Robert von Loewenstern / 20.10.2021 / 06:00 / Foto: Pixabay / 163 / Seite ausdrucken

Die Qual nach der Wahl

Wer sind die wahren Gewinner der Bundestagswahl? Warum standen sie bereits im März fest? Was war die große Lüge? Wie geht’s weiter? Hier Antworten auf alle wichtigen Fragen. Mit Mehrwert: ein Hammer im Sondierungspapier, den bisher niemand bemerkte.

Ich weiß nicht, ob Sie’s schon wussten. Falls nicht, lesen Sie es hier zuerst und exklusiv: Die Union hatte Glück bei der Bundestagswahl. Sicher, es war knapp. Trotz schwacher Strategie, Laschet-Tölpeleien und Sniper Söder wären die Christsozialdemokraten fast noch stärkste Kraft geworden. Gut, dass es Lars Klingbeil gab. Der SPD-Generalsekretär machte den Unterschied im Wahlkampf mit klarem Plan und der nötigen Aggressivität in den sozialen Medien.

Wie es aussieht, wird die CDU/CSU daher nicht in die Verlegenheit geraten, die nächsten vier Jahre im Bund mitregieren zu müssen. Das ist kein Nachteil. Im Gegenteil. Das, was kommt, kommen muss, wird in Volkes Wahrnehmung auf SPD, Grüne und FDP zurückfallen. Und es wird nicht schön sein.

Die eigentlichen Sieger standen schließlich bereits sechs Monate vor der Wahl fest. Sie heißen nicht Olaf, Annabert und Christian, sondern Greta, Luisa und Clara. Entschieden haben nicht 46.838.765 mehr oder weniger volljährige Bundesbürger, sondern nur acht, deren Namen kaum jemand kennt: Stephan Harbarth, Andreas Paulus, Susanne Baer, Gabriele Britz, Yvonne Ott, Josef Christ, Henning Radtke und Ines Härtel.

Aus der Nummer kommen wir nicht raus

Das gendergerecht ausgewogene Grüppchen nennt sich Erster Senat des Bundesverfassungsgerichts und fasste am 24. März 2021 einen Beschluss, dessen Tragweite und praktische Konsequenzen den meisten Schonlängerhierzahlenden nicht im Ansatz bewusst sein dürfte. Seitdem gibt es keine Diskussion mehr, kann es keine mehr geben. Die oberste Instanz in Deutschland verfügte einstimmig und verbindlich: Deutschland muss das Weltklima „schützen“. Komme, was wolle.

Daran ist jede künftige deutsche Regierung gebunden. Selbst wenn die AfD mit absoluter Mehrheit in den Bundestag eingezogen wäre – an den höchstrichterlichen Vorgaben käme auch sie nicht vorbei. Gewaltige Reduktionen des CO2-Ausstoßes werden erforderlich, zwingend und von jedem Freitagshüpferchen einklagbar. Aus der Nummer kommen wir nicht raus.

Klar, theoretisch gibt es Möglichkeiten. Der Weltklimarat IPCC könnte plötzlich auf die Idee kommen, dass eine globale Erwärmung doch nicht so apokalyptische Folgen haben wird, wie jahrzehntelang heraufbeschworen. Oder dass die Warmphase maßgeblich von anderen Faktoren als Kohlendioxid, Methan und Lachgas bestimmt wird. Damit wäre die Reduktion der „Klimagase“ obsolet. Beides ist ähnlich wahrscheinlich wie eine Korrektur durch das Verfassungsgericht selbst mit der Begründung: „Sorry, dumm gelaufen. Jeder erwischt mal einen gebrauchten Tag.“ Nein, wird nicht passieren.

