Dirk Maxeiner / 09.02.2018 / 06:29 / 27 / Seite ausdrucken

Die Pressefreiheit des Martin Schulz und der perfekte Mord

Wenn „Spiegel-Online“ richtig liegt, steht „Handelsblatt“-Herausgeber und Achse-Autor Gabor Steingart vor dem Rauswurf. Dessen „Morning Briefing“ (ein täglicher Online-Newsletter) von Mittwoch soll laut Spiegel-Online den Verleger Dieter von Holtzbrinck aufgebracht haben. Er wolle sich von Steingart trennen: 

"Anlass war ein Text über Martin Schulz, in dem Steingart von einem 'perfekten Mord' fantasierte".

Hier Gabor Steingarts Text:

"Innerhalb der SPD hat ein bizarrer Machtkampf begonnen. Der mittlerweile ungeliebte Parteichef Martin Schulz will den derzeit beliebtesten SPD-Politiker, Außenminister Sigmar Gabriel, zur Strecke bringen und an dessen Stelle im Ministerium Quartier beziehen. Das Duell wird nach den Regeln des Parteienkampfes ausgetragen, also im Verborgenen. Besondere Raffinesse wird dabei vor allem von Schulz verlangt, da er sich nicht beim Mord an jenem Mann erwischen lassen darf, dem er das höchste Parteiamt erst verdankt. 

Der Tathergang wird in diesen Tagen minutiös geplant. Der andere soll stolpern, ohne dass ein Stoß erkennbar ist. Er soll am Boden aufschlagen, scheinbar ohne Fremdeinwirkung. Wenn kein Zucken der Gesichtszüge mehr erkennbar ist, will Schulz den Tod des Freundes aus Goslar erst feststellen und dann beklagen. Die Tränen der Schlussszene sind dabei die größte Herausforderung für jeden Schauspieler und so auch für Schulz, der nichts Geringeres plant als den perfekten Mord."

Es handelt sich somit keineswegs um eine Fantasie, sondern um eine recht gute Einschätzung der Vorgänge innerhalb der SPD in Berlin in Form einer Metapher. Das ist normales journalistisches Handwerk und von der Meinungsfreiheit gedeckt, sollte man meinen. Warum sich der Verleger des Handelsblattes dafür bei Martin Schulz entschuldigt, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben: 

"Das heutige 'Morning Briefing' von Gabor Steingart hat mich schockiert. Inhalt und Stil des Sie betreffenden Textes entsprechen weder meinen publizistischen Qualitäts- und Wertevorstellungen noch denen der Handelsblatt-Redaktion."

Er entschuldige sich "vielmals" auch "im Namen des Handelsblatts".

Nun ja: In normalen Zeiten gäbe es keinerlei Anlass, sich von einer journalistischen Einschätzung wie der Steingarts zu distanzieren. Aber wir leben offenbar nicht mehr in normalen Zeiten. Bitte schauen Sie sich Martin Schulz Einlassungen zur Pressefreiheit im oben eingebetteten Video an, wie er sie vor knapp einem Jahr dem Volk mitteilte. Es ist nur noch gespenstisch.

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Andreas Neukirch / 09.02.2018

Oh je! Ich habe Steingarts Morning Briefing immer sehr gerne gelesen, auch weil es oft nicht journalistischer Mainstream war. Ich hoffe, dass er der Achse als Autor erhalten bleiben wird. Aber das dürfte schwierig werden… offenbar darf inzwischen jeder, der vom Mainstream abweicht, in Deutschland um seine Existenz fürchten. Das Handelsblatt verliert jedenfalls einen profilierten Herausgeber und Autor… und sicherlich eine ganze Reihe Leser, die diese Form von Meinungsmanipulation, wie sie durch die wahrscheinliche Entlassung betrieben wird, nicht mittragen wollen. Schade, sehr schade…

Horst Joachim / 09.02.2018

Hat Herr Schulz dies in seiner EU Zeit von anderen Politikern abgeschaut ? Obwohl der Abschied eines Herrn Gabriel nicht sonderlich traurig ist ich denke da an sein Türkei-taktieren und wie war noch sein Pack-Spruch ? Zur internen SPD Situation fällt mir ( Pack schlägt sich Pack verträgt sich ) ein , dabei stelle ich mir besonders Nahles ,Schulz ,Stegner usw. vor

Wulfrad Schmid / 09.02.2018

Unter all den Lügnern und Betrügern nimmt der Alkoholiker aus Würselen eine einsame Spitzenposition ein.

