Ramin Peymani, Gastautor / 20.09.2017 / 06:14 / Foto: Dragospl / 11 / Seite ausdrucken

Die Politik immunisiert sich gegen die Wähler

Von Ramin Peymani.

Seit Jahren lenke ich die Aufmerksamkeit darauf, wie sich die politischen Parteien in Deutschland unsere Demokratie immer weiter einverleiben. Ich habe an die Bürgergesellschaft appelliert, sich gegen den Parteienstaat zur Wehr zu setzen, um die Errichtung weiterer Abschottungsstrukturen, Selbstbedienungsbudgets und Demokratieumgehungen zu unterbinden. Von der Kandidatenauswahl für die Parlamente, über die Mitbestimmung der Bürger bei wichtigen politischen Weichenstellungen, bis hin zur Direktwahl führender Staatsämter reicht die Liste der Vorschläge.

Auch die Festschreibung persönlicher und fachlicher Zugangsvoraussetzungen für den Beruf des Politikers, die Einführung einer Amtshaftung und die Begrenzung von Amtszeiten gehören dazu. Am dringendsten erscheint jedoch das Kappen der üppig in die Parteikassen fließenden Steuergelder und das Aufbrechen der intransparenten Finanzbeziehungen zwischen den Parteien und ihren jeweiligen Stiftungen.

Längst hat sich ein Apparat verselbständigt, der von den Vätern der Demokratie dazu erdacht worden war, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, sich heute aber als dessen Vormund versteht. Zugleich hat sich die Berufspolitik immer weiter von der Bevölkerung entfernt. So sehr, dass sie inzwischen in einer Parallelwelt um sich selbst kreist. Aus ihren Elfenbeintürmen regieren mächtige Koalitionen an Wahlvolk und Parlamenten vorbei. Fraktionen sind längst zu Befehlsempfängern der Parteiführungen geworden, unabhängige Abgeordnete so selten wie ein weißer Rabe.

Gerade einmal 1,3 Millionen Menschen sind hierzulande Mitglied einer politischen Partei. Ein Bruchteil von ihnen betätigt sich aktiv, kandidiert für kommunale und überregionale Parlamente oder arbeitet in offiziellen Parteifunktionen mit. Ein noch viel kleinerer Teil steuert alles, was in diesem Land politisch passiert. So kann Demokratie nicht funktionieren. Wer dies bemängelt, muss sich entgegnen lassen, er solle einer Partei beitreten, nur dort könne man Demokratie aktiv gestalten. Ein gerne genommenes Totschlagargument, das an der Realität allerdings vorbeigeht.

Gehaltsautomatik statt Diätendiskussion

Die sieht nämlich so aus, dass ein fast undurchdringlicher innerer Zirkel weniger hochrangiger Parteifunktionäre bestimmt, wer Zugang zu Ämtern, Mandaten und Gremien bekommt. Zwar entscheiden offiziell Mitgliederversammlungen über die Besetzung von Positionen und Wahllisten, doch haben die Parteifürsten in aller Regel zuvor dafür gesorgt, dass ihnen genehme oder zumindest ungefährliche Kandidaten gekürt werden.

Ähnlich verhält es sich oft auch mit Parteitagsdelegierten, die handverlesen werden, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Trotz aller Vorbereitung liefert eine Inszenierung nicht immer das gewünschte Ergebnis, doch passiert dies derart selten, dass ungeplante Wahlausgänge in den Führungsgremien der Parteien einem Erdbeben gleichkommen. Da passt es ins Bild, dass es als „Kampfkandidatur“ gilt, sich neben dem erklärten Wunschkandidaten der Parteispitze für eine Aufgabe zu bewerben.

Immer geht es um Macht. Vor allem in der Berufspolitik, in der die Existenz vieler Mandatsträger vom Parteienstaat abhängt. Aber auch jene Parteivorderen, die ihre Schäfchen bereits im Trockenen haben, denken vielfach nur noch in Machterhaltungskategorien. Politische Prinzipien und klare Überzeugungen stören da nur. Lästige Diätendiskussionen erst recht. Und so haben die Parteien längst dafür gesorgt, dass ihre Berufsparlamentarier per Steigerungsautomatik entlohnt werden. Auch die Basissätze für die Parteienfinanzierung wurden angehoben und die Regularien angepasst, um lästige neue Mitbewerber abzuwehren.

Nun soll die Ausdehnung der Wahlperiode auf 5 Jahre den Bundestag länger gegen den Wählerwillen immun machen. Vertreter aller derzeit im Parlament vertretenden Parteien unterstützen einen neuen entsprechenden Vorstoß. Parteiübergreifend herrscht Einigkeit, das Projekt zügig angehen zu wollen. Wer ab 2021 ins höchste deutsche Parlament gewählt wird, darf sich fünf Jahre lang über mehr als 10.000 Euro pro Monat freuen – künftige Steigerungen noch nicht eingerechnet. Da reicht bereits eine Legislaturperiode aus, um als Volksvertreter bis zu einer Dreiviertelmillion Euro einzustreichen. Dafür brauchen viele der Vertretenen ein ganzes Berufsleben. Zusätzlich verschaffen sich die Bundestagparteien immer mehr Abgeordnetenplätze, indem verfassungsrechtlich dringend angemahnte Reformen zur Eindämmung der Überhang- und Ausgleichsmandate auf die lange Bank geschoben werden. Schon jetzt ist absehbar, dass der kommende Bundestag der größte sein wird, den es jemals gab. Der Parteienstaat ist außer Kontrolle geraten. Wir Bürger haben zu lange zugeschaut.

Ramin Peymani ist freier Autor und Publizist. Er betreibt unter http://www.liberale-warte.de einen Politik-Blog.

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Michael Gröschl / 20.09.2017

“Ich erhöh Euch die Steuern, Ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern, das ist das Geile an der Demokratie….” sang schon der Gas-Gerd vor 15 Jahren. Versager mit Zugang zur Selbstalimentierung, ab wann dann auf Lebenszeit. Oder wie war das mit der lebenslangen Leibrente für den Grüsaugust?

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