Rainer Bonhorst / 06.03.2020 / 06:21 / Foto: Frank Schulenburg / 44 / Seite ausdrucken

Die Rückkehr der alten weißen Männer 

Die alten weißen Männer schlagen zurück. Jedenfalls in Amerika. Dort erleben wir ein politisches Senioren-Wrestling, das scheinbar aus der Zeit gefallen ist. Jedenfalls aus europäischer Sicht, wo die Dinge etwas anders liegen: eine, wenn auch nicht mehr ganz junge Frau in Berlin; ein blutjunger Frauenschwarm männlichen Geschlechts in Wien; eine reife Frau an der Spitze der europäischen Kommission in Brüssel; ein jungdynamischer Mann mittleren Alters in Paris; ein studentisch wirkendes Polit-Paar an der Spitze der nach oben stürmenden Grünen in Deutschland – und so weiter und so fort.

Und was ist in Amerika los? Im weißen Haus sitzt ein alter weißer Mann namens Donald Trump und ist fest entschlossen, trotz seiner stolzen 73 Jahre die nächsten viereinhalb Jahre dort weiter zu machen. Drei alte weiße Männer sind bei den Demokraten am super tuesday in den Ring getreten, in der Hoffnung den Jungsiebziger aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Einer, der 78-jährige Michael Bloomberg ist, kaum angetreten, schon zu Boden gegangen.

Das Senioren-Wrestling konzentriert sich jetzt auf den 77-jährigen Joe Biden und den – wie Bloomberg – 78-jährigen Bernie Sanders. Sollte Sanders gewinnen und den mit seinen 73 Jahren vergleichsweise jugendlichen Trump schlagen, dann wird Bernie als 79-Jähriger das Weiße Haus betreten, es möglicherweise mit 83 verlassen, bei günstigem Verlauf aber auch erst mit 87.

Für Joe Biden gilt – mit einem Jahr Abzug – geriatrisch betrachtet das gleiche. Beiden gemeinsam ist, dass es ihnen selbst bei idealem Verlauf nicht vergönnt sein wird, das 90. Lebensjahr im Weißen Haus feiern zu können. 

Idol der amerikanischen Jugend

Da geht es ihnen wie seinerzeit unserem Konrad Adenauer, der auch drei Jahre vor seinem 90. Geburtstag aus dem Palais Schaumburg in Bonn ausziehen musste. Anders Fidel Castro, der den 90. Geburtstag im lebenslang ergatterten Amt schaffte, allerdings nur knapp und um den Preis, dass ihm ein gemütliches Rentnerleben versagt blieb.

Nach diesem kleinen Ausflug in das internationale Feld der hochbetagten Staatsmänner zurück zum amerikanischen Senioren-Rennen. Im Fall Bernie Sanders ist bemerkenswert, dass der Mann, der nach deutscher Sitte schon seit 13 Jahren Rentner sein könnte, das Idol der amerikanischen Jugend ist. Vor allem natürlich der linken Jugend, denn er ist ja nach eigenem Bekennen ein „demokratischer Sozialist“. 

Hier haben wir es mit einer herzerwärmenden, Generationen übergreifen Liebesbeziehung zu tun. Das hat es früher auch schon gegeben, sogar bei uns: Unsere 68er haben, wie die jungen Linken Amerikas für Bernie, für lebensältere Philosophen (Adorno, Horkheimer, Marcuse) geschwärmt. Ja sogar für einen längst verstorbenen alten weißen Mann namens Karl Marx. Das Phänomen gibt es auch jenseits der Politik: Nicht selten fühlen sich junge Menschen besonders zu ihren Großeltern hingezogen, weil diese nicht so lästig und erziehungsbesessen sind wie die Eltern. Wir haben es im Fall Bernie Sanders durchaus mit einer klassischen Opa-Zuneigung zu tun.

Ein anderes Phänomen sehen wir beim anderen Opa der Demokraten. Joe Biden spricht nicht die Träume der linken Jugend an sondern hat als Mann der Mitte mehr mit der real existierenden Welt zu tun. Er wird von einer anderen Personengruppe angeschwärmt. Obwohl Biden nicht nur alt sondern auch – man möchte sagen - schneeweiß ist, läuft ihm scharenweise Schwarzamerika zu. Dieser Zulauf der Schwarzen auf den alten weißen Mann erscheint noch ungewöhnlicher als die Liebe der linken Jugend zu Opa Bernie.

