Felix Perrefort / 14.04.2022 / 14:00 / Foto: Pixabay / 47 / Seite ausdrucken

Schule und Maske: „Angst um den Auslands-Urlaub“

Die Maskenpflicht an den Schulen ist endlich gefallen. Was bedeutet das für den Alltag? Wie verhalten sich Schüler und Lehrer? Der Autor sprach mit einer Berliner Lehrerin. 

In lebendige Schülergesichter blicken; ihren Gesichtspartien ablesen können, ob sie auch verstanden haben, was ihnen gerade nahegebracht wurde; zurück ins echte Leben – so schildert eine Berliner Lehrerin ihre erste Unterrichtswoche nach Ende der Maskenpflicht an den Schulen. Ich sitze mit ihr in ihrem Kreuzberger Lieblingscafé, das Masken- und Impfregeln sogar noch freiwillig aufrechterhält, doch kontrolliert wird immerhin nicht. Sie ist coronapolitisch weder sonderlich skeptisch noch konform. Es ist schön, jemandem gegenüberzusitzen, der seinem Beruf nun neues Leben einhauchen kann. Ihre Augen leuchten, endlich bereitet ihr der Unterricht wieder Freude.

In einem meiner letzten Beiträge schrieb ich über den Verlust an Unbeschwertheit, den eine Kindheit unter Corona bedeutet, und unterhielt mich mit einer Psychologin und einer Mutter eines Grundschulkindes. Nun geht es um Teenager an einer weiterführenden Berliner Schule, und die ticken ja schon wieder ganz anders. Klara N. (Name geändert) unterrichtet die siebte bis zehnte Klasse, also Zwölf- bis Siebzehnjährige. 

Als die Schulleitung ihren Kollegen und ihr das Ende der Maskenpflicht verkündete, erbat sie zugleich, die Schüler doch zum freiwilligen Weitertragen zu ermuntern, jedenfalls bis zu den Osterferien, die in Berlin am 8. April begannen. Auch die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) plädiert ungeniert dafür, den Maskenzwang selbst ohne Rechtsgrundlage aufrechtzuerhalten.  

Sieht es in den Klassenzimmern nun also aus wie vielerorts in deutschen Supermärkten, wo das in Deutschland liebgewonnene Gesundheitsritual nun weiterhin praktiziert wird? Zum Glück nicht, denn es kommt darauf an, was die Lehrer ihren Schülern als erwünscht vermitteln. So trugen zunächst 80 Prozent der Schüler einer von Klara unterrichteten Klasse die Maske – weil deren Klassenlehrer das ihnen empfohlen hätte. Auf Klaras Frage, ob es sie denn stören würde, wenn sie ohne Maske unterrichtet, meldeten sich nur sieben von 28 Schülern, dem Rest war es egal. Das eigentliche, maskenfreie Bedürfnis der Schüler offenbart sich also, nachdem ihnen keiner mehr Druck macht. Klara wollte schließlich abwechselnd mit und ohne Maske unterrichten, doch vergaß dann das Aufsetzen, weil sie sich ohne so „befreit“ fühlte, „zum ersten Mal wieder das Gefühl hatte, verstanden zu werden.“ 

Der Eingriff in die Rechte der Schüler war gravierend 

Innerhalb des Kollegiums herrscht ein Pluralismus, den ich so nicht erwartet hätte. Von der Lehrerin, die es tatsächlich einmal wagte, sich „Maulkorb“ auf die Maske zu schreiben, bis zu solchen, die ungeimpfte Schüler schräg angucken, ist alles dabei. Der klotzige Virenluftaustauscher brummt zwar im Lehrerzimmer, doch wird auch mal ausgeschaltet, um kontrovers zu diskutieren. Sehr unterschiedliche Ansichten gibt es auch unter den Schülern. Da gibt es die klassischen Rebellen, die sich nichts sagen lassen, die Maske unterm Kinn tragen und von der Schulleitung richtig eingenordet werden; aber auch die Ängstlichen, die jene anschauen, als wären sie der Teufel persönlich. „Die Spannung im Raum war immer zu spüren“, sagt Klara. Die Mehrheit ihrer Klasse war „corona-ängstlich“, die „Maskenverweigerer“ wurden gefürchtet und gemieden. So viel zu den diskriminierenden Effekten dieser vermeintlich harmlosen Maßnahme. 

