Falschmeldungen, die früher verharmlosend als „Ente“ oder schon deutlich kritischer als Propaganda angesehen wurden, heißen heute „Fake News“. Der neue Begriff ist geänderten Umständen geschuldet, denn durch den rasanten Bedeutungszuwachs der Kommunikation in sozialen Medien und mittels anderer digitaler Plattformen vermag mittlerweile jeder Bürger erfolgreiche Fake News zu konstruieren und zu verbreiten, was vor noch gar nicht allzu langer Zeit ein Privileg der Politik und der etablierten Medien darstellte. Man darf diese beiden Gruppen daher durchaus verdächtigen, die aktuelle Debatte über den Umgang mit unwahren Behauptungen aus Frustration über den Verlust ihrer Monopolstellung zu führen.
Dabei haben sie es doch wirklich gut gemacht. Mittlerweile schon als Klassiker anzusehende Fake News wie „Peak Oil“, Waldsterben oder Klimakatastrophe üben eine wichtige Vorbildfunktion für alle jüngeren Kampagnen aus. Konstruktionsprinzipien und Zielstellungen solcher sogar regierungsamtlich verbreiteter und vor allem durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk multiplizierter Märchen haben sich bewährt und finden sich in jüngeren Kommunikationsoffensiven wieder, in denen es beispielsweise gegen die grüne Gentechnik, gegen die Kernenergie, gegen Fracking, Feinstaub oder Stickoxid geht.
Immer basieren Fake News auf unbestreitbaren Tatsachen. Sonst wären sie allzu leicht durchschaubar. Ja, natürlich sind die Ressourcen auf diesem Planeten endlich, weil das Volumen der Erde begrenzt ist. Ja, natürlich gibt es anthropogene Einflüsse auf das Klima, auch und gerade durch Kohlendioxid-Emissionen. Ja, natürlich gibt es Schäden an Bäumen, als deren Ursache Industrieabgase in Frage kommen. Auf dieser Basis entwickelt sich die Täuschung entlang einer mal kürzeren, mal längeren Argumentationskette, deren einzelne Schritte durchaus plausibel erscheinen.
Am Ende geht dem Fake die Puste aus
Der aber trotzdem am Ende die Puste ausgeht, da sie den Realitätscheck nicht besteht. Die Erde ist schlicht zu groß, als daß es jemals eine Ressourcenknappheit geben könnte, solange immer wieder neue Bergbautechnologien entwickelt werden. Die Wälder sind viel robuster und Verfahren zur Abgasreinigung funktionieren besser, als gedacht. In apokalyptischen Klimaszenarien werden nicht nur die Anpassungsfähigkeit des Menschen, sondern auch die positiven Folgen von Klimaveränderungen und die Macht natürlicher Faktoren unterschätzt. Gene sind nicht gefährlich, in Fukushima gibt es keine Strahlenopfer und Fracking verseucht das Trinkwasser nicht. Die Fakes in den News können entlarvt werden, wenn man sich nur die Mühe macht, zu hinterfragen und zu recherchieren.
Trotzdem wird die auf Unwahrheiten oder einseitigen Interpretationen basierende Propaganda niemals sterben. Weil ihre eigentliche Motivation nicht nur in der konkreten Botschaft besteht, sondern auch in dem mit dieser verfolgten Zweck. Der schlicht die Motivation von Wählern sein kann oder die Steigerung der Auflage. Auch wird häufig die Schaffung eines gesellschaftlichen Klimas angestrebt, in dem sich mit der Täuschung nicht unmittelbar verknüpfte politische Ideen besser durchsetzen lassen.
Fake News zeigen ihrem Macher auf, mit welchen Themen die Menschen, oft auf emotionaler Ebene, gut erreicht werden können. Welchen Thesen sie sich anschließen, welche sie weiterverbreiten und welche Forderungen sie aktiv unterstützen. Gut gebaute Fake News mit langer Lebensdauer und hoher Breitenwirkung sagen mindestens so viel über ihre Adressaten aus, wie über ihre Ersteller. So können die oben genannten Meme allesamt nur überleben, weil in Deutschland ein Desinteresse an Technik auf einen Mangel an naturwissenschaftlicher Bildung trifft. Das ist peinlich, für die Umweltaktivisten und für die Marketing-Abteilungen betroffener Unternehmen gleichermaßen.
Durch das Internet haben nicht nur themenorientierte Kampagnen, sondern auch personenbezogene Fake News Auftrieb erhalten. Aktuell trifft es Renate Künast und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoguz. Künast wird ein Kommentar zugeschrieben, in dem sie den mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder der Freiburger Studentin Maria L., einen afghanischen Migranten, in Schutz nimmt. Özoguz wird mit der Forderung nach einer zusätzlichen Steuer zur Finanzierung von Integrationsmaßnahmen zitiert. Beides ist falsch. Beide Politikerinnen haben nicht gesagt, was man ihnen in den Mund legt. Beide Lügen aber haben sich rasant in den sozialen Medien verbreitet und sind tausende Male geteilt worden.
