Die „Saudi-Connection“ mitten in Berlin

Von Sascha Adamek.

Nun könnte man argumentieren: In Deutschland lassen uns die Saudis in Ruhe. Dieser Behauptung würden aber deutsche Sicherheitsbehörden offen widersprechen, wenn sie dürften. Denn natürlich stammen nach den Erkenntnissen der wichtigsten deutschen Behörden große Summen für extremistische Moscheeverbände und -vereine aus Golfstaaten wie Saudi-Arabien. Wie einflussreich die deutsche „Saudi-Connection“ sein muss, zeigt auch die Geschichte der König-Fahd-Akademie in Deutschland, die wir im Sommer 2016 für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) recherchierten.

Ausgangpunkt war ein mehrstöckiger Betonrohbau unweit des Berliner Olympiastadions. 2008 hatten die Abgeordneten in Berlins Landesparlament dem schon damals umstrittenen Neubau der saudischen König-Fahd-Akademie nur unter einer Bedingung zugestimmt: Dort sollte weder eine Moschee noch ein Ort für die Propaganda des wahhabitischen Islam entstehen, sondern lediglich eine kleine Schule für Diplomatenkinder. Acht Jahre später wäre es fast so weit gewesen: Wer in die Charlottenburger Glockenturmstraße in der Nähe des Berliner Olympiastadions einbiegt, findet eine riesige Baustelle vor. Ein Bauschild kündete 2016 vom „Neubau  einer Schule in freier Trägerschaft“. Der Bauherr wurde auf dem Schild verschwiegen. Erst eine kleine Bauanzeige auf einem Zettel am Bauschild lieferte die obligatorischen Angaben:

Bauherr ist demnach das Königreich Saudi-Arabien. Anwohner wunderten sich über die Größe des Gebäudes, das auf 9200 Quadratmetern errichtet wird. Eine ältere Dame aus der Nachbarschaft fühlte sich zwar miserabel über das Vorhaben informiert, setzte aber trotzdem auf „gute Nachbarschaft“. Für gute Nachbarschaft hatte in Berlin vor allem der Senat und somit der Steuerzahler kräftig gesorgt. Bereits 2010 hatte der landeseigene Liegenschaftsfonds Berlin das Grundstück zu einem Dumpingpreis von 2,9 Millionen Euro an Saudi-Arabien verkauft – für 313 Euro pro Quadratmeter bei einem damaligen Bodenrichtwert von 500 Euro pro Quadratmeter. Sanfter Druck der hohen Diplomatie hatte auch die kritischen Berliner Abgeordneten überzeugt.

"Angefüllt mit Dschihad, wohlriechend von Opfern"

Denn kurz zuvor hatte die Zentrale der Akademie, die Saudi-Arabien 1995 für 30 Millionen DM in Bonn errichtet hatte, immer wieder für Negativschlagzeilen gesorgt. Wie die FAZ berichtete, hatte das NRW-Schulministerium ein Gutachten über ein Schulbuch der 6. Klasse anfertigen lassen. Einige Beispiele erhellen darüber, welche „Erziehungsziele“ die Akademie verfolgte: So stand unter einer Landkarte Saudi-Arabiens und des Mittelmeerraums:

„Das ist deine islamische Gemeinschaft […], die eine glorreiche Geschichte hat, angefüllt mit Dschihad, wohlriechend von Opfern, voll von Triumph über einen Zeitraum von mehr als 1400 Jahren. Einstmals versuchten die Kreuzfahrer, die islamische Gemeinschaft von ihrer Religion loszureißen. Aber sie waren nicht erfolgreich. Neuerdings versucht der Westen, einige ihrer Söhne mit allen Mitteln loszureißen. Die Welt hat von der Zivilisation und Kultur der islamischen Gemeinschaft viel empfangen, aber die hasserfüllten Kreuzzüge, die sich auf die Hinterhältigkeit der Juden und auf deren Verrat gestützt haben, haben auf die Zerreißung der islamischen Gemeinschaft hingearbeitet.“ In einem Schulbuch für den Religionsunterricht der ersten Klasse wurde von den Lehrern gefordert, „zu verdeutlichen, dass außer dem Islam keine Religion wahr ist, etwa das Judentum oder die Nazarenerreligion“.

Die Angstpädagogik mit der Warnung vor „quälenden Strafen im Diesseits“ und der „Vernichtung im Jenseits“ hatte in der Akademie genauso ihren Platz wie die Aussicht auf den schönen Märtyrertod. So wird Schülern der siebten Klasse verheißen, dass Allah allen, „denen es vergönnt ist, auf dem Weg Gottes zu sterben, […] ein Leben im Paradies schenken [wird]. […] Und sie [die Kämpfer] werden auch glücklich sein, dort zu erfahren, was Allah für die noch lebenden Mudschaheddin an Belohnungen und Verzeihungen bereithält.“ Und Schülern der sechsten Klasse wird Mut eingebläut, „denn der Geschmack des Todes in einer armseligen Angelegenheit ist nicht anders als in einer großartigen Sache“. Das ARD-Magazin Panorama berichtete damals: „Im Schulunterricht pauken die Kinder radikalen Islamismus.“