„Besorgniserregend falsch“

Der Beschluss des Gerichts wurde zu recht und aus vielerlei Gründen kritisiert. Die „Welt“ nannte die Entscheidung „besorgniserregend falsch“. Von „unpräzisen Bezugsgrößen“, „ungenauer Sprache“, „höchst fragwürdiger Sichtweise“ und „viel Raum für Falschinterpretationen“ war die Rede. Die Richter hätten sich „nur oberflächlich mit klimawissenschaftlichen Grundlagen beschäftigt“ und ein „höchst umstrittenes“ Modell eines „willkürlichen CO2-Budgets“ zur Grundlage ihrer Argumentation gemacht.

Heftigere Missbilligung einer höchstrichterlichen Entscheidung war bei dem traditionsreichen Medium wohl noch nie zu lesen. Aber: stimmt alles. Hinzu kommt ein weiterer Umstand, der das Karlsruher Urteil besonders bizarr erscheinen lässt. Diesen Umstand würdigte, soweit ersichtlich, exklusiv ein Autor Ihres Vertrauens auf der Achse Ihres Vertrauens. Hier die entsprechenden Passagen aus dem Karlsruher Beschluss:

„Der Klimaschutzverpflichtung aus Art. 20a GG steht nicht entgegen, dass Klima und Klimaerwärmung globale Phänomene sind und die Probleme des Klimawandels daher nicht durch die Klimaschutzbeiträge eines Staates allein gelöst werden können. […] Zu nationalem Klimaschutz verpflichtete Art. 20a GG zudem auch, wenn es nicht gelänge, die internationale Kooperation in einem Abkommen rechtlich zu formalisieren. […] So oder so kann dem Gebot, nationale Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, nicht entgegengehalten werden, sie könnten den Klimawandel nicht stoppen. […] Dabei könnte sich der Staat seiner Verantwortung auch nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen.“

Abschied vom Prinzip der Verhältnismäßigkeit

Übersetzt in einfache Sprache: Obwohl „die Probleme des Klimawandels“ nur durch weltweites Zusammenwirken „gelöst werden können“, sind wir auf Teufel komm raus zu „Klimaschutzmaßnahmen“ verpflichtet – ganz gleich, ob andere Staaten mitmachen oder nicht. Für das kleine Deutschland mit seinem mickrigen Nicht-mal-zwei-Prozent-Anteil am globalen CO2-Ausstoß heißt das: Augen zu und durch. Wir müssen die Welt retten, selbst wenn sie nicht mehr zu retten ist.

Ach Gottchen, denken Sie möglicherweise, nicht jeder dumme Spruch gehört auf die Goldwaage. Man redet ja viel, wenn der Tag lang ist. Da haben Sie recht. Nur, Sätze wie die zitierten rutschen nicht zufällig und aus Versehen in einen 110-Seiten-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Die Richter wollten ein wegweisendes Urteil fällen, und sie wussten, dass es großes Aufsehen erregen würde. Bevor die Verfassungshüter so ein Ding raushauen, drehen sie jede Silbe zweimal um.

Faktisch verabschiedete sich das höchste deutsche Gericht ganz nebenbei von einem der wichtigsten Prinzipien deutschen Rechts, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Jede staatliche Maßnahme, die ins Leben der Bürger eingreift, muss einen legitimen Zweck verfolgen. Dafür muss die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein. Sobald eine dieser drei Voraussetzungen fehlt, ist die Maßnahme rechtswidrig. Sie dürfen auch sagen illegal, unzulässig, verboten. Ganz nach Geschmack.

Verfassungsgericht: Ein Fall für den Verfassungsschutz?

Objektiv ungeeignet zur Zweckerreichung ist deutsche CO2-Kasteiung zum Beispiel, wenn absehbar ist, dass die vereinbarten globalen Ziele (Erwärmung um maximal 1,5 beziehungsweise „deutlich unter 2 Grad“) wegen unzureichender Mitwirkung anderer Staaten verfehlt werden. Selbst wenn man der löchrigen Argumentation des Gerichts grundsätzlich folgt, wäre der „Klimaschutz“ spätestens ab diesem Zeitpunkt einzustellen. Statt aussichtsloser Bekämpfung müsste Anpassung in den Vordergrund rücken. Auf diese wesentliche Einschränkung verzichteten die spätberufenen Klimaaktivisten in Karlsruhe.

