Sebastian Biehl, Gastautor / 26.02.2025 / 10:00 / Foto: K.I / 30 / Seite ausdrucken

Die Schuldenbremse wird sturmreif geschossen

Wenn Politiker aus Sachzwängen wie Koalitionen ihre vermeintlichen Kernüberzeugungen preisgeben müssen, wird die öffentliche Meinung derart beinflusst, dass es am Ende so aussieht, als hätte man gar nicht anders handeln können.

Medien und Politiker kennen sich aus damit, wie man bestimmte Meinungswellen erzeugt, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Das können emotionale Großthemen sein, wo plötzlich gefühlt fast alle das Gleiche denken, sagen und wählen. Man kann hier an die Flüchtlingswelle 2015, das Klima 2018 und 2019, George Floyd und „Rassismus“ 2020, Corona 2020 und 2021 und Ukraineüberfall 2022 denken. Der vermeintliche Rechtsruck geht eigentlich immer, mit besonderen Wellen nach der Potsdamer Konferenz und vor Wahlen.

Wie immer, wenn es so eine Kampagne gibt, fehlen auch die unterstützenden Meinungsumfragen und die Expertenempfehlungen nicht.

Die Schuldenbremse ist nicht ein Thema, das die Gemüter vergleichbar erhitzt, aber auch hier werden genug „Argumente“ plakatiert, um die Meinung in die gewünschte Richtung zu lenken: Einsturz der Carolabrücke – wir brauchen Geld für die Infrastruktur. Krieg in der Ukraine – wir müssen das Land unterstützen, wir brauchen Geld für die Bundeswehr, müssen das Land wieder aufbauen. Trump wird Präsident – Europa muss sich unabhängig von den USA machen, wir müssen aufrüsten.

Die Tür zum Schulden-Tresor

An der Schuldenbremse zerbrach bekanntlich die Ampelkoalition: Die FDP wollte nicht Olaf Scholz, nach miesem Wirtschaften, nun auch noch die Tür zum Schuldentresor öffnen. Erst mal sah es so aus, als wäre die vermeintliche öffentliche Meinung auf Seiten der FDP, schließlich hatte sie schon viele Kröten geschluckt, und wenn sie jetzt den Schlussstrich zog, muss es sich um eine ernste Sache handeln. Aber dann wurden ausgerechnet die Liberalen abgestraft und flogen aus dem Parlament, womit die tapferste Gegnerin der Schuldenbremse aus dem Weg geräumt wurde. Zwar ist auch die AfD eine Gegnerin der Schuldenbremse, aber das ist in der Lesart der „demokratischen Parteien“ ja geradezu ein Argument dafür.

Die CDU trat noch mit deutlicher Bekenntnis zur Schuldenbremse zur Wahl an, nur um dann schon am nächsten Tag daran wieder zu zweifeln. Aber damit es nicht wie Verrat aussieht, wird schon mal ein Zwang konstruiert, nach dem Motto: Es ist zwar prinzipiell die richtige Sache, aber die Zeiten sind so außergewöhnlich, dass man mal ein Ausnahme machen muss.

Da die CDU der SPD entgegenkommen muss, ist hier schon mal ein Kandidat, den man über die Klippe stürzen lassen kann. Damit der Verrat an den eigenen Überzeugungen aber zum Handeln aus patriotischer Verantwortung umetikettiert werden kann, müssen die Hilfstruppen ran: die Ökonomen, die Meinungsforscher und die vermeintlichen Vordenker in den eigenen Reihen. Man nehme nur die Schlagzeilen der letzten paar Stunden, um zu sehen, was hier gespielt wird:

Günther für Reform der Schuldenbremse mit Stimmen der Linken: Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), ist für eine Reform der Schuldenbremse, aber in der neuen Wahlperiode. Günther sagte, man müsse damit zurechtkommen, dass für eine entsprechende Grundgesetzänderung auch Stimmen aus der Linskpartei benötigt würden. Neben einer Reform der Schuldenbremse will Günther auch ein neues Verteidigungs-Sondervermögen (Politico, 26.02).

Schulze will Schulden-Lockerung nicht nur für Bundeswehr: Im SPD-Parteivorstand werden Erwägungen der Union, das Sondervermögen für die Bundeswehr aufzustocken, ohne die Schuldenbremse zu lockern, als unzureichend zurückgewiesen. „Wir müssen die Schuldenbremse für mehr militärische Sicherheit reformieren und für ein besseres Leben aller“, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) (Redaktionsnetzwerk Deutschland, 26.02).

