Ramin Peymani, Gastautor / 02.10.2018 / 12:00 / Foto: Pixabay / 33 / Seite ausdrucken

Die ratlose Raute

Seit der Bundestagswahl dümpelt Angela Merkel als “lahme Ente” herum. Nichts hat sie in den letzten zwölf Monaten zuwege gebracht. Den versemmelten “Jamaika”-Verhandlungen folgte nach langem Hin und Her die Flucht in die Arme der SPD, die ihr noch wenige Wochen zuvor richtig was “auf die Fresse” geben wollte. Dazwischen trug Merkel eine herbe persönliche Schlappe davon, als sie ihre Vertraute Annette Schavan nicht auf den Chefsessel der Konrad-Adenauer-Stiftung zu bugsieren vermochte. Und auch danach agierte sie mehr als glücklos: Ob beim Staatsbesuch in den USA, im Ringen mit Frankreichs Präsident Macron oder in Brüsseler Verhandlungsrunden, in denen ihre Kontrahenten sie überdeutlich spüren ließen, dass auch ihre außenpolitische Zeit abgelaufen ist.

Niemand nimmt Angela Merkel mehr ernst, in Europa so wenig wie hierzulande. Nur mit der Hilfe ihrer öffentlich-rechtlichen Medien konnte sie sich überhaupt über den Sommer retten, um nach dem Maaßen-Desaster nun den wohl schwersten Nackenschlag ihrer vierten Amtszeit einzustecken: Ihr treuer Aktentaschenträger Volker Kauder wurde von der eigenen Fraktion kaltgestellt. Und so sehr sich Regierungssprecher Seibert sowie all die anderen Adjutanten und bezahlten Hofberichterstatter Mühe geben, einen anderen Eindruck zu erwecken, spürt jeder, dass Kauders Abgang Merkels Ende eingeläutet hat. Als bedürfe es dazu noch einer Bestätigung, hat der Springer-Konzern offenbar beschlossen, seine schützende Hand über der Kanzlerin wegzuziehen.

Angela Merkel wollte den Moment ihres Abgangs immer selbst bestimmen. Doch diesen Punkt hat sie längst verpasst. Ein würdevolles Ende ist schon lange nicht mehr möglich. Immer noch klammert sie sich an ihr Amt, obwohl alle sehen können, dass sie und ihre Koalition nicht mehr regierungsfähig sind. Sie spielt weiter eisern die Rolle der Kanzlerin, so wie ein entlassener Büroangestellter, der sich jeden Morgen dennoch in den Anzug wirft und pünktlich aus dem Haus geht, um seiner Familie vorzugaukeln, alles wäre in bester Ordnung, während er tagsüber ziellos umherirrt. Immer adrett im Hosenanzug, irrt Merkel durch die Politik. Ihren Stuhl räumt sie nicht, teils aus Starrsinn, teils aber auch, weil eben kein anderer Posten frei ist, auf den sie sich retten könnte.

Doch ihre Getreuen murren. Sie wollen nicht mehr die Kulissenschieber einer Machtversessenen sein, die nur noch zum Schein ihre Hosenanzüge durchs Kanzleramt tragen darf. Vor allem der mächtige Medienkonzern ihrer Freundin Friede Springer, in dessen Stiftungskuratorium einst Merkels Ehemann installiert worden war, zieht offenbar nunmehr die Reißleine. Spätestens seit dem BAMF-Skandal setzt es regelmäßig Prügel. Zwar darf die WELT immer mal wieder mit den Wölfen heulen, wie zuletzt beim Propagandastück zum Stolz der Deutschen auf ihre Politiker, doch gibt die ungleich auflagenstärkere BILD-Zeitung die Richtung vor. Sie lässt kaum noch ein gutes Haar an der Kanzlerin und rechnet schonungslos mit den Regierenden ab.

Der Herdentrieb hat eingesetzt

Im Kielwasser des Springer-Konzerns trauen sich auch die ersten Journalistenkollegen, schärfere Töne anzustimmen. Zaghaft zwar, weil niemand vorherzusagen wagt, ob mit dem Abgang der Kanzlerin auch das “System Merkel” hinweggefegt werden wird, und man es sich mit keinem Merkelisten verderben möchte, der künftig das Kanzleramt besetzen könnte. Doch der Herdentrieb hat eingesetzt. Einer, der stramm an der Seite der Kanzlerin steht, macht hingegen mobil: Michael Spreng nutzte einen Talkshow-Auftritt in der vergangenen Woche zu einem Rundumschlag gegen seinen früheren Arbeitgeber, mit dem der Ex-Chef der BILD AM SONNTAG seit seinem Rausschmiss offenbar noch eine saftige Rechnung offen hat.

Mehr als zwei Jahrzehnte lang war der Hesse bei Springer beschäftigt, bevor er die lukrative Politikberatung für sich entdeckte und 2002 Edmund Stoibers legendär gescheiterte Kanzlerkandidatur verantwortete. “Ziemlich furchterregend” sei die aktuelle Berichterstattung mit dem unterstellten “Anti-Merkel-Kurs”. BILD mache die Institutionen und Repräsentanten des Staates verächtlich und treibe das Land weiter nach rechts, glaubt Spreng festzustellen. Er wittert einen “Feldzug gegen Merkel” und sieht “eine Gruppe von Kriegern” am Werk, die sich zur “Vorfeldorganisation der AfD” machten. Fast scheint es, als stehe der 70-Jährige inzwischen bei der Kanzlerin in Brot und Arbeit. Er wird sie aber nicht retten können. Das hat schon bei Edmund Stoiber nicht geklappt. Und dessen Mission war um einiges leichter.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis Liberale Warte

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Hartmut Laun / 02.10.2018

Eine Person scheinbar ohne Plan und irre als Bundeskanzlerin von Deutschland? Im Ringeltanz mit den ihr hörigen Medien. Getragen von den Politikern der anderen Blockparteien im Reichstag. Die alle zusammen mit Merkel handeln planlos? Wohl kaum. Alle zusammen folgen dem Plan der Henry-Morgenthau-Partei, auch bekannt als Die Grünen/ Bündnis 90.