Was tun, fragen Sie sich jetzt vielleicht angesichts des irrwitzigen Beschlusses. Beim Verfassungsschutz durchklingeln und anregen, man möge doch bitte die Vorgänge in der badischen „Residenz des Rechts“ unter die Lupe nehmen, statt sich an irgendwelchen Höcke-Jüngern abzuarbeiten? Keine Chance. Das Verfassungsgericht ist Boss. Auch wenn es noch so weit neben der Spur liegt, nennt man das weder Verfassungsbruch noch Griff ins Klo, sondern Auslegung und Weiterentwicklung.

Eines der fragwürdigsten und folgenreichsten Urteile der Nachkriegsgeschichte ist unangreifbar. Damit war, wie gesagt, die Bundestagswahl vorzeitig entschieden. Egal, welche Parteien vorne liegen oder miteinander koalieren würden, eines stand fest: Die nächste Regierung muss eine Klimaregierung werden. Ob sie will oder nicht. Der Drops ist gelutscht. Oder der Keks gegessen, um es mit Robert Habeck zu sagen.

Wahrheit gewinnt keine Wahlen

Es begann der Tragödie zweiter Akt. Die potenziellen Regierungsparteien starteten einen Überbietungswettbewerb. Politroboter „Olaf“, bis dahin als Kampfdrohne gegen höhere CO2-Bepreisung positioniert, wurde flugs umprogrammiert. Der SPD-Avatar sollte den Gefühlsausbruch seines Lebens vorspielen und sich in Anbiederung bei der Generation Greta versuchen. Das Klimaurteil sei ein „cooler Spruch“, scholzte er in die Kameras, er könne es „gar nicht anders sagen“ (hier ab Min. 57:42). In der Koalition drückte der frisch gewendete Vizekanzler ein Gesetz durch, das deutsche Klimaneutralität bereits für 2045 statt 2050 vorsieht.

Ein freies Radikal namens „der Söder“ setzte noch einen drauf, wie gewohnt. Seinen Erweckungsmoment hatte der drehmomentstarke Franke beim bayerischen Volksbegehren zur „Bienenrettung“ erlebt. Die Lehre: Wenn du etwas nicht bekämpfen kannst, stell dich an die Spitze der Bewegung. Nach dem Klimaurteil erkannte der Söder blitzartig, er könne seinen Freistaat locker bis 2040 in eine CO2-neutrale Besserungsanstalt verwandeln – satte zehn Jahre früher als geplant. Es gehe nämlich „um unseren Fußabdruck in der Geschichte“.

Zugleich erinnerten sich die Wahlkämpfer an Regel Nummer eins im Handbuch für Politikschaffende: Wahrheit gewinnt keine Wahlen. Deshalb gilt es im Ungefähren zu bleiben, solange irgend möglich. Für den Fall, dass es gar nicht mehr geht, greift Regel Nummer zwei, offen ausgesprochen von Politprofi Jean-Claude Juncker, vormals Präsident der Europäischen Kommission: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“

Der „Plan“ ist reine Fantasie

Es ist ernst, denn eines ist klar: Die deutschen Maßnahmen zur vermeintlichen Weltrettung werden gigantische Summen verschlingen – nicht einmalig, sondern dauerhaft. „Grüne“ Energie ist nun mal viel kostspieliger als herkömmliche, wenn sie nicht nur grün, sondern auch brauchbar sein soll.

