Die Prophetin beim Papst

Gott muss eine gute Portion Humor haben. Wie man weiß, wäre sonst die Existenz des Schnabeltiers nicht zu erklären. Die große konfessionelle Spaltung, die meist etwas verkürzt auf das Konto des dicken Martin verbucht wird, hat er zwar einigermaßen unbeschadet überstanden, aber vieles war nicht mehr ganz so einfach. Etwa die Frage, mit welcher Seite er sympathisiert. Der Dreißigjährige Krieg brachte neben unzähligen Grausamkeiten und vielerlei anschließenden Neuregelungen zumindest in dieser Frage keine Entscheidung. Johann Sebastian Bach wiederum wäre ein gutes Argument für die Protestanten…

Aber was soll‘s, tempi passati. Heute nähern sich die beiden großen Konfessionen, zumindest in Deutschland, mit ungebremster Geschwindigkeit an. Einigkeit unter Protestanten und Katholiken besteht bekanntermaßen darin, dass Spitzenwürdenträger unter der gleißenden Sonne des Jerusalemer Tempelberges schon mal auf das lästige Halsgepränge verzichten können. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx haben gezeigt, wie es geht. Ohne Kreuz ist doch alles viel einfacher. Auf evangelisch.de („Mehr als Du glaubst“ – Eigenwerbung, äußerst passend) ist nachzulesen, wie es dazu kam. Bedford-Strohm hat es erklärt. Und zwar gleich für beide. Wenn das keine praktizierte Ökumene ist. Sie seien „von den jeweiligen Zuständigen darum gebeten worden“. Immerhin: Mittels „Lutherrock und Kardinalsgewand“ seien „beide aber klar als christliche Geistliche zu erkennen“ gewesen.

Das Kreuz wird eh überbewertet. Genau wie die anderen Symbole. Warum genau trägt der Kardinal rot? Fashion? Hatte das was mit den christlichen Märtyrern zu tun? Gar als Zeichen der Treue zu Papst und Kirche, die er notfalls mit seinem Blut verteidigen würde? Egal. Es waren ohnehin nur vereinzelte katholische Stimmen, die die Meinung vertraten, der Papst hätte Marx für das Ablegen des Kreuzes – auf wessen Wunsch hin auch immer – sofort amtsentheben müssen. Wohl kaum zu erwarten von Franziskus, dem der eigene Laden nicht so recht geheuer ist. Erst Ende März erklärte er bei seinem Marokko-Besuch, dass es nicht Aufgabe der dortigen Katholiken sei, zu missionieren. Nun mag man Missionierungen aller Art skeptisch gegenüberstehen. Aber was genau passiert in einer katholischen Kirche, deren Oberhaupt (immerhin Stellvertreter von irgendwem, zumindest bislang noch im offiziellen Selbstverständnis) der Meinung ist, dass es nun gut sei mit dem eigenen (ebenfalls im offiziellen Selbstverständnis einzig wahren) Glauben?

Die Tempelberggeschichte liegt schon einige Zeit zurück. Sie blieb völlig folgenfrei. Und sie ist kein Höhepunkt, sondern eine Wegmarke. Munter geht es weiter.

Ökumene mit den Klimarettern

Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hat zumindest mal einen theologischen Hörsaal von innen gesehen und kann als ehemalige, mehrjährige Präses der Synode der EKD eine gewisse Verbundenheit mit den obersten protestantischen Institutionen für sich in Anspruch nehmen. Unlängst verkündete sie via „Kanzelrede“ in einer Duisburger Kirche, Greta Thunberg – eine schwedische Klimakapazität, die derzeit vielen Lehrern einen früheren Start ins Wochenende ermöglicht – erinnere sie „an die Stelle aus dem Prophetenbuch Amos, wo es heißt: Sie hassen den, der im Tor Recht spricht, und verabscheuen den, der die Wahrheit sagt“. Propheten schauten nicht so sehr in die Zukunft, „sondern beobachteten die Gegenwart genauer als andere“.