Druck der Bundesregierung auf Berliner Abgeordnete

Aus diesem Grund stimmten auch die Berliner Abgeordneten anfänglich geschlossen im Haushaltsausschuss gegen den Verkauf des Grundstücks für ein solches islamistisches „Missionszentrum“. Jochen Esser, einer der langjährigsten Grünen-Abgeordneten und versierter Finanzpolitiker, erinnert sich an die Vorgänge im Vermögensausschuss:

„Dass eine Art Missionszentrum für diese doch recht ultraorthodoxe Spielart des Islam hier entsteht, das wollten die Parteien und Abgeordneten aus allen Fraktionen nicht.“ Es hätten sich dann aber Emissäre des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung gemeldet, so jedenfalls sei es den Abgeordneten gesagt worden. Aus der damals rot-roten Senatskanzlei unter Klaus Wowereit sei klargemacht worden, dass die Abgeordneten zustimmen müssten, denn Saudi-Arabien sei schließlich ein wichtiger Verbündeter und „Berlin eine Hauptstadt, die solche Einrichtungen zu gewährleisten habe“, sagt Esser.

Auch der heutige Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu, der damals Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses war, erinnert sich: „Am Ende ist Wowereit wohl dem Wunsch aus der Bundesregierung nachgekommen, zu verkaufen, das war Außenpolitik.“ Für Jochen Esser gehört die Angelegenheit zu den Erinnerungen der unangenehmen Art: „Da haben wir gemerkt, dass es Sachen gibt, die größer sind als wir.“ Am Ende zog der Berliner Senat sogar die Baugenehmigung an sich, die üblicherweise den Bezirksverwaltungen obliegt. Man wollte offenkundig verhindern, dass durch das deutsche Baurecht neue Probleme auftraten. Der Rechtsstaat ist in den Fluren der Berliner Senatskanzlei unter Wowereit mitunter recht dehnbar gewesen.

Am Ende stimmten die Abgeordneten zu. Man vereinbarte aber laut Kaufvertrag, unter § 6a ganz klare Nutzungsbeschränkungen für die saudischen Käufer: „Der Käufer verpflichtet sich, das Kaufgrundstück auf die Dauer von 20 Jahren […] als Schulgebäude […] zu nutzen.“ Und: „Eine Nutzungsänderung des Kaufgrundstücks zu einer Moschee ist unzulässig.“ Senat und Abgeordnetenhaus wollten mit der Klausel im Kaufvertrag verhindern, dass auf dem Areal neben einer Schule mit Gebetsräumen auch eine Moschee entsteht, von der möglicherweise die gleichen islamistischen Aktivitäten ausgehen würden wie zuvor in Nordrhein-Westfalen.

Millionengeschenk aus Steuermitteln für Saudi-Arabien

Der Kaufvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Königreich Saudi-Arabien über das Grundstück an der Charlottenburger Glockenturmstraße wurde bereits 2010 abgeschlossen. Doch weder die Abgeordneten noch die Öffentlichkeit erfuhren jemals, dass der Kaufvertrag rechtlich ungültig ist. Nach Ansicht des zuständigen Amtsgerichts Charlottenburg ist genau jene Klausel unzulässig, die die Nutzung auf eine Schule beschränkt und eine Moschee verbietet.

Diese Rechtsauffassung teilt auch der renommierte Rechtswissenschaftler Ulrich Battis. Sämtliche Bedingungen der Berliner Politik zur Eindämmung potentieller islamistischer Aktivitäten wären dann hinfällig: „Sollte es jetzt zu einem Scheitern des Kaufvertrags kommen, dann würden beide Nebenbestimmungen, die hier vorgesehen sind, auch hinfällig sein“, so Battis – also eine kleine Schule nur für Diplomatenkinder und keine Moschee.

Vor allem stellt sich die Frage, wie es überhaupt zu rechtlich fragwürdigen Formulierungen im 2,9 Millionen-Kaufvertrag kommen konnte. Denn die beteiligten Parteien aus Berlin – der Liegenschaftsfonds, die Verkäufer und die Notare – sind erwiesenermaßen keine Berufsanfänger, argwöhnt Ulrich Battis: Das Vorgehen sei so, dass man viel Geld in die Hand genommen habe und trotzdem bislang nicht auf Forderungen des Amtsgerichts Charlottenburg eingegangen sei. Das spreche weniger für Schlampigkeit „als für Absicht, und zwar der Absicht: Wir bauen mal und hinterher geht’s, es wird auch nicht mehr abgerissen, es wird sich dann schon irgendwie ein Arrangement finden.“

Immerhin sind die schicken weißen Villen für die saudischen Botschaftsangehörigen gesichert und bezugsfertig. Der Verkauf dieser Grundstücke ist rechtskräftig. Aber auch hier hat der Steuerzahler das Nachsehen. Denn Saudi-Arabien hatte mit 2,3 Millionen Euro einen Preis von rund einem Drittel unter dem Bodenrichtwert entrichtet, und Berlin verzichtete auf fast eine Million Euro zugunsten des Königreichs. Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH BIM und die zuständige Senatsbauverwaltung wollen sich wegen einer Geheimhaltungsvereinbarung mit Saudi-Arabien gegenüber dem rbb nicht dazu äußern.

