Bernhard Lassahn / 14.07.2020 / 06:20 / Foto: Tagesschau/Screenshot / 71 / Seite ausdrucken

Die Plattfüße von Professor Drosten (2): Die Verbreitungs-Toten

Die Corona-Experten, auf die wir hören – allen voran der Starvirologe Professor Drosten –, operieren mit Zahlen, die sie überhaupt nicht kennen können. Sie malen Tote an die Wand, die es nicht gibt und sie verbreiten vorsätzlich Panik. Die Spezialisierung auf den Faktor Verbreitung, den die Virologen vorzugsweise in den Blick nehmen, ist – um es in ihren Worten zu sagen – „schädlich“ und „gefährlich“. 

Das sind schwere Vorhaltungen. Die hatte ich im ersten Teil meiner Stiluntersuchung erhoben. Stiluntersuchen werden auch in einem satirischen Gedicht von Kästner erwähnt. Damit wird festgestellt, dass Cäsar Plattfüße hatte. Ich wiederum wollte mit einer Sprachanalyse den Denkfehlern, die einem Text von Christian Droste zugrunde liegt, auf die Spur kommen. 

Im ersten Teil ging es um die Zusammenhänge, die unterstellt werden. Nun sehe ich mir die Beispiele in dem dramatischen Warnruf , der in der New York Times veröffentlicht wurde, genauer an. Über 100 Ärzten hatten Facebook aufgefordert, „gefährliche Fehlinformationen“ im Internet zu löschen. Der „Tagesspiegel“ berichtet:

„Fake-News über das Coronavirus: Drosten und über 100 Ärzte warnen vor Lügen-Pandemie“, so lautet die Überschrift. Weiter geht es: „Desinfektionsmittel trinken, Symptome schönreden – Corona-Fake-News verbreiten sich rasant. In einem Offenen Brief fordern Ärzte Korrekturen von Facebook und Co.“

Wo tut es denn weh?

Schon an dieser Stelle hatte ich mich gefragt: Warum äußert sich eigentlich jemand wie Drosten aus freien Stücken zu Facebook und zu Fake News? Niemand erwartet, dass ausgerechnet er dazu eine qualifizierte Meinung hat. Hat er auch nicht. Man kann jedoch erwarten, dass er weiß, was eine Pandemie ist, wie man sie erkennt, einordnet und behandelt. 

Ich hätte mich nicht gewundert, wenn er gesagt hätte: „Ich bin Virologe, zum Thema Fake News möchte ich lieber nichts sagen.“ Ich hätte mich auch nicht gewundert, wenn er gesagt hätte: „Was auch immer man aktuell bei Facebook beobachten kann, mit einer Pandemie hat das nichts zu tun.“ Ich wundere mich aber schon, wenn er von einer „Lügen-Pandemie“ spricht.

An solchen Neologismen – an sogenannten Koffer- oder auch Klammer-Worten – zeigt sich der Meister oder eben der Dilettant. Da ist erhöhe Aufmerksamkeit geboten, denn viele dieser Klammer-Worte stammen aus der Trickkiste von Betrügern und Demagogen. Oder sie werden von Sensations-Journalisten benutzt, die schon solche Wortungeheuer wie „Corona-Tote“ und „Corona-Leugner“ hervorgebracht haben. 

Deshalb habe ich eigene Wortschöpfungen gebildet, die ich den Kampfbegriffen entgegenhalten will: „Virologen-Zensur“, heißt der erste Teil, „Verbreitungs-Tote“ dieser. Doch zunächst schaue ich mir die „Lügen-Pandemie“ genauer an: Es ist eine üble Missbildung. Sie tut weh. „There is a crack in everything, that’s how the light gets in”, heißt es bei Leonard Cohen. Fehler sind verräterisch und aufschlussreich. Sie bringen Sherlock Holmes auf die Spur.  

„Wo tut es denn weh?“, fragen auch Ärzte, wenn sie durch die Identifizierung des Wehwehchens herausfinden wollen, was für eine Krankheit vorliegt. Das Wort „Lügen-Pandemie“ ist so ein Aua. Eine „Lügen-Pandemie“ gibt es nämlich nicht. „Lügen-Pandemie“ ist ein unzulässig zusammengesetztes Wort, das aus zwei Teilen besteht, die nicht zusammenpassen. Eine Pandemie hat einen einzigen (!) Erreger – „Lügen“ wiederum ist ein Plural. Das passt nicht zusammen. Singular oder Plural – was denn nun? 