Die von Beginn an abwegige Behauptung, heimische „erneuerbare“ Erzeugung könne den deutschen Energiebedarf decken, verbreiten mittlerweile nicht einmal mehr Strenggläubige der Reduktionsreligion. Seit etwa zwei Jahren lautet die Überschrift über dem „Plan“ zur Energiewende: Wasserstoff. Der soll energetisch höchst verlustreich, aber massenhaft in (noch zu bestimmenden) arabischen oder afrikanischen Wackelstaaten von (noch zu errichtenden) Solarfabriken produziert werden und mittels (noch zu bauender) Supertanker über (noch zu realisierende) Spezialterminals Deutschland erreichen.

Ob, wann, wie und wo dieses Vorhaben unter politisch halbwegs stabilen Umständen verwirklicht werden könnte, bleibt offen. Es ist reine Fantasie, wie so vieles bei der Energiewende. Selbst wenn die Fantasie irgendwann Realität werden sollte, gilt: Es wird teuer. Auf jeden Fall teurer als bisher.

Jeder, jede, jedes braucht Strom

Jetzt schon Realität: Die energieintensiven Branchen in Deutschland (Baustoffe, Chemie, Glas, Nichteisen-Metalle, Papier und Stahl) sind bei steigenden Energiepreisen nicht mehr international konkurrenzfähig und werden entweder abwandern oder dichtmachen. Die Folge ist Arbeitslosigkeit. Diese Folge wiederum hat eine doppelte Folge zur Folge: Nicht nur fallen Steuerzahler weg, sie sind auch noch vom schrumpfenden Anteil Wertschöpfender zu alimentieren. Um das zu verhindern, muss die Regierung den Unternehmen Milliardenzuschüsse zum Strompreis bezahlen. So im kürzlich verabschiedeten Kohleausstiegsgesetz (Artikel 1 §§ 44, 45) bereits vorgesehen.

Diese Subventionen sind, wie gesagt, dauerhaft zu gewähren, denn Deutschland war als einziges großes Industrieland so superschlau, unter „Klimakanzlerin“ Merkel aus der verlässlichen und weitgehend CO2-freien Kernkraft auszusteigen. Wegen Wind-Sonne-Biogas-Romantik werden die Stromerzeugungskosten für uns auf unabsehbare Zeit höher sein als für den Rest der industrialisierten Welt. Diese deutsche Spezialität trifft nicht nur die Industrie, sondern die gesamte Gesellschaft. Auch die Klos für jedes neu erfundene Geschlecht lassen sich nur spülen, wenn stromgetriebene Pumpen Wasser bereitstellen. Jeder, jede und jedes braucht Strom.

Zur Teuerung aufgrund verfehlter Energiepolitik kommt künstliche Teuerung, die das Verhalten der Bürger beeinflussen soll, also die CO2-Bepreisung aller nicht „grün“ produzierten, verarbeiteten und transportierten Güter. Dieser zusätzliche Strafzins muss installiert werden, entweder über Zertifikatehandel oder direkte Besteuerung. Nur damit kann die gewünschte Lenkungswirkung eintreten und die CO2-Bilanz verbessert werden. CO2-intensive Produkte und Dienstleistungen müssen so teuer werden, dass sehr viele sie sich nicht mehr leisten können oder wollen. Der Bürger soll „umsteigen“ auf „klimafreundliche“ Lebensführung.

„Umsteigen“ heißt in Wahrheit Verzicht

Nur, die Wahrheit ist: „Umsteigen“ ist in vielen Fällen nicht möglich. Fliegen wird auf lange Sicht genauso wenig „klimaneutral“ sein wie ein Porterhouse-Brocken. Die Massenproduktion von halbwegs erschwinglichem, synthetisch-„grünem“ Flugbenzin ist nach dem Stand der Technik reine Träumerei. Und die Aufzucht von Rindersteaks in Biofabriken ohne rülpsendes Huftier werden selbst die Zoomer unter uns kaum mehr erleben. Die Boomer sowieso nicht.

