Für die Gewählten, die Parteifunktionäre, aber auch die berichtenden Journalisten scheint es nicht so wichtig gewesen zu sein, dass bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein fast vierzig Prozent der Wahlberechtigten gar nicht erst mitgewählt haben.
Am gestrigen Wahlabend in Schleswig-Holstein hatten alle in den Landtag gewählten Parteien – glaubt man ihren Vertretern, die vor Kameras und Mikrofonen auftraten – einen Grund zur Freude. Den konnten selbst die Wahlverlierer von der SPD teilen. Sie freuten sich, dass die AfD an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und im nächsten Landtag nicht vertreten ist. Nur noch demokratische Parteien seien im Parlament in Kiel vertreten, hieß es allenthalben. Selbst diejenigen, die auch westliche Ableger der SED-Nachfolgepartei nicht für demokratisch halten, konnten mitjubeln, denn die Linke erreichte bekanntlich nicht einmal die Nähe der Fünf-Prozent-Grenze. Alle Landtags-Parteien fanden also einen gemeinsamen Grund zur Freude, und viele Berichterstatter freuten sich mit.
Was die Gewählten, die Parteifunktionäre, aber auch die berichtenden Journalisten hingegen kaum zu berühren schien, war der Umstand, dass fast vierzig Prozent der Wahlberechtigten im Lande gar nicht erst mitgewählt haben. Bei dieser Zahl dürfte sich eigentlich bei Demokraten jegliche Freude verbieten.
Natürlich ist es das gute Recht eines jeden Wahlberechtigten, nicht zur Wahl zu gehen. Ein Problem wird es dann, wenn nicht nur diejenigen fernbleiben, die zur Stimmabgabe zu bequem und zu desinteressiert sind, sondern immer mehr Menschen nicht wählen gehen, weil sie im zur Wahl stehenden Angebot nichts und niemanden finden, dem sie mit ihrer Stimme eine Legitimation zum Mitreden und Mitentscheiden geben wollen.
Lieber Nicht- als Falschwähler
Früher hörte man bei geringer Wahlbeteiligung noch besorgte und mahnende Stimmen. Als die AfD vor Jahren allerdings damit punktete, dass sie offenbar in Größenordnungen unzufriedene Nichtwähler zur Stimmabgabe motivierte, hieß es von manchen Vertretern etablierter Parteien schon mal, dass es besser wäre, nicht zu wählen, als die Falschen zu wählen. Heute redet man über das Nichtwählen scheinbar so gut wie gar nicht mehr.
Wenn keine „falsche“ Partei außerhalb des Jeder-kann-mit-jedem-koalieren-Kosmos im Parlament sitzt, bekümmert es offenbar niemanden mehr, wenn fast vierzig Prozent der potenziellen Wähler keinen Geeigneten mehr zum Wählen finden. Der Gedanke, dass die demokratische Legitimation an sich dabei Schaden nehmen könnte, ist längst vergessen.
Vielleicht ist das auch besser so, denn in den Zeiten, in denen sich Politiker noch Gedanken über geringe Wahlbeteiligungen gemacht haben, warteten sie zuweilen mit merkwürdigen Ideen auf, um dieses Problem zu lösen. Nicht das Angebot, aus dem die Wähler wählen können, sollte verbessert werden, nur für die Faulen und Bequemen könnte man den Akt der Stimmabgabe vielleicht erleichtern.
Frau Fahimi hat die Lösung: Wahlwochen!
Yasmin Fahimi ist dieser Tage zur neuen DGB-Vorsitzenden gewählt worden, quasi direkt aus dem Bundestag an die Gewerkschaftsspitze. Falls Sie sich nicht erinnern können: Die Frau war u.a. auch mal SPD-Generalsekretärin. Und als solche hatte sie im Dezember 2014 im Interview mit der Welt eine ganz spezielle Idee geäußert:
„Ich möchte mich nicht abfinden mit einer Wahlbeteiligung von 50 Prozent. Deshalb habe ich ein überparteiliches Bündnis angeregt, um unnötige Hürden bei Wahlen zu beseitigen. Mittlerweile haben alle Parteien, die im Bundestag vertreten sind, positiv darauf reagiert. Anfang des Jahres treffen wir Generalsekretäre uns, um erste Ideen zu diskutieren.