Das Bild stürzt von der Wand

Das ist keine Kleinigkeit, keine pedantische Sprachbetrachtung: An der Singular-Plural-Schlamperei hängen alle Aussagen des Textes und erweisen sich als falsch. Das ganze Bild sollte an diesem einen Nagel aufgehängt werden. Doch der Nagel hält nicht. Das Bild stürzt ab. Das merken wir schnell, wenn wir uns zwei Beispielsätze ausdenken: einen mit Singular, einen mit Plural. Wir werden dann sehen, dass beides nicht passen würde.

Erstens Singular: Wenn die Überschrift lauten würde: „Drosten und 100 Ärzte warnen vor einer äußerst gefährlichen Lüge, die sich wie eine Pandemie verbreitet“, dann würden wir sofort nachfragen: Oh, weh! Um welche Lüge handelt es sich denn? Etwa um die Lüge, dass der Lockdown eine unnötige Panikreaktion war (falls das als Lüge gelten soll)? Eben das wissen wir nicht, weil sich diese eine große Lüge, um die es gehen könnte, nicht zu erkennen gibt. Sie versteckt sich in einer diffusen Menge. Worum geht es also? 

Probieren wir das Gegenbeispiel. Zweitens Plural: Hieße die Überschrift: „Drosten und 100 Ärzte warnen vor diversen Lügen zu unterschiedlichen Themen, die sich wahllos im Internet verbreiten“, dann würden wir uns fragen, ob die Ärzte gerade nichts Besseres zu tun haben und warum sie sich auf Nebenschauplätze tummeln, auf denen sie sich nicht auskennen. In dem Fall ginge es um nichts von Bedeutung.

Es ist jedoch ernst. Mit dem Lockdown und mit Maßnahmen wie der Maskenpflicht retten wir Leben (jedenfalls theoretisch), die Kollateralschäden wiederum gefährden ihrerseits Leben (auch theoretisch). Wir müssen also abwägen und gut begründen, welche Maßnahmen angemessen sind. In so einer Situation sollten sich die Corona-Experten nicht um das Internet kümmern – auch nicht, wenn auf ihrem Computer gelegentlich ein Virus auftaucht.

Wie verbreitet ist die Pandemie?

Das Doppelwort „Lügen-Pandemie“ ist an beiden Enden krank. Die Experten offenbaren damit – vermutlich unfreiwillig – ein fehlerhaftes Verständnis von den sogenannten Fake News, also von den gefährlichen „Lügen“, vor denen sie warnen (ohne sagen zu können, welche sie überhaupt meinen), und gleichzeitig offenbaren sie ein falsches Verständnis von einer „Pandemie“. In Zeiten, als Boris Becker noch unser sportlicher Held war, hatten wir ein neues Wort gelernt: Doppelfehler. Damit haben wir es hier zu tun. 

Die Experten halten die Lügen-Pandemie für etwas, das bösartig und gefährlich ist, und sie schreiben, dass eine „Flutwelle an falschen und irreführenden Inhalten“ – Achtung! – „tödliche Folgen hat.“ Es ist also ernst. Doch um welche Inhalte geht es überhaupt? Und wie sieht es wirklich mit der Verbreitung und mit der Gefährlichkeit aus? Sie geben zwei Beispiele:

„Berichte, in denen behauptet wird, dass Kokain ein Heilmittel sei oder dass COVID-19 von China oder den USA als biologische Waffe entwickelt wurde, haben sich schneller verbreitet als das Virus selbst.“

Schon falsch! Wer so etwas sagt, hat sofort unser Vertrauen verspielt; denn er behauptet etwas, das er gar nicht wissen kann. Die Verbreitung von Berichten über Kokain und über biologische Waffen im Internet kann man gar nicht erforschen. Hat das jemals jemand untersucht? Wie? Mit welcher Methode? Wurde etwa ein Test gemacht? Wer hat den gemacht? Wieso? Wann? 

Gerüchte über Wunderwirkungen von Kokain und Spekulationen über biologische Waffen sind schon lange im Umlauf und waren es schon vor Facebook und vor Corona. Bleiben wir beim Thema: Wir wollten etwas über die Gefährlichkeit und die Verbreitung der Pandemie erfahren, nicht etwas vom Ursprung oder von Möglichkeiten der Heilung. Die Beispiele stimmen nicht. Ich wundere mich, dass offenbar viele das überlesen können, ohne stutzig zu werden. Das ist heiße Luft mit drohendem Unterton. 