War denn die Maskenpflicht im Nachhinein gerechtfertigt?, frage ich sie. Sie traut sich kein Urteil zu. Zu meinem Verweis auf Schweden, wo es nie eine gab und offenkundig nichts Schlimmes passiert sei, meint sie, dass man vielleicht nur nichts davon wüsste und sie die Zahlen erst recherchieren müsste. Mich stimmt das nachdenklich, da sie ja den angerichteten Schaden durchaus anerkennt und die Abschaffung der Maskenpflicht nun emphatisch begrüßt, weil der Unterschied für sie einer ums Ganze ist. Einmal testete sie die Aufmerksamkeit der Schüler, zog die Maske abwechselnd hoch und runter, und kam zu dem Schluss: „Das ganze Gesicht zu zeigen, ist ein Aufmerksamkeitsmagnet.“ 

„Die häufigste Aussage, die ich gehört habe, war: Wir wollen uns jetzt kurz vor den Ferien nicht noch anstecken. Nachher können wir noch den Flug nicht antreten oder sind in unserer Erholungszeit krank.“ Wegen des eigenen Urlaubs sollen Schüler Maske tragen – diese bestürzende Einstellung gegenüber Grundrechten von Schülern äußerten viele sogar ganz offen vor der Schulleitung. Aber kann man denn von erwachsenen Menschen nicht erwarten, diese ganze Schuldlogik ums Anstecken zurückzuweisen?, frage ich Klara. Es könne doch nicht richtig sein, die Schüler als Gefahr für den eigenen Urlaub zu betrachten und dafür deren Rechte einzuschränken. Sie gibt die Überlastung vieler Lehrer zu bedenken: „Man merkt das an den Gesprächen. Endlich Ferien, endlich Feiertage, immer dieses Hinhecheln zur nächsten Erholungszeit.“

Daher fehle vielfach einfach die Zeit und Kraft, sich ein angemessenes Urteil zu diesen Dingen zu bilden. Der Lehrerberuf als „ewige Mühle“, in der die Schüler teilweise als Zumutung betrachtet werden, unter pandemischen Bedingungen dann eben auch als gesundheitliche. Darüber hinaus kritisiert sie, dass die Pädagogik im Lehramtsstudium eine nur untergeordnete Rolle spielt. In ihren Augen stellt es ein „systemisches Problem“ dar, dass das Studium so fächerzentriert sei. Ich hatte mich schon oft gefragt, warum Lehrer in Sachen Maßnahmen so wenig auf die fragile Entwicklung der Schüler reflektieren, und habe nun einen Teil der Antwort. Wir verabschieden uns schließlich, ich bedanke mich bei ihr. Sie macht mir Hoffnung, dass ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür, wie gravierend die Maskenpflicht die Rechte der Schüler beschneidet, vielleicht doch noch entstehen könnte.

Foto: Pixabay

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M. Quadermueller / 14.04.2022

Lehrerin? Intellektuelles Prekariat trifft es wohl am Besten.

Lutz Herrmann / 14.04.2022

In der Grundschule haben die Lehrerinnen (Lehrer gibt es dort ja nicht) sogar die genesenen und geimpften Kinder dazu gebracht, sich drei mal wöchentlich zu testen. Anrufen bei den Eltern sind da keine Seltenheit. Was für eine üble Sorte Mensch.

Arne Ausländer / 14.04.2022

“Corona” hat gezeigt, wie erschreckend unfrei gerade die eigentlich besser Gebildeten sind. Liegt das nun an der höheren Bildung selbst oder an der vergleichsweise privilegierten Stellung, die Angst um Statusverlust bei unerwünschtem Verhalten verinnerlichen läßt?

Bernd Müller / 14.04.2022

...“War denn die Maskenpflicht im Nachhinein gerechtfertigt?, frage ich sie. Sie traut sich kein Urteil zu.”—- Mein Gott, sie traut sich kein Urteil zu. Ein erwachsener Mensch, eine Lehrerin, sonst zu allem eine Meinung haben…...Zum Verrücktwerden dieses Volk von geducktmäuserten, willfährigen Mitläufern…....Da sitzen Kinder den ganzen Tag unter Masken…..“Dazu habe ich keine Meinung”............Oder ich höre als Antwort häufig, wenn ich auf die Ungeheuerlichkeit aufmerksam mache: “Hmm, schwierig, schwierig…”  Sorry, da könnte ich “ausrasten”...... Makentragen, zumal Kinder (!!!), in der Schule, den halben Tag, den ganzen Tag, das ist nicht mehr in Worte zu fassen, das ist geisteskrank, das ist Menschen, insbesondere Kinderverachtung in Reinform, das ist Zombie, das ist…..haltet mich fest…..ich könnte…..ich darf nicht länger darüber nachdenken…...Ich zitiere nur noch aus der Gebrauchsanleitung für eine chinesische FFP2 Maske: “Die vorliegende Maske schützt vor bestimmten Partikelverunreinigungen, verhindert aber nicht die Gefährdung oder Ansteckung mit Krankheiten oder Infektionen. Die falsche Verwendung kann zu Krankheit oder Tod führen.” Deswegen trugen die Dinger früher nur die dem Staub ausgesetzen Handwerker und deswegen heißen die Dinger: “FFP2 Partikelfiltrierende Halbmaskeheißen”——-was für ein brutales, herzloses Dummland….....Heilige Scheiße!!

