Die Rettung: Deutschland privat

Aufgeschreckt durch den Brand der Notre Dame brach ich spät abends mein vorösterliches Medienfasten ab und klickte mich auf der Suche nach Informationen durch das Internet, von dem ich mich mehrere Wochen lang fern gehalten hatte. Mit positiver Wirkung, über den psychischen Entzug war ich hinweg, und ich fühlte mich deutlich erleichtert. Doch nun hing ich wieder an der Kippe. Was war passiert? War es eine Beziehungstat? Ein psychisch traumatisierter Feuerteufel? Am Ende womöglich gar ein Kurzschluss?

Ich las kreuz und quer, sah Liveübertragungen und Videos, las Berichte, Meinungen, Spekulationen. Schrieb auch etwas über meine Gedanken zu der Katastrophe. Kurz: der Abbruch des Fastens ließ sich vor meinem Gewissen mühelos vertreten. 

Zudem ich nach der längeren Abwesenheit im Netz ein bemerkenswertes, erfreuliches Phänomen bei mir entdeckte. Ich nehme seither Inhalte wahr, die mich noch nie interessiert haben. Inhalte, bei denen es sich nur um eines dreht: um möglichst auffällig knapp bekleidete Frauen. Überall springen sie mir seitdem entgegen, sei es in der Qualitätspresse wie Bild, Express oder BZ, sei es in der Knallpresse wie im Stern, der Welt oder Focus.

Und was soll ich sagen: Seither lese ich diese Artikel, nicht wie früher den Playboy wegen der guten Texte, sondern wegen der Bilder. Die stammen häufig aus einem von mir bis dato nie wahrgenommenen Internetportal namens Instagram, aber auch eigene redaktionelle Beiträge der Redaktionen gibt es; dafür besucht man die Damen zuhause, bei ärztlichen Brustmodifikationen, beim Dreh eines neuen Musikvideos oder einer RTL II, III oder IV Nacktshow oder bei fotografischen Ablichtungen für Magazine aus dem Hause Burda. Irgendwas ist immer.

Inzwischen bin ich vertraut mit vielen, aber längst nicht allen Protagonistinnen solcher Nachrichten; Männer spielen darin meist nur eine untergeordnete Rolle. Wie Stichwortgeber in Sketchen. Wie Boris Becker, seitdem sich seine Verflossene von allen guten Seiten zeigt. Wie ein gewisser Der Wendler, von dem ich nicht weiß, was er beruflich macht, aber das ist auch völlig mumpe, denn Der Wendler schmückt sich momentan mit einer 18-jährigen Gespielin, die unbestritten fotogen ist und talentiert daran arbeitet, an ihrer Jeans noch mehr Bein abzuschneiden, als ihre Geschlechtsgenossinnen. Für Fotos der Gespielin in dieser Bekleidung kann es natürlich nur ein Requisit geben: der Sitz eines Motorrades.

"Cathy postet halbnacktes Urlaubsfoto und löst Diskussion aus"

„Hasenohren auf dem Kopf, Zunge frech herausgestreckt, oben ohne, die Brustwarzen nur von kleinen Hasen-(S)mileys bedeckt“, so präsentiert sich im Express eine selbst mir bereits früher einmal aufgefallene jungen Dame namens Miley Cyrus, ansonsten tue ich mich mit Namen schwer; sie wollen weniger im Gedächtnis haften bleiben als ihre Bikinis, mal komplett, mal nur oben, mal nur unten, mal ganz weggelassen. Wenig eindrucksvoll aus meiner Sicht, aber anscheinend die anderen Leser interessierend, ist das vor ein paar Tagen vollmundig angekündigte Obenohnebild einer TV Moderatorin, Man sieht sie nur von hinten und auch das nur ganz winzig.

Macht aber nichts, dafür gibt es eine Ausgabe später eine hübsche Blonde, die neben ein paar aktuellen Schnappschüssen auch neckische Jungmädchenbilder von sich postet. Eine Cathy „postet halbnacktes Urlaubsfoto und löst Diskussion aus“, allerdings nicht bei mir, denn ich habe zu ihr keinerlei weitere Fragen. Wenn Diskussionsbedarf besteht, dann eher bei der Gespielin von Der Wendler, denn Cathys heißes Höschen muss sich nicht hinter dem der Mitzeigerin verstecken, zudem es auch noch vorne weit geöffnet ist und unter anderem Bauchnabelpiercings frei legt. Um die Leserschaft in die Diskussion mit einzubeziehen, fragt Express unter dem Bild, ob man „mit Cathy etwas anfangen“ könne. Ich habe mir die anderen Antworten nicht angesehen, sie könnten mich verunsichern, ähneln sie doch mit Sicherheit meiner.

Stunden könnte ich fortfahren mit dem Thema. Sogar Wochen und Monate, wenn ich die englische Fachpresse wie Daily Mail in meine Betrachtungen einbezöge, die uns umfassend über Shila, Tullisa, Sara, Dani, Zoe, Holly oder Emily und deren Ober- und Unterbekleidung, sofern vorhanden, auf dem Laufenden hält. Doch ich will weder Sie noch mich überfordern, mir reicht das deutsche Angebot. Ich kenne nun Linda und Elena, die als Oberteile offenherzige Fähnchen lieben, ich weiß, dass Push-Up-Schalen eine gute Wahl bei kleinen Oberweiten sind (was Bilder deutlich beweisen), ich kenne eine blonde Katze in Dessous, nicht verwandt mit den in Kalifornien residierenden Schwestern Katzchaturian, die sich zusätzlich zu allem anderen noch durch ausladende Sitzflächen hervor tun; ich kenne ein dünnes Mädchen namens Lena, das bei mir Fütterungsreflexe auslöst und dessen Gesangeskünste anscheinend nicht mehr so gefragt sind, was sich in zerrissenen, eher fadenscheinigen Klamotten manifestiert. Eine Georgia zeigt sich im Pool mit einem Der Wendler Lookalike und hat eine wichtige Botschaft, die ich wieder vergessen habe. Was mir vielleicht fehlt, ist eine studierte Philosophin oder wenigstens mit Abitur gesegnete Schönheit, die den Namen Emmanuela Cunt angenommen hat. Mit ihr hätte ich auch Diskussionsbedarf. Vielleicht wäre das ja etwas für eine schnuckelige Blondine mit lustigen Augen und stets rotem Mund, die Evelyn heißt und in einer TV Show von einem gewissen Evgeny „ein Gehirn überreicht“ bekam. My brain hurts! Ob man mit Evelyn jetzt „etwas anfangen“ kann? Der Express sollte dringend die Leser fragen, meine Antwort steht bereits fest.