Fehlalarm Verbreitung 

Die Experten bringen noch ein weiteres missglücktes Beispiel und versuchen bei der Gelegenheit, mit imposanten Zahlen darüber hinwegzutäuschen, dass sie über die Verbreitung tatsächlich nichts wissen und dass ihre Behauptung die „irreführenden Inhalte“ würden sich „schneller“ verbreiten als das Virus, selbst Fake News sind:

„Diese Lügen sind von Bedeutung, weil sie falsche Heilmittel (?) anpreisen oder die Menschen von Impfungen (?) und wirkungsvollen Behandlungen (?) abbringen wollen. Und sie haben eine große Reichweite -- ein Beitrag auf Facebook, laut dem Ingwer 10.000-mal effektiver bei der Krebsbekämpfung sein soll als eine Chemotherapie, wurde fast 30.000-mal geliked, geteilt und kommentiert.“

Ist das eine große Reichweite? Nein. Die ist unbedeutend. Die Angaben sind sowieso nutzlos. Welcher Zeitraum wurde berücksichtigt? Welcher Sprachraum? 30.000-mal – das soll viel sein? Im Vergleich wozu? Sie sagen es nicht. Sie wissen es nicht. Ich wundere mich schon wieder: Gab es da keine kritische Instanz? Kein Lektorat? Keine Redaktion, die eingegriffen und gesagt hätte: Das kann man so nicht drucken!? Das sind Eigentore. Wenn man auch nur kurz darüber nachdenkt, fällt das sofort in sich zusammen. 

Die Experten nennen kein einziges gültiges Beispiel. Deshalb können sie auch keine gültigen Aussagen zur Verbreitung und Gefährlichkeit machen. Sie machen Aussagen, die sie gar nicht treffen können. Es weiß niemand, wovon sie überhaupt reden. Wovor sie so dringend warnen. Sie tun es dennoch und wählen dabei die schlimmste Version. Die Verbreitung sei „rasant“, sei „schneller“ als die Verbreitung von Covid-19, sie sei gefährlich – hochgefährlich. Mehrmals ist im Text vom Tod die Rede. Das ist kein Wink mit dem Zaunpfahl, das ist ein Wink mit dem Sargdeckel.

Aber wo sind die Toten? 

Wie gefährlich sind diese „Lügen“, die sich über Facebook verbreiten, denn nun wirklich? Nehmen wir das Ingwer-Beispiel, bei dem es übrigens um Krebs – nicht etwa um Corona – geht, falls das noch nicht aufgefallen ist. Wie groß ist die Gefahr, dass jemand auf eine Chemo-Therapie verzichtet, weil er im Internet gelesen hat, dass Ingwer besser wäre? Ich halte sie für äußerst gering. Wenn der Kranke später stirbt, woran ist er dann gestorben? An Fake News? Ist es dann nicht etwa ein Corona-Toter, sondern ein Lügen-Toter?

Warum haben sich die Experten gerade dieses Paradebeispiel gewählt? Es ist mir unverständlich. War es wegen der marktschreierischen Behauptung, dass Ingwer „10.000-mal effektiver“ sei als eine Chemotherapie? Die entlarvt sich doch selbst. Wer so etwas behauptet, redet über Dinge, die er nicht wissen kann. Wer mit so eine Zahl auftrumpft, will bluffen. Vielleicht kommt den 100 Ärzten das vertraut vor. Mit so einer Zahlenangabe disqualifiziert sich der Beitrag von Anfang an. Da muss ich nicht weiterlesen. Ich würde nichts von jemandem kaufen, der behauptet, dass sein Angebot 10.000-mal besser ist als das, was anderswo angeboten wird. 

Virologen denken offenbar anders. Sie ignorieren die natürlichen Abwehrkräfte und die Schutzmaßnahmen, die Menschen von sich aus ergreifen. Sie halten den Internet-User für jemanden, der auf jeden Quatsch reinfällt. Sie haben ein sehr, sehr schlechtes Bild von den Adressaten, bei denen eine Falschmeldung oder ein Virus ankommt. Sie halten die Empfänger für sehr, sehr schwach. Geistig und gesundheitlich. Sie haben ein dermaßen schlechtes Bild von den Betroffenen, dass man sagen kann: Sie haben ein falsches Bild. Sie sind Experten für die Verbreitung von einem Virus und gehen davon aus, dass er grundsätzlich alle trifft. Wenn es regnet, werden alle nass, auch wenn fast alle zu Hause im Trocknen bleiben und die wenigen, die dennoch rausgehen, einen Regenschirm nutzen.

Fehlalarm Gefährlichkeit

Denken wir uns die maßlose – und ohnehin unsinnige – Übertreibung weg und belassen wir es bei der Meinungsäußerung, dass Ingwer „effektiver“ sein kann als Chemo. Na und?! Damit ist nicht gesagt, dass eine Chemotherapie nicht ebenfalls effektiv sein kann, nur eben weniger effektiv – was nur für Leute relevant ist, die an Komparativen interessiert sind, auf die es nicht ankommt. Es ist außerdem gar nicht gesagt, dass man nicht auch beides gleichzeitig versuchen kann. Also – wie sieht es aus? Die Verbreitung dieser Fehlmeldung ist nicht nachweisbar, vermutlich ist sie sehr, sehr gering, eine Gefährlichkeit ist nicht vorhanden. Wieso lassen wir uns von solchen Warnungen beeindrucken? 