T. Schneegaß / 14.04.2022

Achtung, Masken bereithalten, die “Troublemaker-Mutante” ist im Anmarsch. LOCUS wurde exklusiv darüber vorab von der WHO informiert.

Ulla Schneider / 14.04.2022

Ach Herr Perrefort, Sie haben die Kollegin gut beschrieben. Man könnte Mitleid haben, wenn es nicht so schlimm wäre. Ich denke, daß ein großer Teil dieser Berufsgruppe nicht nur “braves” Beamtentum pflegt, sondern vorsichtig ( ängstlich) auf die Vorgaben der Vorgesetzten mit ihren Äußerungen reagiert. Mutig sind die nicht. Damit ist kein Blumentopf zu gewinnen. Einer der Gründe, warum Reformen ( die wirklich was bringen würden) nicht durchsetzbar sind. Denn diese Reformen erwarten gestandene Personen und das widerspricht dem typischen Lehrkörper.  Gerade dieser hat doch den Maskenfetischismus auf die Spitze getrieben, anstatt gegen die überaus ängstlichen Eltern zu intervenieren.  Die sollen sich schämem! - Das Studium stellt nur dann evtl. ein fächerzentriertes Problem dar, wenn man nur die prüfungsrelevanten Vorlesungen nimmt. Und ja, Pädagogikseminare sind leider freiwillig zu besuchen, wären aber, wenn man diesen Beruf wählt, eine Selbstverständlichkeit.  In meinen Studienjahren waren von 500 Lehramtsstudenten mit meiner Wenigkeit gerade mal sieben in der Pädagogik/Psychologie unterwegs! Noch Fragen? — Mit einer Selbstverständlichkeit einer Email ( Pensionskaffee): “Wir sind ja alle 2 G, dann können wir Kaffee trinken gehn….”  - Lehrer machen nur das, was als Papier reingeflattert kommt. Selbstdenken würde ihr vorgestanztes Weltbild ins Wanken bringen. -Das ist das “Glatteis”, auf das sie nicht gehen, das ist Pädagogik als Praxistest.  Und keine Ausreden mehr wie:”......Pädagogik = untergeordnete Rolle”.  Sebstverständlich bestätigen die Ausnahmen die Regel.

Andreas Günther / 14.04.2022

„ Darüber hinaus kritisiert sie, dass die Pädagogik im Lehramtsstudium eine nur untergeordnete Rolle spielt.“ Das würde ich genau andersrum sehen. In den 70er und 80er Jahren wurde anstelle von Pädagogik eher Politogogik vermittelt: Lehren aus dem Nationalsozialismus ziehen, nie wieder Auschwitz, Bejahung der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Wie es heute ausschaut, kann ich nicht sagen, ich vermute Methodik und Didaktik und Didaktik und Methodik sowie wahrscheinlich „Erziehung gegen rechts“. Wie erfrischend war meine eigene Schulzeit in den 60er und frühen 70er Jahren: jeder Lehrer ein anderer Typ, jeder hatte seine eigene Art zu unterrichten. Viele waren schon in den 30er Jahren Lehrer gewesen. Wenn frische Referendare kamen, die alles richtig machen wollten, waren sie nicht besonders beliebt, allenfalls junge Frauen in kurzen Röcken mochten wir Jungs. Heutzutage soll überall die gleiche Methodik/Didaktik angewandt werden, jeder Lehrer austauschbar sein, was sich auch in engeren, weniger freilassenden Lehrplänen widerspiegelt. Hätte ich früher weitgehend „gleichgeschaltete“ Lehrerpersönlichkeiten gehabt, wäre ich wohl höchst ungern in die Schule gegangen. So aber fand ich es interessant und noch nach 50 Jahren erinnert man sich gern an die einstigen Lehrer – an die nach Verwechselbarkeit strebende Masse der heutigen wird sich schon nach kurzer Zeit kein Schüler mehr erinnern.

Werner Arning / 14.04.2022

Lehrer gelten gemeinhin als eher ängstliche Zeitgenossen. Das liegt wohl auch daran, dass ihnen unterstellt wird, dass sie nie die Schüler- und Kinderwelt hinter sich lassen wollten, dass sie darin verharren aus Angst vor dem Leben, aus Angst beispielsweise vor einer Konfrontation mit Erwachsenen. Die Welt der Erwachsenen macht ihnen nämlich Angst. Sie erwählten als Beruf etwas, was ihnen bereits vertraut war. Bloß nichts Neues, bloß kein Risiko. Verbeamtung, Ferien, ein ewiges Kind bleiben. Und da der Lehrer zur Angst neigt, neigt er sehr zur Maske. Seine Partei, die Grünen, ebenfalls. Der Lehrer ist brav. Er liebt Sicherheit. Er möchte die Dinge schon im Voraus kennen. Er hasst Überraschungen, Ungewissheit. Der Lehrer trägt Maske und seine Schüler, bitt schön, auch.

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