und Kontrolle ausserhalb der Organe der Demokratie angeordnet ist, ist schon eine starke Leistung. Dass aber der deutsche Bundestag, der das Gesetz abgesegnet hat, nicht auf die Barrikaden gegangen ist, macht mich sehr traurig. Aber auch der Bundespräsident mit seinem hochkarätigen Stab scheint es nicht verstanden zu haben und hat es unterschrieben. Es erinnert mich an die Geschichte des Sexualstraftäters, der nach Beendigung der Haftstrafe Aufseher im Mädchenpensionat wurde.

Wolfgang Kaufmann / 07.01.2018

Wenn ein junger Mann in Kandel vor Zeugen das Küchenmesser schwingt, ist er ein „mutmaßlicher Täter“. Wenn ein U-Bahn-Treter auf einer Überwachungskamera in flagranti aufgezeichnet ist, wird das Gesicht dennoch verpixelt, um die Persönlichkeitsrechte zu schützen. Wenn eine vom Volk gewählte Abgeordnete zweier Parlamente von Männerhorden schreibt, geht hingegen die Verfemung wegen „Volksverhetzung“ – zumal durch ein verborgen agierendes Privatunternehmen – völlig in Ordnung, und die Persönlichkeitsrechte interessieren auch keinen. Hallo Rechtsstaat, ist da jemand?

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