Heinrich Niklaus / 02.10.2018

Spreng hat seinen “Sprengsatz” schon vor einiger Zeit entschärft. Die vielen kritischen Kommentare gefielen ihm nicht mehr. Und so stoppte er die Kommentarfunktion, weil es natürlich angenehmer ist, wenn man in der eigenen Gedankenwelt bleiben kann und nicht dauernd durch Kritik gestört wird. Die WELT, und das sollte man der Springer-Zeitung hoch anrechnen, hat die Kommentarfunktion nicht abgestellt, wie so viele unserer “Qualititätsmedien”.  Aber Spreng gehört zu den Journalisten, die im links-grünen Mainstream weiter mitschwimmen und nur deshalb überhaupt noch wahrgenommen werden. Sonst wäre er längst untergegangen.

C. Harnisch / 02.10.2018

Ihr Wort in Gottes Ohr. Aber ich fuerchte, sie wird nach wie vor unterschaetzt. Wenn allerdings diese Aera des Schreckens (eigentlich schon seit bald 13 Jahren nichts zuwege gebracht, außer Chaos anzurichten…) wirklich dem Ende nahe sein sollte, wird sie wahrscheinlich versuchen, so viel verbrannte Erde zu hinterlassen, wie nur moeglich und bis mindestens Dezember ‘durchhalten’ (UN-Vertrag). Einen ersten Vorgeschmack haben wir bereits erlebt (‘Bleiberechte abgelehnte…’).

Walter Neumann / 02.10.2018

Sehr schön formuliert zu Herrn Spreng (wusste gar nicht, dass es den noch gibt). Was Merkel betrifft, sehe ich einen “würdevollen” Abgang egal wann ohnehin nicht, zuviel Porzellan hat sie hierzulande und im ganzen Europa zerschlagen, der Brexit ist auch eine Folge ihres Desasters. “Niemand nimmt Angela Merkel mehr ernst, in Europa so wenig wie hierzulande” schreiben Sie völlig richtig, was unsere MSM aber nicht entblödet, genau das Gegenteil zu verkünden. Im Gegensatz zum bösen Trump vertrauten ihr die meisten Menschen weltweit, hieß es gestern in der Zeitung.  Aber wie Sie richtig beobachten, fallen die ersten Getreuen von ihr ab, u.a. sogar SZ, SPON und manchmal sogar auch ZON. Aber die ÖR halten noch tapfer zu ihr. Aber jetzt, wo die bösen Sachsen einen ganz brutalen Umsturz planen, brauchen wir eine so erfahrene Politikerin ja mehr denn je ... P.S. Achse bringt ja manchmal im Original die Reden von Trump z.B. Ich würde gern mal seine letzte Rede vor der UN lesen, die ja angeblich von allen verspottet wurde.

Wolfgang Kaufmann / 02.10.2018

Sie ist so auf sich selbst fixiert, sie merkt es nicht. F60.8? Alle wollen ihr übel, nur sie allein macht alles richtig. „Ich liebe euch doch alle!“

Jochen Lindt / 02.10.2018

Merkel kann sich daruf verlassen dass die 709 Abgeordneten des BT nichts mehr fürchten als Neuwahlen.  Immerhin reicht exakt eine Legislaturperiode um Millionär zu werden. Sowas gibt keiner freiwillig auf, zumal das BVerfG beschlossen hat, das der BT verkleinert werden muss, ansonsten wäre er demnächst sogar grösser als das EU-Parlament. Einer Vertrauensfrage kann Frau Merkel also ganz entspannt entgegensehen.  Das “System Merkel” kann noch eine ganze Weile durchhalten.  Hinweggefegt wird da gar nichts.

Karl eduard / 02.10.2018

“Niemand nimmt Angela Merkel mehr ernst, in Europa so wenig wie hierzulande.”  Na, vielleicht hat den gewesenen Reichskanzler im April 1945 auch niemand mehr ernst genommen, dennoch hat er es geschafft, mittels seines Machtapparates, daß noch Tausende Soldaten und Zivilisten in einem Kampf gestorben sind, der objektiv auch mit Wunderwaffen nicht mehr zu gewinnen war. Dafür, daß Angela Merkel keiner mehr ernst nimmt, richtet sie noch bedeutenden Schaden an. Der Apparat funktioniert weiterhin wie geschmiert, die Einschüchterungen werden forciert und wenn einer wo totgeschlagen wird, ist es immer noch ein Einzelfall. Jetzt werden sogar 6 Umstürzler erfunden, die der kämpfenden Asylfront in den Rücken fallen wollen! So lange niemand eine Aktentasche unterm Kanzlerinnentisch abstellt, wird sie uns noch sehr, sehr lange erhalten bleiben. Die Vorsehung ist eben mit ihr. Glück für uns Alle.

Gerhard Mader / 02.10.2018

Ja, das waren noch Zeiten, als der Herr Spreng noch Stoibers Berater war. Was hat der Stoiber doch immer für kämpferische Reden geschwungen! Und ich frage mich, was der wohl zu Merkel und Seehofer sagen würde, wenn er das noch erleben müßte. Wie? Der lebt noch? Aber warum sagt er dann nichts mehr?

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