Peter Heller, Gastautor / 15.12.2016 / 06:29 / Foto: kremlin.ru / 11 / Seite ausdrucken

Die Politik kämpft um ihr Monopol auf Fake-News

Falschmeldungen, die früher verharmlosend als „Ente“ oder schon deutlich kritischer als Propaganda angesehen wurden, heißen heute „Fake News“. Der neue Begriff ist geänderten Umständen geschuldet, denn durch den rasanten Bedeutungszuwachs der Kommunikation in sozialen Medien und mittels anderer digitaler Plattformen vermag mittlerweile jeder Bürger erfolgreiche Fake News zu konstruieren und zu verbreiten, was vor noch gar nicht allzu langer Zeit ein Privileg der Politik und der etablierten Medien darstellte. Man darf diese beiden Gruppen daher durchaus verdächtigen, die aktuelle Debatte über den Umgang mit unwahren Behauptungen aus Frustration über den Verlust ihrer Monopolstellung zu führen.

Dabei haben sie es doch wirklich gut gemacht. Mittlerweile schon als Klassiker anzusehende Fake News wie „Peak Oil“, Waldsterben oder Klimakatastrophe üben eine wichtige Vorbildfunktion für alle jüngeren Kampagnen aus. Konstruktionsprinzipien und Zielstellungen solcher sogar regierungsamtlich verbreiteter und vor allem durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk multiplizierter Märchen haben sich bewährt und finden sich in jüngeren Kommunikationsoffensiven wieder, in denen es beispielsweise gegen die grüne Gentechnik, gegen die Kernenergie, gegen Fracking, Feinstaub oder Stickoxid geht.

Immer basieren Fake News auf unbestreitbaren Tatsachen. Sonst wären sie allzu leicht durchschaubar. Ja, natürlich sind die Ressourcen auf diesem Planeten endlich, weil das Volumen der Erde begrenzt ist. Ja, natürlich gibt es anthropogene Einflüsse auf das Klima, auch und gerade durch Kohlendioxid-Emissionen. Ja, natürlich gibt es Schäden an Bäumen, als deren Ursache Industrieabgase in Frage kommen. Auf dieser Basis entwickelt sich die Täuschung entlang einer mal kürzeren, mal längeren Argumentationskette, deren einzelne Schritte durchaus plausibel erscheinen.

Am Ende geht dem Fake die Puste aus

Der aber trotzdem am Ende die Puste ausgeht, da sie den Realitätscheck nicht besteht. Die Erde ist schlicht zu groß, als daß es jemals eine Ressourcenknappheit geben könnte, solange immer wieder neue Bergbautechnologien entwickelt werden. Die Wälder sind viel robuster und Verfahren zur Abgasreinigung funktionieren besser, als gedacht. In apokalyptischen Klimaszenarien werden nicht nur die Anpassungsfähigkeit des Menschen, sondern auch die positiven Folgen von Klimaveränderungen und die Macht natürlicher Faktoren unterschätzt. Gene sind nicht gefährlich, in Fukushima gibt es keine Strahlenopfer und Fracking verseucht das Trinkwasser nicht. Die Fakes in den News können entlarvt werden, wenn man sich nur die Mühe macht, zu hinterfragen und zu recherchieren.

Trotzdem wird die auf Unwahrheiten oder einseitigen Interpretationen basierende Propaganda niemals sterben. Weil ihre eigentliche Motivation nicht nur in der konkreten Botschaft besteht, sondern auch in dem mit dieser verfolgten Zweck. Der schlicht die Motivation von Wählern sein kann oder die Steigerung der Auflage. Auch wird häufig die Schaffung eines gesellschaftlichen Klimas angestrebt, in dem sich mit der Täuschung nicht unmittelbar verknüpfte politische Ideen besser durchsetzen lassen.

Fake News zeigen ihrem Macher auf, mit welchen Themen die Menschen, oft auf emotionaler Ebene, gut erreicht werden können. Welchen Thesen sie sich anschließen, welche sie weiterverbreiten und welche Forderungen sie aktiv unterstützen. Gut gebaute Fake News mit langer Lebensdauer und hoher Breitenwirkung sagen mindestens so viel über ihre Adressaten aus, wie über ihre Ersteller. So können die oben genannten Meme allesamt nur überleben, weil in Deutschland ein Desinteresse an Technik auf einen Mangel an naturwissenschaftlicher Bildung trifft. Das ist peinlich, für die Umweltaktivisten und für die Marketing-Abteilungen betroffener Unternehmen gleichermaßen.