Ökonomen fordern Schuldenbremse-Ausnahme für Rüstung:  Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, sowie der Leiter des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sprechen sich für neue Schuldenaufnahmen zugunsten der Bundeswehr aus (Rheinische Post, 26.02.).

Union und Grüne streiten über Schuldenbremse – CDU-Politiker erwägt Sondervermögen: Soll die Schuldenbremse zugunsten höherer Verteidigungsausgaben noch vom alten Bundestag reformiert werden? CSU-Chef Markus Söder ist skeptisch, der Grüne Anton Hofreiter hingegen dafür. Der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei macht einen anderen Vorschlag (Welt, 25.02).

Umfrage: Etwa jeder Zweite will Schuldenbremse lockern: Knapp die Hälfte der Deutschen spricht sich für eine Lockerung der Schuldenbremse aus. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa.  (T-Online, 25.02.). (Man beachte auch das Framing der Überschrift. Wenn sich knapp die Hälfte, also etwas weniger als die Hälfte, für etwas ausspricht, heißt das im Umkehrschluss, dass die Mehrheit nicht dafür ist).

Spahn schließt Schuldenbremsen-Reform im alten Bundestag nicht aus: Unionsfraktionsvize Jens Spahn schließt nicht aus, dass die Schuldenbremse noch mit den bestehenden Mehrheiten des Bundestages reformiert werden wird (RTL und Ntv, 25.02.).

Wüst warnt vor überhasteter Reform der Schuldenbremse: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verlangt von einer künftigen Bundesregierung, erst alle Einsparpotenziale auszureizen, ehe über eine Reform der Schuldenbremse nachgedacht wird. Wüst verwies darauf, dass man eine Schuldenbremse und kein Schuldenverbot habe (Rheinische Post, 25.02.).

Ramelow offen für Reform der Schuldenbremse: Thüringens ehemaliger Ministerpräsident und neu gewählter Bundestagsabgeordneter der Linken, Bodo Ramelow, steht einer Reform der Schuldenbremse aufgeschlossen gegenüber.
"Die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse", sagte er
(Redaktionsnetzwerk Deutschland, 25.02).

Pistorius ruft Merz bei Wehretat zu Ausnahme von Schuldenbremse auf: Angesichts der angespannten Haushaltslage ruft Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Union und deren Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz dazu auf, bei der Höhe des Bundeswehretats eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu beschließen (Bild, 24.02.).

Ökonom Südekum glaubt an schnelle Reform der Schuldenbremse: Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum glaubt an eine schnelle Lösung bei der Reform der Schuldenbremse. „Allen ist klar, dass es irgendeine Lösung braucht, weil man sonst nicht zurande kommt“, sagte Südekum. Das Gros wolle die Reform der Schuldenregel (Capital, 24.02.).

Und ab und zu auch mal ein Verteidiger der Schuldenbremse, damit es nicht ganz so einseitig aussieht, das Thema aber weiter diskutiert wird:

Grimm zweifelt an Reform der Schuldenbremse: Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm rechnet nicht mit einer Lockerung der Schuldenbremse in der neuen Wahlperiode. „Es ist fraglich, ob eine Reform der Schuldenbremse gelingt“, sagte die Nürnberger Ökonomieprofessorin. (Funke-Mediengruppe, 25.02).

 

Sebastian BiehlJahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten. Vor Kurzem erschien von ihm „Ein Volk sucht seinen Platz. Die Geschichte von Orania und dem Freiheitsstreben der Afrikaaner.“ Dieses kann hier oder hier bestellt werden.

Foto: K.I

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Holger Chavez / 26.02.2025

A gäh(n), Frau Satorius, meinen Sie das im Ernscht? Ich zitier mal aus bavarikon. de: “Die wechselvolle Geschichte Frankreichs spiegelt sich auch in den Papiergeldausgaben wider. Die früheste bekannte Papiergeldausgabe datiert auf die Zeit zwischen 1716 und 1720. Der Schotte John Law (1671-1729), Nationalökonom und Bankier, gründete mit Genehmigung des Staates eine private Bank, die “Banque Générale”. Nach Übernahme dieser Bank durch den Staat, nun umbenannt in “Banque Royale”, gab diese weiterhin Banknoten aus, allerdings in viel zu hohen Mengen. Eine erste große Papiergeldinflation war die Folge, die schließlich mit dem Zusammenbruch der Bank endete.” Es war nix mehr mit Papiergeld. Es war also auch nix mit unbegrenzt Schulden, denn das Vertrauen war hin. Der König konnnte vor der frz. Revol. nicht einfach mit frisch gedruckten Banknoten bezahlen.  PS.: Frau Satorius, ihr Ton mißfällt: Wenn ma nix weisch, wird ma aggreschif.