„Umsteigen“ bedeutet in diesen und unzähligen weiteren Fällen nicht das Wahrnehmen eines gleichwertigen „klimafreundlichen“ Angebots, sondern schlicht Verzicht. Verzicht auf die Herbstreise in sonnige Gefilde und „umsteigen“ auf eine Pension im feuchtkalten Nahbereich. Verzicht auf Fleisch und „umsteigen“ auf gepimpte Tofupampe. Verzicht auf bewährten Verbrennerantrieb und „umsteigen“ auf einen rollenden 1,5-Tonnen-Akku mit einem Viertel oder Fünftel der Reichweite.

Verzicht ist eine Botschaft, die sich dem Volk erfahrungsgemäß eher nicht verkaufen lässt. Deshalb erfand die Politik eine Lösung – nicht für das Problem, sondern für die Kommunikation. Das war klug, denn Probleme sind lästig und einfach da, Kommunikation hingegen kann man sich nach Belieben ausdenken. Die erzählte Lösung lautete: Erstattung.

Sparen ist das neue Einkommen

Bei den Grünen hieß die Kompensation „Energiegeld“, bei den Roten „Klimaprämie“ und bei den Gelben „Klimadividende“. Das passende Marketing-Versprechen: Die sorgende Obrigkeit wird den Öko-Umbau „sozialverträglich“ gestalten. Mehr noch, wer „Klimaschutz“ betreibt, kann sogar „Geld verdienen“.

Wie dieses Wunder funktioniert, erklärte Robert Habeck, designierter Vizekanzler und Superminister, noch im Juni bei Anne Will (hier ab Minute 50:00): Das durch CO2-Bepreisung von der Regierung vereinnahmte „Geld wird genommen, durch Kopf geteilt und ausgezahlt. Was heißt das? Man kann, anders als heute, mit Klimaschutz Geld verdienen. Man kriegt Geld, das hat man erstmal, das kriegt man auch vorweg. Am Anfang des Jahres kriegt man pro Person 75 oder 100 Euro, je nachdem, wie hoch der CO2-Preis ist. Das hat man, vierköpfige Familie, knapp 400 Euro. Und dann kommt der CO2-Preis. Und wenn man dann anfängt, seine Mobilitätsform zu ändern, dann hat man ein Geschäft gemacht.“

Im Klartext: Wer statt Diesel Lastenrad fährt oder zu Fuß geht, hat „ein Geschäft gemacht“, weil er nicht mehr den gestiegenen Spritpreis bezahlt. Wer die Kanaren cancelt, weniger heizt und Spitzkohl statt Nackensteak ins persönliche Ökosystem einfüttert, „verdient Geld“. Sparen ist das neue Einkommen, Verzicht wird zum Business-Modell. Und schon ist die grüne neue Welt in Ordnung.

Ohne Leiden keine Lenkung

Selbst den Grünen fiel auf, dass sich das Volk möglicherweise nicht ganz so leicht für dumm verkaufen lässt. Wenige Tage nach Habecks TV-Auftritt verabschiedeten sie ihr Wahlprogramm. Während im Entwurf auf Seite 12 die Passage vom „Geld verdienen mit Klimaschutz“ noch enthalten ist, fehlt sie in der finalen Fassung. Dort heißt es nur noch, dass „klimafreundliches Verhalten belohnt“ werde.

Die große Lüge zur Großen Transformation wird dadurch nicht kleiner. Das Versprechen der Parteien, die Mehrkosten des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und industriellen Umbaus würden dem Bürger in irgendeiner Form erstattet, wird nicht eingehalten werden. Es kann nicht eingehalten werden, weil es der Logik der „lenkenden“ Preiserhöhungen widerspricht.