Rudolf George / 09.02.2018

Wenn H. von Holtzbrinck Herrn Steingart entlassen möchte, dann war die Glosse sicher nicht die Ursache, sondern höchstens der lang herbeigesehnte Vorwand. Und vermutlich wurde gerade dieser Vorwand besonders gerne genutzt, kann man damit doch sogleich ein Paar Pluspunkte beim zukünftigen Außenminister machen. Der politisch-mediale Komplex wie er leibt und lebt.

Fritz Kolb / 09.02.2018

Der Herr Holtzbrinck hält unter anderem auch Anteile an der TAZ und an der ZEIT. Er wird deren linksideologisches Agitieren sicher mittragen und deshalb auch nicht für das HANDELSBLATT aufgeben. Ideologischen Klüngel gibt es oben und unten.  Es muss Herrn Steingart hoch angerechnet werden, dass er in Kenntnis dieser Konstellation trotzdem den Mut zu freier journalistischer Arbeit aufgebracht hat. Davon gibt es dieser Tage viel zu wenige, obwohl der sehr fragwürdige Charakter eines Herrn Schulz offensichtlich ist. Manche, auch in der eigenen Partei, würden sich nicht scheuen, ihn hinterhältig, verlogen und rücksichtslos zu nennen.

Dr. Ralph Buitoni / 09.02.2018

Mit wieviel Prozent ist die SPD an den Holtzbrinck-Verlagen, bzw. dem Handelsblatt beteiligt?

Stefan Schanze / 09.02.2018

Das Morningbriefing von Gabor Steingart war bisher mein täglicher intellektueller “Muntermacher”, meist gleich nach dem Wecker um 06:00 Uhr noch im Bett auf dem Tablet. Jetzt will man ihn also offenbar “absägen”, weil Herr Schulz zwar Pressefreiheit fordert, aber nicht für sich selbst einräumen möchte. Dem Handelsblatt muß man ins Stammbuch schreiben: “Grosses Lob und herzlichen Dank an GABOR STEINGART für seinen unerschrockenen und unabhängigen Journalismus im Handelsblatt. Nach seinem angekündigten Rauswurf wird das Morning Briefing nicht mehr von Interesse sein - dann kann man sich ohne Informationseinbußen auf sonstige Nachrichten-Portale beschränken. Sein herausragender Esprit kontrastierte bereits bisher deutlich immer dann, wenn er von anderen im Morningbriefing “vertreten” worden war. Jetzt also nur noch die Vertreter….. . Schade, dass das Ende der wahren Pressefreiheit (Denken und Schreiben ohne Schablonen und Denkverbote) jetzt auch die Holtzbrinck-Gruppe erreicht hat. Verhältnisse wie in den USA oder in Russland jetzt also auch bei uns. Wirklich schade!” Herrn Steinhart wünsche ich ein weiterhin inspiriertes und inspirierendes Journalisten-Handwerk (das er m.E. so brilliant wie kaum ein zeitgenössischer Kollege von ihm in Deutschland beherrscht) und Deutschland ein wenig mehr Aufrichtigkeit und etwas weniger Gemauschel der vermeintlich Mächtigen zur Durchsetzung persönlicher Vorteile und Befindlichkeiten. Gabor Steingart, fare well !!!!

Werner Arning / 09.02.2018

Das Problem ist wohl, dass Schulz und Co nicht so richtig verstanden haben, was Demokratie, Meinungs-und Pressefreiheit bedeuten. Sie gehen davon aus, dass Demokratie etwas ist, was man hat, was man besitzt, etwas Statisches. Man nennt seine Partei „demokratisch“ und dann ist und bleibt sie das auch für alle Zeiten. Demokratie ist jedoch etwas Lebendiges, Bewegliches. Sie muss leben, atmen können. Ihre Existenz muss jeden Tag neu unter Beweis gestellt werden, sie will gelebt werden. Demokratie ist „Sein“ und nicht „Haben“. Ich kann also nicht behaupten ein Demokrat zu sein und gleichzeitig in die Presse-und Meinungsfreiheit eingreifen. Denn in dem Moment, wo ich das tue, habe ich mich als Demokrat disqualifiziert. Ich kann mich auch nicht hinstellen und sagen, was diese Leute sagen, ist undemokratisch, nur weil das Gesagte nicht meiner Auffassung entspricht. Sie möchten mit ihrer abweichenden Meinung gehört werden und solange sie nichts Strafwürdiges behaupten, nennt man das Meinungsfreiheit. Es geht nicht darum zu sagen „Demokratie, Demokratie“. Es geht darum, sie zu leben. Und da offenbaren unsere Politiker große Defizite. Das Zulassen der abweichenden Meinung ist die Grundvoraussetzung für Demokratie. Ansonsten bleibt sie eine inhaltsleere Behauptung.

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