Sabine Schönfelder / 26.02.2025

Kotchoubey@, mit ein bißchen Oberprimaner-Geschichtswissen können Sie Ihre fehlenden ökonomischen Kenntnisse nicht ausgleichen. Hören Sie auf. Es ist peinlich. Geld per se ist keine Regierungsform. „Ohne Schuldenbremse wären wir jetzt immer noch im Zeitalter des Absolutismus“. Aha….und trotzdem entwickelte sich die Gesellschaft weiter, Sie Intelligentes Menschlein. Hatte Ludwig der XVl. vielleicht doch ein „Sondervermögen“ ? …aber auch Sondervermögen gehen irgendwann zur Neige und eine Revolution entsteht nicht aus Geldmangel, sondern Ungleichgewichten, einer asozialen Verteilung von Geld, in Unfreiheit und sozialer Not. Geld nützt nichts, wenn es nicht richtig investiert wird. Wer entscheidet, was r i c h t i g ist. Ludwig hoch 3 ? Hätte Adam nicht seine Rippe zur Verfügung gestellt, wären Sie uns auch erspart geblieben. Übrigens, die richtige Anrede ist HERR Schneegaß. Können Sie sich aufschreiben.

T. Schneegaß / 26.02.2025

@Boris Kotchoubey: Ihren Artikel habe ich nicht nur gelesen, ich habe ihn sogar an den Kriegsminister Pistolius geschickt und ihn um ein klein wenig Aufklärung eines “verwirrten Bürgers” gebeten. Sollte ich Antwort erhalten, sende ich die Ihnen gern zu.

Sam Lowry / 26.02.2025

Das heißt nicht “Schulden”, es heißt heute “Sondervermögen”... die EZB druckt es…

Boris Kotchoubey / 26.02.2025

@T.Schneegaß: Sehr geehrte/r Herr/Frau Schneegaß, es tut mir leid, Sie kommentieren meinen Artikel, ohne ihn zu Ende gelesen zu haben. Ja, der militärisch-technische Sieg über die russische Barbarenhorde bräuchte keine extra Investitionen. Die vollständige Ausschaltung der russischen Schwarzmeerflotte kostete kaum mehr als 50 Millionen US$, das ist etwa 0,05% vom berühmten Scholzschen Sondervermögen. Wenn aber nach diesem Sieg das ganze Reich zusammenbricht, und ein Bürgerkrieg jedes gegen jeden auf einer Fläche von 17 Millionen Quadratkilometer entsteht, und Waldflächen so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen brennen, und die Chinesen an der finnischen Grenze erscheinen, dann würde ich gerne jemand kennenlernen, der die Kosten schätzen könnte, die notwendig wären, um die Weltlage einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Das steht alles im Artikel; lesen Sie. Lesen bildet, Nicht-Lesen bildet nicht.

Holger Chavez / 26.02.2025

Da die Schuldenbremse mit Hilfe der Linken geknackt werden wird, kann Schmerzel 4 Jahre problemlos regieren. Probleme werden einfach mit Geld beworfen. Scholz stand diese Möglichkeit nicht zur Verfügung.

j.r.kunze / 26.02.2025

Ja, ich bin immer wieder fasziniert: Man will einen hochgradig chaotischen physikalischen Prozess wie das Klima schützen und regulieren, und dabei ist man intellektuell noch nicht einmal in der Lage, mit vorhandenen Steuereinnahmen auszukommen. Gerade hat Schleswig-Holstein 300 Mio. Euro in den Sand gesetzt, weil es eine marode Firma subventionierte, die eine Batteriefabrik an der Westküste bauen wollte. Ein Beispiel von vielen, bei denen der Staat “lenken” wollte und es voll daneben ging. - Ich bin übrigens überhaupt nicht der Meinung, dass es bei einer AFD-Totalherrschaft einen Deut besser wäre, da sich diese Herrschaften genetisch überhaupt nicht von den “Mittepolitiker&innen;” unterscheiden.

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