Lieblingsweißer der großen schwarzen Minderheit

Allerdings ist die Zuneigung der schwarzen Amerikaner so unergründlich wie – nach alter Männerdiktion – die Seele einer Frau. Das musste Barack Obama erleben, der als erster Schwarzer das Weiße Haus eroberte. Das war keineswegs selbstverständlich, denn als er den Anlauf auf die Präsidentschaft nahm, war er vielen Schwarzen nicht schwarz genug. Sein kenianischer Vater war unbestreitbar ein Original-Afrikaner, aber seine weiße amerikanische Mutter war ihm auf der amerikanischen Farbskala keine Hilfe. Zwar haben die meisten sogenannten Schwarzen Amerikas eine mehr oder wenige kräftige europäische Beimischung. Trotzdem musste Obama kämpfen, um bei „seinen“ Leuten anerkannt zu werden. Die Liebe entbrannte erst voll, als er tatsächlich Präsidentschaftskandidat wurde. Und sie ließ nach, als Obama manchen schwarzen Blütentraum enttäuschte.

Joe Biden muss sich mit solchen Problemen nicht herumschlagen. Er gehört zum weißesten Teil Amerikas schlechthin, da gibt es keinerlei Schattierungsprobleme. Aber er gilt als frei von Rassismus, und das macht ihn mangels farblicher Alternativen zum Lieblingsweißen der großen schwarzen Minderheit.

Donald Trump hat weder die Schwarzen noch die Jungen auf seiner Seite. Ihm gehört die endlose Weite des mittleren Westens, ihm gehören trotz seiner unfrommen Art die Frommen des Bibelgürtels, und ihm gehören trotz seines echten oder auch nur geliehenen Reichtums die Arbeiter in den Industrieregionen. Sie alle, so hofft er, werden ihm im November vier weitere Jahre im Weißen Haus gewähren. Wenn er danach auszieht, wird er 78 sein, also ungefähr so alt wie seine demokratischen Konkurrenten heute. Die sind dann längst altersgemäß in Rente. Oder wollen sie es in vier Jahren noch mal versuchen? Wer weiß.

Zum Schluss noch ein kurzer Blick zurück nach Europa. In Brüssel ist gerade der politische und mediale Superstar der Saison aufgetreten und hat der mittelalten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Hölle heiß gemacht. Greta Thunberg ist 17 Jahre alt, also 61 Jahre jünger als der amerikanische Jugendschwarm Bernie Sanders. Das Verhältnis der „neuen Welt“ zum „alten Europa“ scheint auch nicht mehr das zu sein, was es mal war. 

Foto: Schulenburg">Frank Schulenburg CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Wolfgang Kaufmann / 06.03.2020

Gesunde Gesellschaften wählen einen starken Anführer, der das Land auch in einer Krise sicher führen kann. Einen Alpha-Wolf. – Dekadente Gesellschaften wählen einen schwachen Kompromisskandidaten, in dem sich alle wiederfinden, der keinen wehtut und ein maximales Laissez-Faire verspricht.

Albert Martini / 06.03.2020

Bisher gab es nur Systemausfälle bei Russlandthemen, bei denen sich Achgut nur wenig vom korrupten und verantwortungslosen Atlantikbrücken- Mainstream-Pressgeschäft unterscheidet. Aber gestern kam diesen phänomenale Reinfall vom ausgeliehenen Tagesspiegelredaktariat und heute geht es gleich weiter mit Gretology plus CNN-Talk platt wie die Puszta weit hinten an der serbischen Grenze - ist das eine Krise oder nur vorübergehender Schnupfen? Und lässt sich das mit Spenden lösen? Pardon für die Wortwahl. Es steht die ernsthafte Sorge bzw. die Befürchtung dahinter, dass der erwartungsfrohe Klick auf Achgut von der üblichen, final angewiderten Haltung gegenüber dem medialen Mainstream kontaminiert werden könnte.  Btw pars pro toto: Die Schwarzen sind pro Trump und er legt besondere Sorgfalt auf die Beziehungspflege mit dieser Gruppe, die ihm historische Einkommenszuwächse und eine humane Gefängnisreform verdankt.

Donald Adolf Murmelstein von der Böse / 06.03.2020

(Stichwort Propagandatruppen) Viele Portrait zeigen Sanders mit einem (leichten) Blick in die Höhe und Ferne. Jetzt fehlen nur noch die biblischen Bilder, wie etwa Millionen von Wirtschaftsflüchtlingen von einer Anhöhe aus betrachtet und dahinter zeigt sich leicht angedeutet das Rote Meer.