In Zeiten der kreuzesabnehmenden Ökumene kann die Gegenseite nicht nachstehen und legt beim Vergleich noch eine Schippe drauf. Amos, achtes vorchristliches Jahrhundert, ist vielleicht ein guter Ansatz – aber das kann Heiner Koch besser. Nicht an eine verquaste alttestamentliche Stelle denkt der Berliner Erzbischof, wenn er die freitäglichen, lautstarken Schülerversammlungen sieht, vielmehr: „Mich erinnern die Freitagsdemos ein wenig an die biblische Szene vom Einzug Jesu in Jerusalem“. Zwar gehe es ihm nicht darum, Greta Thunberg „mit dem Vergleich zu einem weiblichen Messias zu machen“, aber er erinnere daran, „dass unsere Gesellschaft und auch unsere Kirche von Zeit zu Zeit echte Propheten braucht“. Der Rückstand gegenüber den Protestanten ist damit nicht nur aufgeholt, die Katholiken liegen nun sogar vorn. Da muss sich die Göring-Eckardt erst mal wieder was ausdenken. Fazit jedenfalls: Kreuz weg, neuer Prophet… ‘tschuldigung, natürlich neue Prophetin da… so geht Ökumene!

Das war noch lange nicht alles. Am Mittwoch begrüßt der Heilige Vater (das ist der Stellvertreter, der das mit der Mission nicht so mag) Greta Thunberg in seiner Generalaudienz auf dem Petersplatz. Nur Prophetin? Da geht sicher noch was! Am Karfreitag mischt  sie dann im römischen Schulstreik mit. Feiertag? Macht die „Klimakrise“ da vielleicht „Urlaub“? Na also.

Was es mit dem Schnabeltier in puncto Humor auf sich hat, ist klar und auch einfach gut so. Warum der Allmächtige bei der Auswahl seines Bodenpersonals allerdings nicht etwas mehr Ernsthaftigkeit walten lässt, bleibt – wie so vieles – sein Geheimnis.                                        

Foto: Stefan Klinkigt

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Leserpost

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Jochen Brühl / 16.04.2019

Wenn ich nicht schon 1999 aus der katholischen Kirche ausgetreten wäre, müsste ich das heute nahezu täglich aufs Neue machen.

Franck Royale / 16.04.2019

Ziemlich unverschämt, daß ein Berliner Erzbischof sich anmaßt für die Gesellschaft sprechen zu können. Nicht die Gesellschaft braucht “von Zeit zu Zeit echte Propheten”, sondern ein scheinbar orientierungsloser und verwirrter Teil von ihr. Insofern tatsächlich nichts neues.

Matthias Braun / 16.04.2019

” Es ist kein Heiliger so klein, er will seine eigene Kerze haben. ( Deutsches Sprichwort )

dr. michael kubina / 16.04.2019

Mein erster Reflex war auch, hat der nicht mehr alle, weiß der nicht, dass fünf Tage nach dem triumphalen Einzug in Jerusalem die Kreuzigung stand? Natürlich weiß er es und, nachdem ich noch einmal darüber nachgedacht habe, kann ich in dem Statement auch eine subversive Botschaft erkennen. Das Hosianna der Massen für Jesus bei dessen Einzug stand ja für eine völlige Verkennung dessen, der da kommt. Jesu Reich war nicht von dieser Welt und er kam als Erlöser von den Sünden. Frenetisch begrüßt wurde er jedoch als Sohn Davids, als neuer König der Juden, der das jüdische Volk wieder zu neuer Größe führen würde. Zumindest ist denkbar, dass der Bischof in diese Richtung dachte: Das Kind Greta, mit seinen Ängsten und Sehnsüchten nach einem Leben ohne Sünde, muss herhalten für die weltlichen Hoffungen der Massen: Wir (Deutschen) sind wieder wer, wir erheben uns unter Gretas Führung gegen das Kapital. Das Mißverständnis wird nicht lange halten, und nach dem Hosianna folgt das Kreuziget ihn/sie. Möglicherweise meinte er das: Die Erwachsenen projizieren ihre Versagensgefühle angesichts ihrer sündigen (=umweltschädlichen) Lebensweise auf diese unschuldige Kind, das die Dinge für sie einer Lösung zuführen soll. Das unschuldige Kind Greta wird, wie Jesus, mit einem weltlichen Führer zu neuer Größe verwechselt.