Sie fragen sich inzwischen: was will uns der Autor damit sagen? Macht er sich lustig? Will er sich über Frauen mokieren, die zwar kein Jodeldiplom schaffen würden, dafür aber andere hervorstechende Eigenschaften besitzen, gepaart mit einem unverkrampften Verhältnis zu ihrem Geschlecht und dessen visueller Aufbereitung?

Ich setze meine Hoffnung in diese Frauen

Nichts läge mir ferner als Häme und Verurteilung. Ganz im Gegenteil. Mir ging beim Neueinstieg ins Internet ein wahrhaft leuchtendes Licht auf. Ich sehe diese Frauen nun mit großer Sympathie, ja geradezu mit väterlicher Zuneigung. Die schreiben keine Kolumne im Spiegel über Spargel, sie schlonzen ihn mit einem anzüglichen Lächeln hinter ihre leuchtenden Lippen. Sie versuchen nicht, Hass auf Männer dadurch zu zeigen, dass sie wirre Texte verfassen und sich äußerlich wie Männer frisieren und kleiden und vielleicht sogar heimlich kratzen. Lilo und Victoria und Jorge kämen nie auf den Gedanken, einer Vorlesung von Dr. phil. habil. Erdmute Lurch-Kutzelhoven zu lauschen oder „Mendikantische Genderdiskurse“ zu verfolgen. Und „geschlechterbezogene Veranstaltungen und Aktivitäten“ sind für nicht Diskurse und Subdiskurse in Diskursfeldern, sondern Poolpartys mit Angehörigen des eigenen und des anderen Geschlechts. Heidewitzka!

In diese Frauen setze ich meine Hoffnung, was den Fortbestand des guten alten Backe-Backe-Kuchen-Spiels angeht. Sie zeigen, dass Genderwahn gar nicht den Stellenwert besitzt, den man anzunehmen in Gefahr ist, wenn man sich zu sehr in Filterblasen aufhält, die mit einem zurecht gefeilten Fingernagel der Katze zum Platzen gebracht werden können. Mit dem Alltag der Frauen und Männer dieser Welt hat das Leben und Lehren in solchen Blasen nichts zu tun. Daher ist meine Hoffnung berechtigt; es mag (zu viele) Genderstudien-Lehrstühle geben, es mag zu laut gehetzt und behauptet und entspargelt werden: Influencerinnen in Sachen Bikini-Studien, Jeansbeinekürzen, Wimpernklimpern und Lippenvorwölben geht das an Po und Busen vorbei, sie haben Millionen Follower*innen im Internet. Einer bin nun auch ich. 

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Okko tom Brok / 27.04.2019

Heutige „Linke“ sind vor allem eines: unglaubliche Spießer. Sie sind all das, wovor uns unsere (linken!) Eltern immer gewarnt hatten: lustfeindlich, verkrampft, humorlos und engstirnig. Das wollte der Autor mit diesem Artikel vermutlich letztlich ausdrücken. Ihre Zeit läuft ab, und die Biologie hatten sie immer gegen sich.

Frank Stricker / 27.04.2019

Sarkastisch formuliert , Gender-Lehrstühle sind mittlerweile die zweite Parallelgesellschaft in unserem Land. Aber sie haben leider eine riesen Lobby auf ihrer Seite , ähnlich der Zigarettenindustrie oder der Pharmabranche. Schlimmes Beispiel die Stadt Hannover , wo vorschriftmäßiges gendern zur Pflicht geworden ist. O.k , die haben mittlerweile ganz andere Probleme , da hat der SPD-Oberbürgermeister offenbar vor lauter gendern den finanziellen Überblick verloren , typisch SPD eben……...

Yvonne Flückiger / 27.04.2019

Das Schlimme ist ja, dass Frauen bei diesem Körperwahn freiwillig und auch gerne mitmachen. Bringt Aufmerksamkeit und Geld. Das “Bunny” ist back. Da die Objektivierung und Reduzierung der Frau auf ihren (schönen) Körper freiwillig geschieht, ist ja alles im grünen Bereich. Kein Sexismus. Das Pendant zu den Frauen die “freiwillig” die Burka anziehen, sozusagen. Ja, die Pole driften so weit auseinander, bis sie sich wieder treffen. Alles feiwillig, alles sexy; und ganz wie der Mann es gern hat. Anderseits die sexlosen Neo-Feministinnen, welche sich humorlos über Spargeln auslassen und auch sonst den alten weissen Mann “bashen”. Gott, schmeiss Hirn hinunter; und lass endlich wieder eine “neue” normale Weiblichkeit (wieder)auferstehen. Danke.

Rainer Glocke / 27.04.2019

Dr. phil. habil. Erdmute Lurch-Kutzelhoven - GROSSARTIG!!!!

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