Die Briefwahl von vielen Auslandsdeutschen gestaltete sich – sagen wir es mal im korrekten Amtsdeutsch – als „Herausforderung“.
In den sozialen Netzen häufen sich die Klagen und Beschwerden. Viele haben bis heute keine Wahlunterlagen erhalten, andere wurden nicht ins Wählerverzeichnis aufgenommen oder scheiterten an organisatorischen Problemen der Briefwahl. Es sollen mehr als 200.000 Auslandsdeutsche betroffen sein.
Selbst die Tagesschau berichtet: „Für die im Ausland lebenden Deutschen ist die Bundestagswahl bereits gelaufen. Sie konnten ihre Stimme nur per Briefwahl abgeben, die Fristen dazu sind vorbei, denn der Brief muss schließlich rechtzeitig an der Wahlurne der Heimatgemeinde ankommen. Seit Tagen macht sich inzwischen rund um den Globus Frust breit. Denn viele, die wählen wollten und Wahlunterlagen beantragt haben, konnten nicht.
Es sind nicht nur Einzelfälle, soviel steht fest. "Es geht um Tausende, wenn nicht Zehntausende", sagt Verfassungsrechtler Ulrich Battis im Gespräch mit tagesschau.de. Er sieht darin eine klare Beeinträchtigung des hohen Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl”.
Selbst der deutsche Botschafter im Vereinigten Königreich, Miguel Berger, konnte sein Wahlrecht nicht ausüben, weil die Wahlunterlagen nicht rechtzeitig ankamen.
Ich selbst und meine Frau gehören auch zu denen, die an den kurzen Fristen der vorgezogenen Wahl und dem komplizierten Ablauf scheiterten. Eigentlich hatte ich kein Problem vermutet, da ich nur unweit der deutschen Botschaft in Paris wohne und es gewöhnt bin, meine Behördenangelegenheiten dort abzuwickeln. Ich erkundigte mich also bei der deutschen Botschaft in Paris nach dem Wahllokal und musste feststellen, dass Auslandsdeutsche nur per Briefwahl wählen können.
Dann beschäftigte ich mich mit dem notwendigen Wahlprozess. Zuerst muss man einen schriftlichen Antrag auf die „Aufnahme ins Wahlverzeichnis“ an seinem letzten gemeldeten Wohnort stellen. Das geht nur über ein spezielles Formular aus dem Internet, das – ausgedruckt und händisch in Druckbuchstaben ausgefüllt – lediglich per Post-Brief an die zuständige lokale deutsche Behörde eingereicht werden kann. Im Online-Zeitalter sind wir hier noch nicht einmal beim FAX.
Im deutschen Behördennirvana verschollen
Da mir schon etwas schwante. brachte ich den Brief persönlich zum Postamt in Paris. Meine Frau und ich sandten unsere Anträge am 28. Januar (Poststempel) ab. In der guten alten Zeit brauchte ein Brief von Paris nach Hannover zwei Tage. Ob er damals mit dem Flugzeug oder der Bahn transportiert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Leider benötigen die heutigen Postkutschen – so nehme ich jedenfalls angesichts des Zeitbedarfs den heutigen Transportwegs an – ganze acht Tage. Unser Antrag erreichte daher erst am fünften Februar die entsprechende Behörde in Niedersachsen. Damit waren wir raus, der gesetzliche Einsendeschlusstermin zweiter Februar war auf dem Postweg verstrichen.
Meine Frau erhielt drei Tage vor der Wahl einen eingeschriebenen Brief, dass ihr Antrag auf Grund der Terminüberschreitung abgelehnt sei, nebst einer Rechtsmittelbelehrung. Mich, den alten weißen Cis-Mann, hielt die Behörde keiner Auskunft für würdig, mein Antrag ging im deutschen Behördennirvana verschollen. Jedenfalls habe ich weder eine Absage, noch Wahlunterlagen erhalten.
Welche Auswirkungen die schleppende Organisation der Auslandsdeutschen-Wahl auf das Wahlergebnis hatte, vermag niemand zu sagen. Aber dem Bündnis Sahra Wagenknecht fehlten 14.000 Stimmen zum Einzug in den Bundestag, nur ein Bruchteil der nicht abgebbaren Auslands-Stimmen.
Ohne jegliche Bewertung vorzunehmen: Der Einzug des BSW in den Bundestag hätte das Koalitions-Mehrheitsverhältnis verändert – die Merz-CDU hätte nicht mehr mit der SPD allein koalieren können, sondern hätte einen weiteren Partner gebraucht, was dann wohl die Grünen gewesen wären.
Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.
Von Manfred Haferburg und Klaus Dieter Humpich finden Sie in der Achgut-Edition das Buch:
Das Nachwort stammt von dem Wissenschaftsphilosophen Michael Esfeld. Sie können das Buch hier in unserem Shop bestellen,