Das Märchen um die Emser Depesche könnte man ja wirklich einmal beenden. Abgesehen davon, daß da nichts derartig Ehrenrüriges darin steht, welches eine Kriegserklärung hätte erzwingen müssen, das vorherige Auftreten des französischen Botschafters gegen den preussischen König und alleine die ultimative Forderung in Bezug auf den portugiesischen Thron wären dann schon tausend mal Kriegsgrund gewesen. Bismarck hat die Story in seiner Biografie aufgebauscht, als er in verbitterter Einsamkeit nach seiner erzwungenen Demission seine Rolle in der Geschichte unnötigerweise aufwerten wollte. Die Kriegserklärung Frankreichs wäre ohnehin erfolgt. Napoleon III. war zu diesem Zeitpunkt schon innenpolitisch erledigt, eine gewaltsame Absetzung und die Ausrufung der Republik lagen schon in der Luft, man versuchte mit einem Krieg das abzuwenden. Natürlich brauchte Bismarck den Krieg zur Reichsgründung. Nur in einem aufkommenden gesamtdeutschen Patriotismus konnten die Fürsten zur Einigung genötigt werden.
Unabhängig der ehemaligen deutsch-französischen Erzfeindschaft, die historisch hoffentlich endgültig ad acta gelegt ist, gilt eins: Derartige Massenmetzelei ist sinnloses Verheizen von Menschen, die sich eigentlich nichts schulden. Das geht auch präziser. Viel präziser. Wenn man denn mal von den alten Strategien wegkommt und sich neuen Strategien öffnet. Aber dafür braucht es eine andere Rechtslage.
@nicolaisen: richtig, die Belagerung von Wien durch die Türken und der Fall Straßburgs erfolgten fast zeitgleich. Farnkreich sandte den Türken Festungs und Belagerungsexperten, desweiteren erhebliche Summen, damit der Fall Wiens beschleunigt wird. Der Zweifrontenkrieg des Heiligen Römischen Reiches konnte nur durch die Siege gegen die Osmanen und die Geschicklichkeit der kaiserlichen Heerführer geführt werden. Mit etwas mehr diplomatischem Geschicke und Hartnäckigkeit hätte man das Elsaß und Straßburg zurückgewinnen können. 1815 stimme ich Ihnen zu, aber die beteiligten Mächte wollten eine europäische Balance, eine allzustarke Schwächung Frankreichs stand nicht zur Debatte, zumal man nach Waterloo und Paris Napoleon ein für allemale dingfest gemacht hatte. @ Diet. Herrmann: in den neunzigern konnte ich mich noch mit Elsässern unterhalten, heute haben sie ihre Sprache verloren. Toni Ungerer hat das schon vor vielen Jahren beklagt. Von Lothringen ganz zu schweigen.
Sedan, da werden Erinnerungen wach. Als Kind war ich in den 50iger Jahren in den Ferien stets bei Verwandten in Wuppertal. Dort wurde an jedem 1. September “dat Sedansfest (gesprochen wie geschrieben auffe Sedanstraße (gesprochen wie geschrieben, Betonung auf dem <e>) gefeiert, mit Feuerwerk, soweit vorhanden, und jeder Menge Knallfrösche (die sind mir in lebhafter Erinnerung). Was wusste ich als Kind schon von “Sedon mit dem nasalen n”? Gut da wurde mal etwas “vonnenne Schlacht in Sedan (s. o.)” erwähnt.Über die echte Schlacht bei Sedan wurde ich erst im Geschichtsunterricht aufgeklärt. Sie sehen also, lieber Herr Schneider, die “Sedansfeiern (s. o.)” endeten nicht schon nach 47 Jahren, sie fanden sogar 80 Jahre später noch statt und wurden mit Inbrunst gefeiert. Und da wette ich, dass zu meiner Zeit damals die wenigsten Feiernden noch um den Ursprung des Festes wussten.
@M. Ditsche. Bezüglich Kulturimperialismus bleibt noch anzumerken, daß noch in den 70er Jahren Staatskiberer durch die Straßen elsässischer Kleinstädte patroullierten und deutsch sprechende Kinder herausfischten, deren Eltern dann Ärger bekamen. Diese waren keine bösen Dissidenten, sondern eine Generation zuvor als deutscher Muttersprachler aufgewachsen. Dies geschah alles zu einer Zeit, da den Deutschen vom rechten Rheinufer schon die Ohren mit der deutschfranzösischen Freundschaft zugesülzt wurden und ein unendlicher D-Mark-Strom aus direktem und indirektem Transfer das Leben in Frankreich angenehm und in Deutschland arbeitsreich machte.
Tja, die französische Überheblichkeit.—Natürlich hätte man das Elsaß schon 1815 zurückholen müssen, dummerweise ließ man Fränkreich all die durch Ludwig XIV. zusammengeraubten Länder ( 1683 war Frankreich übrigens mit den Türken verbandelt…!).
...führte der Sieg zu einer weltfremden Arroganz und zickzackigen Überheblichkeit, die erst mit der Kapitulation in einem Eisenbahnwaggon im Wald von Compiègne und dem „Versailler Vertrag“ von 1918 endete… Angeblich spielten dabei aber auch Soldaten aus dem fernen Amerika eine gewisse Rolle. Ich gebe aber zu das mir 1914 im Westen ein Defensivtaktiker lieber gewesen wäre. Heute will man Deutschland ja wieder kriegstauglich machen wobei ja jeder Hühnerstall kriegstauglich ist da er jederzeit zusammengeschossen werden kann. PS Interessant wäre noch ein wenig genauer zu erläutern wer warum, so bescheuert war weiter zu kämpfen nach dem Selenskyj ubs der Kaiser schon aufgegeben hatte.
Der Deutsch -Französische Krieg hätte hier in Sedan, am 2. September 1870 nach gut einem Monat schon zu Ende sein können. Zehntausende von Toten hätte es nicht gegeben. Die regulären französischen Armeen waren zerschlagen, der Kaiser als Oberbefehlshaber gefangen, die Festungen bis auf Belfort ( Metz und Straßburg folgten etwas später) waren genommen. Aber die nationalistische Pariser Presse hetzte weiter, die neue französische Regierung gab dem Druck des fanatisiert empörten Pöbels nach und erklärte den Krieg der Massen. Nun mußte Preußen weitere Truppen und Mittel aufbieten, um den Krieg siegreich zu Ende zu bringen. Der ging nämlich jetzt erst richtig los, nach Paris oder gar nichts. Die deutsche Führung war sich der heiklen Lage bewußt, denn auf einen längeren Krieg war man zu diesem Zeitpunkte nicht eingestellt. Denn jetzt ging es mehr denn je in die Offensive, und das mußte international zu erläutern sein, denn die ausländische Presse war hautnah dabei und steuerte die Stimmungen in Europa. Viele Entscheidungen wie die Reichsgründungsidee, die Kaiserkrönung, die Rückholung des Elsaß und des östlichen Teils Lothringens fielen in diese Phase. Der Krieg modernisierte sich, die Versorgung und Bewegungen der Truppen wurde zum A und O militärischen Denkens, von Moltke weidlichst umgesetzt. Die Versetzung der Grenze nach Westen nahm Frankreich die Offensivkraft gegen das Reich, wie sich 1914 auch zeigte. Und welcher Sieger kehrt schon ohne Beute heim? Der 2. September 1870 hätte als Friedenstag gefeiert werden können. Jemand wollte das nicht!
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