Der mittlerweile ausgeschiedene Abgeordnete Jochen Esser kritisierte 2016 die Geheimhaltungspolitik des Senats. Dass er erst durch den rbb-Bericht von dem rechtlichen Problem erfahren habe, fand Esser ärgerlich. Er erwartete eine Unterrichtung durch den Senat. Doch dazu kam es nicht mehr. Bereits fünf Wochen nach unserer Berichterstattung kam alles anders.

Kurz nach dem rbb-Bericht schlossen die Saudis ihre Akademie

Einen guten Monat nach unserer Berichterstattung zogen die Saudis Konsequenzen. Offiziell erklärten sie, die König-Fahd-Akademie in Bonn zum Jahresende 2016 zu schließen und den Neubau in Berlin nicht weiterverfolgen zu wollen. Diesen Entschluss habe nach Angaben saudischer Diplomaten Vizekronprinz Mohammed bin Salman selbst getroffen, so der Tagesspiegel: „Es sei eines der wichtigsten Anliegen der Regierung in Riad, der saudischen Jugend zur bestmöglichen Ausbildung und Erziehung zu verhelfen“, hieß es zur Begründung. Nur so könne das Ziel der „Vision 2030“ erreicht werden, Saudi-Arabiens Wirtschaft von der Abhängigkeit vom Erdölexport zu befreien und international wettbewerbsfähig zu machen. Da Deutschland über „eines der weltweit besten Bildungssysteme“ verfüge und Saudi-Arabien von diesem lernen könne, sehe die Regierung in Riad keine Notwendigkeit mehr für eine saudische Schule in Deutschland. Aus diesem Vorkommnis lassen sich gleich drei Erkenntnisse gewinnen:

1. Eine kritische Öffentlichkeit kann hochproblematische islamistische Projekte auch verhindern.

2. Falsche politische Rücksichtnahmen können teuer werden.

3. Die Botschaft für alle politischen Weggefährten der Golfdiktaturen lautet, dass am Ende in Deutschland immer noch der Rechtsstaat entscheidet und nicht die politische Einflussnahme. Denn Gerichte sind hierzulande unabhängig.

Auszug aus dem Buch Scharia Kapitalismus. Den Kampf gegen unsere Freiheit finanzieren wir selbst von Sascha Adamek. Teil 1 dieses Dreiteilers finden Sie hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier.

Sascha Adamek, geb. 1968, arbeitet seit zwanzig Jahren als Journalist und Filmemacher für die ARD, u.a. für die Politikmagazine „Kontraste“ und „Monitor“, aktuell für die Redaktion „Investigatives und Hintergrund“ des rbb.

Foto: Damiano Luchetti via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Th.F.Brommelcamp / 29.11.2017

Sehr geehrter Herr Adamek. Was erwarten Sie von einer Land die weder ein Volk sein, noch eine Kultur haben will, deren Identität von der jeweiligen Political correctness abhängt. Dessen Ausdruck von Intelligenz im Wählen einer unfähigen, sektiererisch, Wirtschaft zerstörenden Elite endet. Hoffen Sie ernsthaft, daß diese Menschen gegen einer geschlossenen, agressiven Religionspolitik des Islam Stand hält oder sich bereitwillig für ein paar Euro unterwirft+

Richard Loewe / 29.11.2017

eine schöne Geschichte mit einem Happy End, aber das selbstbeweihräuchernde Fazit ist vollumfänglich falsch. Die kritische Öffentlichkeit hat mit der Entscheidung nun wirklich garnichts zu tun; die “falschen politischen Rücksichtsnahmen” sind für keinen der rückratlosen Akteure teuer geworden (der eine sitzt jetzt im BT), außer für die Öffentlichkeit, denn das Grundstück ist immer noch im Besitz der Saudis; und die Gerichte haben den Saudis Recht gegeben und was aus Karlsruhe kommt, ist mit dem was der Kanzleramt verlauten ist zumeist identisch. Tatsächlich ist es MbS zu verdanken. Der tut viele Dinge, um Saudi-Arabien aus den Klauen des Wahhabismus’ zu reißen. Somit gehen die Dinge in Deutschland immer noch in die falsche Richtung (Durchsetzung der Sharia) und in Saudi-Arabien in die richtige Richtung.

Nico Schmidt / 29.11.2017

Sehr geehrter Herr Adamek, ich verstehe die Welt leider nicht mehr und der gesunde Menschenverstand ist zu einer bedrohten Spezie gewoden. Wenn es nicht diese Homepage geben würde, wäre ich der meinung, völlig alleine zu sein. MfG Nico Schmidt

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