Fake News halten manchmal auch einen Spiegel vor
Weil es nach Auffassung vieler Menschen hätte stimmen können. Nach all dem Unfug, den beide in Bezug auf die Flüchtlingskrise schon von sich gegeben haben, wurden die erfundenen Äußerungen schlicht als denkbar erachtet. Und das sollte Frau Künast und Frau Özoguz zu denken geben. Ja, Fake News halten den Betroffenen manchmal auch einen Spiegel vor, in dem man sich selbst und seine öffentliche Wirkung erkennen kann. Das ist meist nicht angenehm.
Und daher will das keiner. Wenn schon Fake News, dann machen wir es selbst und dann treffen sie auch die aus unserer Sicht Richtigen. Das ist die eigentliche Botschaft der Politiker aus Union, SPD, Grünen und Linken, die nun nach Löschungen, Regulierungen und Verboten schreien. Womit sie einer tiefgreifenden Beschneidung der Meinungsfreiheit das Wort reden, denn häufig sind die Grenzen zwischen einer absichtlichen Lüge, einem Irrtum oder einer abweichenden Interpretation fließend. Zudem erfüllen viele Fake News auch die Funktion der Satire, die die Wirklichkeit überspitzt, um die Realität in besonderer Schärfe zu beleuchten, wie es Alexander Wendt in seinem jüngsten Beitrag auf der Achse zeigt.
Es wird der Willkür Tür und Tor geöffnet
Wo kein klares Kriterium existiert, das böswillige Unterstellungen von bloßen Fehlern oder gar Witzen unterscheidet, wird der Willkür Tür und Tor geöffnet. Zumal, wenn in Gremien Vertreter aus der Politik und aus Journalistenverbänden über Fakes in den News entscheiden und Onlinepublikationen nach Belieben an den Pranger stellen dürfen, wie es SPD-Oppermann bereits fordert. Aus der Union kommen ähnliche Ideen bis hin zu einer "Prüfstelle", die nicht genehme Publikationen zu kennzeichnen habe. Von schärferen Strafen ist die Rede, die offensichtlich über die bereits existierenden Gesetze gegen Rufschädigungen und Beleidigungen hinausgehen sollen .
Zur Meinungsfreiheit aber gehört zwingend auch die Angstfreiheit, seine Auffassung ohne die Gefahr einer Sanktionierung äußern zu dürfen. Die Vorstellung, die Verbreitung falscher Meldungen ausgerechnet auf Basis einer Bewertung durch diejenigen zu bestrafen, die das Täuschen und Tricksen in ihrer Kommunikation schon immer intensiv betreiben, verrät einen seinem Wesen nach totalitären Anspruch. Wahrheit ist nur noch, was die Regierung verbreitet oder gutheißt und ihre Meinung dazu dürfen öffentlich nur mehr die Leitartikler in den großen Magazinen und Zeitungen und die Kommentatoren im heute journal und in den Tagesthemen kundtun?
Sicher, Lügen sind kein Mittel der Auseinandersetzung und dürfen auch nicht verharmlost werden. Aber gegen Lügen hilft kein Verbot, es hilft nur Aufklärung, damit sie einfacher erkannt und ihnen wirksamer entgegengetreten werden kann. Aufklärung, die uns gerade die vielen Online-Medien, ob soziale Plattformen, Blogs und Diskussionsforen, viel besser ermöglichen als früher. Aufklärung, die automatisch auch die Option beinhaltet, offizielle Begründungen und Rechtfertigungen für Entscheidungen aller Art - von der Flüchtlingspolitik bis hin zur Energiewende - zu überprüfen und zu hinterfragen.
Unsere Regierung möchte ihr Volk stattdessen augenscheinlich lieber dumm halten und sich selbst von Kritikern befreien. Anders ist die Motivation der von offizieller Seite gesteuerten oder unterstützten Kampagnen gegen "Fake News", gegen "Hatespeech" und gegen als "rechts" diffamierte Autoren kaum zu erklären. Am Ende der durch diese Initiativen angestoßenen Prozesse könnte eine umfassende Kontrolle der im Internet veröffentlichten Inhalte stehen, durch den Staat und durch Medienkonzerne.
Das mag manchen noch übertrieben vorkommen. Das mag wie eine Verschwörungstheorie, ja gar wie eine "Fake News" klingen. Aber wenn es eine ist, dann handelt es sich zumindest um eine nach allen Regeln der Kunst gestaltete. Sie verknüpft Tatsachen zu einer nicht undenkbaren Entwicklung, die die gegenwärtige Stimmungslage trifft. Den Faktencheck aber wird sie hoffentlich niemals bestehen. Denn manchmal lösen Fake News auch Aktivitäten aus, die der Falschmeldung alle Grundlagen entziehen, auf denen sie jemals wahr werden könnte.