Die Welt: Sie haben vorgeschlagen, im Supermarkt wählen zu lassen…
Fahimi: Klingt ungewohnt, meine ich aber ernst: Ich finde, wir sollten das Wählen an viel mehr öffentlichen Plätzen ermöglichen – in Rathäusern, Bahnhöfen, öffentlichen Bibliotheken. Wir lassen gerade rechtlich prüfen, ob so etwas wie eine fahrende Wahlkabine möglich ist, vergleichbar mit einer mobilen Bücherei in ländlichen Gebieten.
Die Welt: Glauben Sie wirklich, die Wahlbeteiligung sinkt, weil den Bürgern die Gelegenheit zum Wählen fehlt?
Fahimi: Ich sehe zwei Gründe für die sinkende Wahlbeteiligung. Es mag Bürgerinnen und Bürger geben, die sich für Politik nicht interessieren oder enttäuscht sind und deswegen nicht zur Wahl gehen. Diese Menschen erreichen wir natürlich nicht durch solche Vorschläge.
Ich denke aber, dass es genügend Wahlberechtigte gibt, die schlicht aus einer gewissen Bequemlichkeit heraus am Sonntag den Weg ins Wahllokal nicht finden. Darüber kann man lamentieren – oder es ändern. Ich finde, in einer hoch mobilen Gesellschaft wie unserer muss es möglich sein, solche neuen Ideen zu diskutieren. Ich bin dafür, statt eines einzigen Wahltags ganze Wahlwochen wie in Schweden anzupeilen, in denen man seine Stimme abgeben kann – und zwar nicht nur an seinem Wohnort, sondern überall.“
Irgendwie wurde bekanntlich nichts daraus, und vielleicht ist es wirklich besser, zu dem Thema zu schweigen, als solche Pläne zu diskutieren. Der DGB kann mit dieser Art von Ideenreichtum sicher mehr anfangen.
Beitragsbild: Martin Abegglen Flickr CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

Da immerhin hat Günthers CDU rd. 28% der Stimmen der Wahlberechtigten von S-H erhalten. (60% x 43%) Ganz CDU-Deutschland feiert, dass sich rd. 600.000 Nordlichter für die CDU entschieden haben. Damit hat sich Herr G. praktisch schon für Kanzler-Aufgaben qualifiziert. 28% ist ohnhin ein beliebtes Ergebnis: Soviel bekam auch Herr Habeck (- Kanzler der Herzen) in seinem Wahlkreis bei den Nordlichtern in der Budestagswahl 2021. Allerdings 28% der abgegebenen Stimmen.
Es ist schon seltsam, Parteien, die Lieferung von schweren Waffen befürworten, haben bei dieser Wahl Stimmen dazu gewonnen. Sind die Schleswig-Holsteiner in ihrer Mehrheit Kriegsbefürworter? Ich kenne sie als nicht Kriegsbegeisterte in all den Jahren zuvor.
Wahlwochen? Eher weniger. Mai 2017 Smart City Charta - Digitale Transformation in den Kommunen nachhaltig gestalten - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit - Smart City in the era of Internet of NO things - Roope Mokka, Demos Helsinki Seite 43 6. Post-voting society Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.
Warum sollte eine geringe Wahlbeteiligung die Parteien der Nationalen Front stören? Der Daniel hätte auch dann vom Volk den Regierungsauftrag erhalten, wenn er 43% von 10% erhalten hätte.
In Schleswig-Holstein ist Merkels Einparteienstaat erstmals Wirklichkeit geworden. Bislang waren mir die Berliner Wähler suspekt, weil sie wie Schafe zum Schlachthof laufen, aber mit Schleswig-Holstein ist nun erstmals legitimiert worden das man das Grundgesetz in die Tonne treten kann und der Bürger nur noch als Verfügungsmasse einer schleimigen Nomenklatura existiert.
Naja, Wahlbeteiligungen von 60% oder maximal leicht darüber sind in den letzten Jahren ja zur Normalität geworden. Vermutlich deshalb verneinen die Mainstream-Medien ein “öffentliches Interesse” und sehen davon ab, darüber zu berichten. Und solange “die Richtigen” gewonnen haben, ist doch sowieso alles in bester Butter…....
Beim schnellen Überfliegen der Wahlbeteiligungen ist mir aufgefallen, dass diese zwar niedriger ist als 2017, aber in der gleichen Größenordnung wie z.B. 2012. Das Desinteresse scheint sich einigermaßen konstant bei 40% zu halten. Daher wäre ich dafür, dass 50% der Sitze nur nach Wahlbeteiligung gefüllt werden, ebenso die Auszahlungsquote des Ruhegelds (wenn man das nicht sowieso direkt abschaffen möchte). Spart Geld.