Durch das Internet haben nicht nur themenorientierte Kampagnen, sondern auch personenbezogene Fake News Auftrieb erhalten. Aktuell trifft es Renate Künast und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz. Künast wird ein Kommentar zugeschrieben, in dem sie den mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder der Freiburger Studentin Maria L., einen afghanischen Migranten, in Schutz nimmt. Özoguz wird mit der Forderung nach einer zusätzlichen Steuer zur Finanzierung von Integrationsmaßnahmen zitiert. Beides ist falsch. Beide Politikerinnen haben nicht gesagt, was man ihnen in den Mund legt. Beide Lügen aber haben sich rasant in den sozialen Medien verbreitet und sind tausende Male geteilt worden.

Fake News halten manchmal auch einen Spiegel vor

Weil es nach Auffassung vieler Menschen hätte stimmen können. Nach all dem Unfug, den beide in Bezug auf die Flüchtlingskrise schon von sich gegeben haben, wurden die erfundenen Äußerungen schlicht als denkbar erachtet. Und das sollte Frau Künast und Frau Özoguz zu denken geben. Ja, Fake News halten den Betroffenen manchmal auch einen Spiegel vor, in dem man sich selbst und seine öffentliche Wirkung erkennen kann. Das ist meist nicht angenehm.

Und daher will das keiner. Wenn schon Fake News, dann machen wir es selbst und dann treffen sie auch die aus unserer Sicht Richtigen. Das ist die eigentliche Botschaft der Politiker aus Union, SPD, Grünen und Linken, die nun nach Löschungen, Regulierungen und Verboten schreien. Womit sie einer tiefgreifenden Beschneidung der Meinungsfreiheit das Wort reden, denn häufig sind die Grenzen zwischen einer absichtlichen Lüge, einem Irrtum oder einer abweichenden Interpretation fließend. Zudem erfüllen viele Fake News auch die Funktion der Satire, die die Wirklichkeit überspitzt, um die Realität in besonderer Schärfe zu beleuchten, wie es Alexander Wendt in seinem jüngsten Beitrag auf der Achse zeigt.

Es wird der Willkür Tür und Tor geöffnet

Wo kein klares Kriterium existiert, das böswillige Unterstellungen von bloßen Fehlern oder gar Witzen unterscheidet, wird der Willkür Tür und Tor geöffnet. Zumal, wenn in Gremien Vertreter aus der Politik und aus Journalistenverbänden über Fakes in den News entscheiden und Onlinepublikationen nach Belieben an den Pranger stellen dürfen, wie es SPD-Oppermann bereits fordert. Aus der Union kommen ähnliche Ideen bis hin zu einer "Prüfstelle", die nicht genehme Publikationen zu kennzeichnen habe. Von schärferen Strafen ist die Rede, die offensichtlich über die bereits existierenden Gesetze  gegen Rufschädigungen und Beleidigungen hinausgehen sollen .

Zur Meinungsfreiheit aber gehört zwingend auch die Angstfreiheit, seine Auffassung ohne die Gefahr einer Sanktionierung äußern zu dürfen. Die Vorstellung, die Verbreitung falscher Meldungen ausgerechnet auf Basis einer Bewertung durch diejenigen zu bestrafen, die das Täuschen und Tricksen in ihrer Kommunikation schon immer intensiv betreiben, verrät einen seinem Wesen nach totalitären Anspruch. Wahrheit ist nur noch, was die Regierung verbreitet oder gutheißt und ihre Meinung dazu dürfen öffentlich nur mehr die Leitartikler in den großen Magazinen und Zeitungen und die Kommentatoren im heute journal und in den Tagesthemen kundtun?

Sicher, Lügen sind kein Mittel der Auseinandersetzung und dürfen auch nicht verharmlost werden. Aber gegen Lügen hilft kein Verbot, es hilft nur Aufklärung, damit sie einfacher erkannt und ihnen wirksamer entgegengetreten werden kann. Aufklärung, die uns gerade die vielen Online-Medien, ob soziale Plattformen, Blogs und Diskussionsforen, viel besser ermöglichen als früher. Aufklärung, die automatisch auch die Option beinhaltet, offizielle Begründungen und Rechtfertigungen für Entscheidungen aller Art - von der Flüchtlingspolitik bis hin zur Energiewende - zu überprüfen und zu hinterfragen.

Unsere Regierung möchte ihr Volk stattdessen augenscheinlich lieber dumm halten und sich selbst von Kritikern befreien. Anders ist die Motivation der von offizieller Seite gesteuerten oder unterstützten Kampagnen gegen "Fake News", gegen "Hatespeech" und gegen als "rechts" diffamierte Autoren kaum zu erklären. Am Ende der durch diese Initiativen angestoßenen Prozesse könnte eine umfassende Kontrolle der im Internet veröffentlichten Inhalte stehen, durch den Staat und durch Medienkonzerne.

Das mag manchen noch übertrieben vorkommen. Das mag wie eine Verschwörungstheorie, ja gar wie eine "Fake News" klingen. Aber wenn es eine ist, dann handelt es sich zumindest um eine nach allen Regeln der Kunst gestaltete. Sie verknüpft Tatsachen zu einer nicht undenkbaren Entwicklung, die die gegenwärtige Stimmungslage trifft. Den Faktencheck aber wird sie hoffentlich niemals bestehen. Denn manchmal lösen Fake News auch Aktivitäten aus, die der Falschmeldung alle Grundlagen entziehen, auf denen sie jemals wahr werden könnte.

