Ein gutes Jahr ist es her, da unterstützte der Jugendverband der deutschen Grünen einen markanten und deutlichen Aufruf gegen die Iranreise von Sigmar Gabriel, die der Wirtschaftsminister und Vizekanzler nach dem Atom-Deal von Wien gar nicht schnell genug antreten konnte. „Deutsche Unternehmen und die Bundesregierung stehen 70 Jahre nach dem Ende der Shoah in der ersten Reihe, um Geschäfte mit dem antisemitischen iranischen Regime zu machen“, hieß es seinerzeit in dem Appell. Und weiter:
„Repräsentanten des Regimes haben Israel während der Verhandlungen immer wieder mit der Vernichtung gedroht.“ Milliarden flössen nun als Ergebnis dieses Abkommens an das Regime in Teheran. Damit, so der Aufruf, werde die Förderung des islamistischen Terrors von Gruppierungen wie der Hisbollah oder der Hamas ebenso neue Ausmaße annehmen wie die Expansion des Regimes in der arabischen Welt. Zudem nehme der Terror gegen die iranische Bevölkerung nicht ab, sondern im Gegenteil sogar zu: „Unter dem vermeintlich ‚moderaten‘ Präsidenten Hassan Rohani wurden deutlich mehr Menschen hingerichtet als unter seinem Vorgänger Ahmadinejad.“ Also lautete die von der Grünen Jugend(GJ) mitgetragene Forderung: „Stoppt die Reise von Sigmar Gabriel in den Iran!“
Eben noch waren die jungen Grünen noch befremdet
Als einige Grünen-Politiker – darunter Claudia Roth, Jürgen Trittin und Omid Nouripour – den Parteinachwuchs daraufhin in einem offenen Brief kritisierten, bekräftigte der Verband seine Positionen in einem Antwortschreiben noch einmal. Man sei befremdet, hieß es darin, besonders über die Einschätzung, „dass Präsident Rohani und sein Umfeld ‚moderate politische Vertreter‘ seien“. Schließlich sei während seiner Regentschaft die Zahl der Hinrichtungen massiv gestiegen und liege bereits jetzt höher als während der Amtszeit von Mahmud Ahmadinejad. Die Rechte von Frauen und Homosexuellen würden zudem massiv missachtet.
Darüber hinaus halte man es für einen Fehler, „reguläre Wirtschaftsbeziehungen mit einem Regime aufzunehmen, das pro Kopf die höchste Zahl an Exekutionen weltweit vorzuweisen hat und deren Führer sich durch antisemitische Äußerungen hervortun“. Es sei überdies bekannt, dass der Iran terroristische Organisationen wie die Hisbollah oder die Hamas finanziell unterstützt und das Existenzrecht Israels nicht anerkennt. Auch deshalb müsse „verhindert werden, dass der Iran zur Atommacht wird“. Mit dem Atom-Deal aber werde das Gegenteil erreicht und das Atomprogramm des Iran grundsätzlich legitimiert.
Warum die jungen Grünen Rohani plötzlich moderat finden
Unterzeichnet war die Antwort an Roth, Trittin & Co. unter anderem von Theresa Kalmer, der seinerzeitigen Sprecherin der Grünen Jugend. Jetzt, nur ein Jahr später, sieht die 25-jährige Studentin die Dinge offenkundig anders. Zusammen mit Jessica Messinger – Mitglied im Landesvorstand der Grünen in Baden-Württemberg und früher Sprecherin der GJ in diesem Bundesland – und Michael Bloss, dem Sprecher der Vereinigung Junger Europäischer Grüner, war Kalmer im August drei Wochen lang im Iran. Nach ihrer Rückkehr veröffentlichten die drei auf ihren Facebook-Seiten eine gemeinsame Stellungnahme, in der von den Positionen aus dem Juli 2015 nicht mehr viel übrig geblieben ist.
Nun heißt es beispielsweise, der Atom-Deal sei richtig, weil er „das Land geöffnet und der jahrelangen Isolation der iranischen Gesellschaft entgegengewirkt“ habe. Man verbinde mit dem Abkommen die Hoffnung einer „Stärkung der Vielfalt der iranischen Gesellschaft“ und einer „Veränderung des Irans von unten“. Dazu müsse man nun „aufhören, den Iran als Land zu dämonisieren“ und „differenziert Kritik üben“. Hier geht es weiter.