Wer die mit Absicht erzeugte Teuerung durch Entlastungen oder Erstattungen ausgleicht, nimmt ihr die Wirkung. Jede Kompensation konterkariert den gewünschten Effekt. Ohne Leiden keine Lenkung. So einfach ist das. Warum sollte jemand auf geliebtes Rindfleisch und gewohnten Ferienflug verzichten, wenn die Regierung dafür einen Zuschuss gewährt? Warum sollte ein Verbrenner-Fan ein teures E-Stehzeug anschaffen, wenn er finanziellen Ausgleich für steigende Kraftstoffkosten erhält?

„Die Reichen“ können die Klimawelt nicht retten

Die Preissteigerungen müssen beim tumben, genussversessenen Volk spürbar ankommen, damit es sein Verhalten in die von der klugen, weitsichtigen Obrigkeit geforderte Richtung ändert. Eine Entlastung wird höchstens die übelsten Folgen etwas abmildern, etwa den Kostenanstieg bei Haushaltsstrom und fossiler Heizung – und auch das nur, damit nicht schon nächstes oder übernächstes Jahr aufgebrachte Bürger die Tore des Kanzleramts überrennen.

Bei der Gelegenheit können wir gleich noch das Märchen von der „Sozialverträglichkeit“ abräumen. Die CO2-Bepreisung wird selbstverständlich die Unter- und Mittelschicht am härtesten treffen. Auch hier genügt einfache Logik: Wäre es anders, dann wäre die Zielgruppe nicht groß genug, um Effekte zu erzielen. „Die Reichen“ in der Bevölkerung werden die Klimawelt nicht retten, selbst wenn sie wollten.

Da helfen auch keine Hohlsprüche von überbezahlten ARD-Flachsinnigen à la: „Die Reichen müssen ein bisschen ärmer und die Armen ein wenig reicher werden.“ Nach den Gesetzen der Lenkungslogik müssen gerade auch die Armen den Druck spüren, damit sie „umsteigen“. Um die angepeilten CO2-Reduktionsziele zu erreichen, gilt: Die Masse macht’s.

Der Trick der Liberalen

Die Liberalen, traditionell nicht so schlicht gestrickt wie die Grünen, haben sich einen schlaueren Trick ausgedacht. Bei ihnen lautet das große Versprechen: Nicht der Einzelne, sondern der Fortschritt wird das Problem lösen. Irgendwie wird nämlich alles nicht so schlimm kommen, weil sich die tollen deutschen Ingenieure tolle deutsche Ingenieurslösungen ausdenken. Die machen erstens die Energiewende viel einfacher und billiger. Zweitens wird Deutschland reich, weil man die noch zu erfindenden Erfindungen in die ganze weite Welt verkauft.

Sicher, vielleicht kommt übermorgen ein Genie um die Ecke, das eine günstige Supersolarzelle mit tausendfacher Leistung entwickelt und die passende Gigabatterie aus atmungsaktiver Baumwolle im Handtaschenformat gleich dazu. Die übergroße Wahrscheinlichkeit spricht jedoch dafür, dass uns in den kommenden mindestens zehn bis zwanzig Jahren keine marktreife Billion-Dollar-Idee vom Klimafluch erlösen wird.

Die einzige realistische Lösung, die am Horizont aufschimmert, sind Kernkraftwerke der neuesten Generation. Ausgerechnet die werden allerdings nicht bei uns zur Produktionsreife gebracht. KKW-Experte Manfred Haferburg: „Die vielversprechendste Technologie der Reaktoren der vierten Generation, der in Deutschland von mutigen Forschern entwickelte Dual-Fluid-Reaktor, ist kürzlich nach Kanada ausgewandert.“ Die FDP-Wette auf deutschen Erfindergeist ist daher auch nicht viel mehr wert als die grün-rote Lüge von der „Sozialverträglichkeit“ der Klimapolitik.

Ein Fun Fact, den alle übersahen

Fazit: Die CO2-Peitsche muss kommen, dafür hat das Bundesverfassungsgericht gesorgt. Der von den Ampelparteien versprochene Ausgleich in Form von grünem „Energiegeld“, roter „Klimaprämie“ oder gelber „Klimadividende“ wird dagegen ausbleiben. Das gebietet die innere Logik der angestrebten Lenkungswirkungen.