Andreas Rochow / 16.04.2019

Mir kommt weniger das Schnabeltier in den Sinn. Angesichts des epochalen Versagens der beiden “großen” christlichen Kirchen und ihrer Oberen beim Kreuzzeigen und bei der Aufklärung tausender Fälle sexuellen Missbrauchs erkenne ich unter dem Projekt Ökumene nur noch eine üble Kumpanei: Man nennt es “Gaudi” und gibt sich “weltlich modern”. Das wird immer häufiger demonstriert als gottloses Unternehmertum als Nachrichtenagentur, Buch- und Zeitungsverlag, “Kirchenradio”, Beherbergungs- und Integrationskonzern Immobilienagentur, Bank und weltpolitische Kampagneninstitution. Dazu betreibt die EKD bspw. eigens eine “Stabsstelle”. Es wird nicht mehr christlich missioniert, sondern politisch agitiert, weil der selbstverschuldete Bedeutungsverlust und Mitgliederverlust nun durch die linkspopulistischen Strategien des Mainstreams “repariert” werden soll: Der Universalismus, der Egalitarismus, der Multikulturalismus, der Ökologismus, das Gender Mainstreaming, der Sozialismus. Und Mission? Das war einmal. Jetzt müssen falsche Heilige her wie Greta, KGE, ProAsyl oder die goldwerte Luther-Botschafterin Kässmann. Praktisch für den Merkelismus, denn die Kirche als außerparlamentarische Opposition ist auf diese Weise stummgeschaltet wie in einer Musterdiktatur.

beat schaller / 16.04.2019

.......und immer wird es nur noch schlimmer…. mehr geht für mich dazu heute nicht! vielleicht hat deshalb gestern der blitz bei “votre” dame reingehauen?? es ist ja schliesslich alles verbunden, auch feinstaub rauch und wetter…. möglicherweise ist auch der “chef” längst nicht mehr mit dem bodenpersonal einer meinung?  fragen über fragen. b.schaller

Albert Pflüger / 16.04.2019

Wie schön ist es doch, Atheist zu sein. Es immunisiert gegen jede Art der Religion, kann man doch immer fröhlich die Frage aufwerfen, wem denn diese oder jene “absolute Wahrheit” nütze- und schau an, man findet Antworten. Religion ist immer eine Form der Machtausübung- ergänzend zum Politischen. Wie die weltliche Herrschaft dient sie dazu, sich Pfründe zu sichern und einen Anteil an der Wertschöpfung des Volkes an Schmarotzer umzuleiten, die selbst nicht wertschöpfend tätig sind. Ob man Offenbarungen oder Klimamodelle für diesen Zweck nutzt, ist egal. Wichtig ist immer die Verheißung der Erlösung, der das Leiden vorangeht. Es ist das Versprechen der endgültigen Trennung der sprichwörtlichen Zwei Seiten jeder Medaille. Gut und Böse, Himmel und Hölle, Umweltzerstörung und Ökologisches Gleichgewicht, Hat funktioniert bisher, immer wieder- das Versprechen und das Sichern der Pfründe, nicht die Trennung der Zwei Seiten!

Jutta Berg-Schlosser / 16.04.2019

“Sie blieb völlig folgenfrei.”  Sie hatte meinen Austritt aus der Kirche zur Folge.

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