Karla Kuhn / 06.03.2020

“....dass der Mann, der nach deutscher Sitte schon seit 13 Jahren Rentner sein könnte, das Idol der amerikanischen Jugend ist. ”  Na ja, wenn ich mir die meisten JUNGEN Männer hier so anschaue, frage ich mich, sind das überhaupt noch MÄNNER ??  Viele sind derart “verweiblicht”, (auch ohne schwul zu sein) daß es mir als Frau graut !! SO einen möchte ich nicht geschenkt ! Was die Politik betrifft, da sollten ganz KLARE Regeln gelten, spätestens ab SIEBZIG muß Schluß  sein. WARUM ??  Weil es nicht sein darf, das alte Politiker die ZUKUNFT der Menschen bestimmen. Zu junge aber auch nicht. Es braucht eine DRINGENDE Regelung, daß Personen erst ab frühestens DREIßIG in der Politik Fuß fassen dürfen und auch nur mit einem abgeschlossenen PASSENDEN Studium und mit mindestens FÜNF Jahren Arbeitserfahrung ! Dazu gehören auch JÄHRLICHE Untersuchungen und vor allem einen BEGRENZTE AMTSZEIT von maximal zwei Legislaturperioden !! Damit uns nicht wieder solche Politiker wie Kohl und für mich noch schlimmer,  wie Merkel regieren können. Das darf in einer Demokratie EINFACH NICHT SEIN. Die Amis mit ihrem Hang zu alten Politikern sollen machen was sie wollen, WIR hier in Deutschland haben genug mit unseren Politikern zu tun. Die Farce in Thüringen, diesem kleinen Bundesland, das Theater bei der SPD und jetzt bei der CDU, wo auch nur wieder lauter Politiker, die schon JAHRZEHNTE am Ruder sind als Kandidaten antreten , finde ich GRAUENVOLL !! Abgesehen davon, WARUM werden SO kleine Bundesländer wie z. B Thüringen nicht einfach abgeschafft ? Es würde MILLIARDEN Steuergelder sparen und in einer Zeit, WO die EU am Ruder ist, hat die KLEINSTAATEREI ausgedient. Auch wenn ich kein EU Fan bin, trotzdem, Bayern, Sachsen, BW und NRW und alle anderen Bundesländer werden von diesen vier übernommen. Von jüngeren kompetenten Politikern regiert !

Stefan Weyhenmeyer / 06.03.2020

na ja - Greta kann sich in USA nicht als Präsidentin bewerben, weil sie nicht genug Geld für den Wahlkampf hat…

Sabine Schönfelder / 06.03.2020

Lieber Rolf@Mainz, Herr Bellt ist entweder ein paar Takte jünger, oder er hat die Motivlage,  die hinter der Kampagne „ alter= überflüßiger, weißer= scheiß Rassist, Mann=heterosexueller Gendergegner und alter geiler Sexprotz“  steht noch nicht geschnallt. Ist Sirius ein Pseudonym oder wahrhaftig Ihr Vorname, lieber Herr Bellt? Bin von Hause aus neugierig.

Max Wedell / 06.03.2020

Ob es Sanders helfen wird, daß er sich bei den Jungen größerer Beliebtheit erfreut, ist sehr zu bezweifeln. Die gehen nämlich kaum zur Wahl, wie auch schon wieder die Vorwahlen gezeigt haben. Auch nicht für ihr “Idol”. Was Biden angeht, nimmt die Kette geistiger Aussetzer stetig zu, sodaß schon absehbar ist, daß der eigentliche Präsident sein Vizepräsident sein wird. Und was die Schwarzamerikaner angeht, so ist es wirklich amüsant, wie bestimmte offensichtliche Fakten im medialen US-Diskurs völlig ausgeblendet werden, weil das Gelände mit Rassismusvorwürfen vermint ist. So liegt es auf der Hand, wieso die schwarzen Wählet Biden ganz stark favorisieren: “Den kenne ich doch, der stand lange Zeit neben meinem Idol Obama. Wer für Obama gut genug war, ist es für mich erst recht!” Eine solche Kandidaten-Auswahlmethode des Wählers, völlig losgelöst von politischen Inhalten, könnte man begründet für primitiv halten, aber primitiv und schwarz? Um Gottes willen! Also bloß nicht so erklären und stattdessen lieber von “rätselhaft” reden! Ebenso wie die bei Schwarzen verbreitete Ablehnung Buttigiegs wegen seines Schwulseins, die der weißen Wählerschaft heftigste Kritik eingebracht hätte, bei den Schwarzen aber auch von Linksmedien wie CNN und MSNBC kommentarlos übergangen wurde, so als wäre es ganz in Ordnung, was gegen Politiker zu haben, nur weil sie schwul sind. Auf einmal.

Sabine Lotus / 06.03.2020

Die Rückkehr der AWMs! Oh yeah! Aber die Figuren, die Sie da beschreiben sind definitiv keine AWMs. Die Definition von AWM ist: Übernimmt Verantwortung und hat mit seiner Lebensleistung unser Aller Existenz ein kleinwenig besser gemacht. Diese Figuren finden noch nicht einmal mehr ihr eigenes Geschlecht. Definitiv keine AWMs. Diese Figuren als AWM zu bezeichnen ist eine Beleidigung der AWMs! Apropos AWM: I have a dream, der eigentlich aus einer Frage besteht: Wie viele AWMs oder AWFs sind wohl nötig, um ein Menschenkette entlang der Portugiesischen Küste zu bilden, in der alle Schilder gen Amerika hochhalten auf denen steht: “Trump help!”?

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