Sie zweifeln? Dann habe ich noch einen exklusiven Fun Fact für Sie, den die schreibenden und sprechenden Zunftkollegen bisher übersahen: Im Positionspapier, das die Ampelmännchen nach ihren Sondierungen herausgaben, steht zur versprochenen Pro-Kopf-Ausschüttung kein Wort. Im Sinne von: kein einziges. Zwecks Schmerzlinderung wird nur die „Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis“ erwähnt. Die soll nämlich „so schnell wie möglich“ und zwar „im Laufe der Legislaturperiode“ beendet werden: „Damit senken wir die Stromkosten für private Haushalte und Betriebe.“

Das war’s. Ausgerechnet die zugesagte Erstattung der CO2-Mehrkosten, die „Belohnung für klimafreundliches Verhalten“ (© Grünen-Wahlprogramm), also eine der wenigen Maßnahmen, über die sich im Wahlkampf alle künftigen Koalitionäre einig waren, ist in der verabschiedeten Grundlage für den Koalitionsvertrag nicht enthalten. Na, merken Sie was?

Teurer, weniger, schlechter

Die wahre Botschaft für die kommenden Jahre lautet: Es wird teurer, weniger, schlechter. Die derzeitigen Preisexplosionen sind nur ein kleiner Vorgeschmack. Die Regierenden setzen auf langsame Gewöhnung. Irgendwie, so die Hoffnung, wird sich das zum Gehorsam neigende Deutschländer-Würstchen – ähnlich wie bei Corona – schon arrangieren mit Tofu-Erwärmung per Solargrill und Jahresurlaub im Stadtpark.

Kann klappen, muss aber nicht. Wenn das Volk erst mal am eigenen Leib spürt, wie im Zuge teutonischer Weltrettung die persönliche Lebensqualität immer weiter abnimmt, dürfte der Druck im Kessel schlagartig steigen. Bis dahin sollte sich die Union in oppositioneller Ruhe eine alternative Klimapolitik ausdenken, bei der Deutschland nicht versucht, den globalen Musterknaben zu spielen.

Das Bundesverfassungsgericht ist in ein paar Jahren möglicherweise kooperativer in Sachen „Auslegung“ und „Weiterentwicklung“ des Grundgesetzes. Hunderttausend Gelbwesten mit Mistgabeln, die vor dem Baumgarten-Bau in Karlsruhe auf den Dienstschluss warten, könnten selbst oberste Richter zu überraschenden Einsichten bringen.

Foto: Pixabay

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Stephan Bujnoch / 20.10.2021

Ich halte den Richterspruch in toto für illegitim und illegal. Das Bundesverfassungsgericht hat hier seine Kompetenzen überschritten indem es “legislativ” tätig wurde. Dies ist aber das Privileg des Parlamentes. Dumm nur, wer kontrolliert die höchste juristische Instanz? Preisfrage lieber Leser : was ist der Unterschied zwischen der Bundesrepublik und einer Bananprepublik? Sie ahnen es schon .... in der Bananenrepublik gibt es Bananen!