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Wolfgang Kaufmann / 15.12.2016

Oft werfen Fake News nicht nur ein Licht auf die Sender und Empfänger des Signals, sondern auf das gesellschaftliche Klima. Die absurdesten Unterstellungen gegen kirchliche Würdenträger könnten hierzulande keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Gedankenexperiment: „Italienischer Bischof behauptet: Erde ist eine Scheibe“, „Polnischer Priester fordert: Die Frau gehört an den Herd“ – wie würde unsere postfaktische Öffentlichkeit darauf reagieren? Würde sie Geistliche gegen Generalverdacht verteidigen? Oder in klassenkämpferischer Süffisanz schweigen? Double standards!

Andreas Rochow / 15.12.2016

Danke, Herr Heller, Sie bringen es wieder einmal auf den Punkt. Ich bin überzeugt, dass bspw. ein Großteil der unfreiwillig DDR-Sozialisierten ein gutes Gespür dafür hat, wie gegenwärtig die ö.-r. Medien und die überregionalen Zeitungen die Pole Position im Wahrheitsmonopol anstreben. Nach Belieben werden wechselweise Falschmeldungen als Fake News oder der Zweifel als “Leugnung”, das Vorurteil als “Ressentiment” für den Empörungs-Shitstorm freigegeben - am besten orchestriert. Noch kontrollieren das wenige Nachrichtenagenturen. Die vielfach zur Diskreditierung einer neuen Partei wiederholte Lüge von deren Forderung eines Schießbefehls gegen Flüchtlinge, Kinder und Frauen konnte auch durch die in den sozialen Medien verbreitete Richtigstellung nicht aus der Welt geschafft werden. Wenn die Welt vom 14. Dezember 2016 (Druckausgabe B) auf Seite 1 unter einem Foto, auf dem sich Rex Tillerson und Wladimir Putin anlachen, in Titelschrift textet: “Putins neuer Außenminister”, ist das Fake und hat nichts auf Seite 1 einen seriösen Tageszeitung zu suchen! Das zeigt, wie auch als “Satire” verkleidete Fake News zum Erzielen bestimmter Effekte eingesetzt werden. Dieses Beispiel steht für den Missbrauch einer besonderen Meinungsmacht der Massenmedien, über die die sozialen Medien so nicht annähernd verfügen.

Carlos Schaffgotsch / 15.12.2016

Sie bringen es auf den Punkt, Herr Heller! Die Kampagne zur “Einhegung” von Nachrichten hat ja auch schon einen ersten Schmutz-Höhepunkt, nämlich der Umgang mit dem Unwort des Jahres: “postfaktisch”. Früher war die Gesellschaft für die deutsche Sprache ein Verein von Schöngeistern, deren kleine PR-Maßnahmen, wie diese Auslobung von bemerkenswerten Neologismen, allenfalls zum Füllen einer Lücke in den Fernsehnachrichten diente. Seit einigen Jahren wurde sie zu einem Propagandafanal umfunktioniert, bei dem mit der Herausstellung Mythen verstärkt oder in die Welt gesetzt werden. Dieses Mal wurde das UdJ folgendermaßen vorgestellt: Aufmacher bei der Tagesschau, erstes Bild Duden-Eintrag, zweites Bild Trump im Wahlkampf - alles zugetextet mit der aufgesetzten Bedeutung Fakten würden übergangen und stattdessen eine demagogische Story erzählt (klingt für mich eigentlich wie die Richtlinie mancher Sendung!). Honi soit qui mal y pense? Nein: Zivilgesellschaft lass dich nicht verarschen!

Roland Müller / 15.12.2016

Ich habe den Eindruck, das so mancher Politiker und Pressevertreter es für seine patriotische Pflicht hält, Propaganda und Desinformation zu verbreiten. Die arroganten Herrschaften glauben wohl daran, das es einen Unterschied zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Falschmeldungen gibt. Also das das gemeine Volk zu dumm ist, zu erkennen welche Falschmeldungen gerechtfertigt sind, die nach ihren verworrenen Vorstellungen der “richtigen Sache bzw. der richtigen Seite” dienen und sich deshalb den Mundtot verdient hat.

Thomas Schade / 15.12.2016

Es wurde auch behauptet, dass überwiegend akademisch gebildete syrische Flüchtlinge nach Deutschland kämen. Waren diese Behauptungen nun Fake News, Lügen, Ungenauigkeiten oder war bzw. wird es jetzt Satire?

Haferburg Manfred / 15.12.2016

Es sprach der König zum Kardinal: “Halt Du sie dumm, ich mach sie arm”.

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