Siegfried Etzkorn / 20.10.2021

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 ist unter verschiedenen Gesichtspunkten bemerkenswert. Das Schlimmste sind allerdings m. E. zwei Punkte: Erstens hat sich die Beschwerdegegnerin, nämlich die Bundesrepublik, offenbar nicht inhaltlich gegen die Verfassungsbeschwerden verteidigt. Soweit diese zurückgewiesen oder verworfen wurden, ging um formale Fragen wie die (zu Recht verneinte) Beschwerdebefugnis von Verbänden. Im Kern aber, dass nämlich Deutschland Anstrengungen unternehmen müsse - koste es was es wolle und seien sie auch alle vergebens - um eine bestimmte Temperaturerhöhung nicht zu überschreiten, hat sich die Beschwerdegegnerin praktisch nicht verteidigt. Sie hat sich sozusagen die Prozessniederlage “abgeholt”. Womöglich um sagen zu können: “Hier stehen wir und können nicht anders.” Zweitens hat das BVerfG sich nicht auf das Wesentliche beschränkt. Wenn man das gefundene Ergebnis der Entscheidung richtig findet, dann wäre die einzig mögliche Begründung gewesen, dass der Gesetzgeber ein inkonsequentes Gesetz erlassen habe. Wer in internationalen Vereinbarungen und auch noch in § 1 des Bundesklimaschutzgesetzes ein “Klimaziel” festhält, aber dann ein Gesetz erlässt, das den Weg zu dessen Erreichung nicht zu ende denkt, hat einen Fehler gemacht. Das hätte es sein können. Es reichte aber dem BVerfG nicht. Vielmehr hat sich das Gericht geradezu geschwätzig zu inhaltlichen Fragen der Klimaerwärmung und ihrer Ursachen eingelassen, ohne allerdings dazu wirklich Nachforschungen anzustellen. Das ist deswegen problematisch, weil nach § 26 BVerfGG der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. D. h., was in der Entscheidungsbegründung steht, gilt als die Überzeugung des Gerichts. Davon wieder herunterzukommen, ist nur schwer möglich. Dass die Entscheidung auch noch einstimmig gefallen ist, besorgt mich zusätzlich.

Uta Buhr / 20.10.2021

John Sherid@n: Danke, danke, Ihr Wort in Gottes Gehörgang. Ich bin dabei unter dem Schlachtenruf “Vinceremus!”

Ulli Funk / 20.10.2021

Mit der Entwicklung täuschend echt aussehender, aufblasbarer Mistgabeln könnte man in Zukunft reich werden.

Boris Kotchoubey / 20.10.2021

Wie dumm muss man sein, um zu glauben, dass die Politiker dumm sind!

Beate Jobst / 20.10.2021

Wir sind an dem Punkt wo klar wird, wer die tatsächlichen Verfassungsfeinde waren. Die Frage, wer unsere Verfassung vor den “demokratischen” Parteien, dem Verfassungsgericht und dem Verfassungsschutz schützt, ist beantwortet. Keiner. Nur bei einem möchte ich widersprechen. Das was die Verfassungsfeinde in den roten Roben verkünden, ist nicht in Stein gemeißelt. Und das Amt schützt auch nicht vor Strafe. Alles möglich mit etwas Willen.

Peter Krämer / 20.10.2021

Es reicht doch völlig, wenn die große Masse den Gürtel wieder enger schnallt, so wie es eigentlich immer war. Hafergrütze für den Pöbel, Wein und Fleisch für den Adel und die Kirche. Dann kann die sogenannte Elite guten Gewissens ihr aufwendiges globales Leben weiterführen.

A. Iehsenhain / 20.10.2021

Juncker wusste schon 2016, dass “die Führer fremder Planeten uns beobachten”. Vielleicht verwechselt man seither die Kernschmelze im Pluto-Eis mit dem Abtauen der irdischen Polkappen. Die “Noch zu machen-Republik Deutschland” ist eine gute Beschreibung von Herrn von Loewenstern, in diesem Punkt funktioniert die schwarze Null (im Sinne von Nichts) auf jeden Fall. Als Transformations-Minister schlage ich Dennis Moore aus Monty Pythons Flying Circus vor - den Reichen stiehlt er Lupinen und gibt sie den Armen. Also eins der neuen Trendgemüse für den zukünftigen engen Gürtel. Und was Multisex-Toiletten angeht - der Energiebedarf müsste noch großzügiger berechnet werden, damit die Urheber entsprechender Hinterlassenschaft gleich mitverschluckt werden können…

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