Ärzte müssten wissen, dass Patienten, die mit einer Krebsdiagnose konfrontiert sind, nach jedem Strohhalm greifen, der ihnen Rettung verspricht. Wenn sich herausstellt, dass die Heilmittel, auf die sich die Verzweifelten stürzen, nicht helfen, ist das schlimm für sie. Aber sind die „falschen Heilmittel“ deshalb schon gefährlich? Richten sie „Schäden“ an? Verbreiten sie „Angst“? Sind sie nicht vielmehr eine hilflose Reaktion auf die Angst? Der Tagesspiegel zitiert Melanie Brinkmann, die auch zur Hundertschaft der Experten gehört:

„Falsche oder wissenschaftlich noch nicht eingeordnete Informationen verbreiten sich oft wie ein Lauffeuer“, sie könnten „unnötig Angst verbreiten und Schäden anrichten“, warnt Melanie Brinkmann. Beispiele dafür seien Berichte über das Auftreten aggressiverer Virusmutationen oder angeblich wirksame Heilmittel.“

Witwe Bolte prügelt den Hund

Es erinnert mich an Wilhelm Busch. Beim zweiten Streich von Max und Moritz angeln sich die beiden durch den Schornstein Brathühner aus der Pfanne. Witwe Bolte, die das nicht bemerkt hat, weil sie gerade im Keller war, hält Spitz, den Hund, für den Schuldigen und prügelt auf ihn ein: „Laut ertönt sein Wehgeschrei / denn er fühlt sich schuldenfrei.“

Wer ist der Übeltäter? Wer hat Berichte vom „Auftreten aggressiverer Virusmutationen“ (aggressiv, aggressiver, am aggressivsten …) veröffentlicht und damit „unnötig Angst“ verbreitet? Facebook? Nein! Ferner meint Melanie Brinkmann, dass … 

„ … Fehlinformation dazu geführt hätten, dass „viele Menschen lange nicht ins Krankenhaus gekommen sind“, Todesfälle hätten vermieden werden können. „In einer Krise wie dieser ist der Kampf gegen medizinische Fehlinformationen im Internet genauso wichtig wie Ausgangsbeschränkungen und Abstand halten“

Moment ... Was hat dazu geführt, dass „viele Menschen lange nicht ins Krankenhaus gekommen sind“? Wer hat die vermeidbaren „Todesfälle“ zu verantworten? Waren es die unbedeutenden Fehlinformationen auf Facebook? Oder waren es Max und Moritz?

Hier wird der falsche Hund geprügelt. Nur dass Melanie Brinkmann im Unterschied zur Witwe Bolte wissen müsste, dass Spitz in Wirklichkeit unschuldig ist, es sei denn, sie ist kurz zum Denken in den Keller gegangen. Die Todesfälle, die es gegeben hat, weil Menschen nicht ins Krankenhaus gekommen sind, gehören zu den Kollateralschäden des Lockdowns, den die Experten empfohlen haben. Wilhelm Busch müsste die Geschichte umschreiben: Witwe Bolte hat die Brathühner selber gegessen und drischt nun auf den Hund ein, um davon abzulenken.

Panikmacher auf der Suche nach einem Sündenbock

Wer hat die Panikmache zu verantworten? War es Facebook mit den Fake News? Nein. Es waren die widersprüchlichen Meldungen der WHO, der Regierungsstellen und der großen Leitmedien (Maske Nein – Maske Ja. Schwedisches Modell Ja – Nein – Doch). Die haben Angst, Unsicherheit und Panik verbreitet. Niemand konnte sich dem entziehen. Facebook hat in dem Zusammenhang keine Rolle gespielt. Viele nutzen Facebook sowieso nicht.

Vom Internet kann auch keine „Lügen-Pandemie“ ausgehen. Im Internet gibt es nämlich keine Fake News – wie wir merken werden, wenn wir uns den Ausdruck genauer ansehen. Fake News gibt es im Spiegel, in der ARD, in der New York Times … – kurz, in den Mainstream-Medien, die inzwischen gleichgeschaltet auf Regierungslinie sind. Nicht im Internet. Was sind überhaupt Fake News?

Wir können alle ein wenig englisch und meinen, wir wüssten, worum es geht, aber – Vorsicht! – Fake News ist ein tückisches Modewort aus der Trickkiste der Betrüger. Es ist eine Kippfigur: „News“ hat zwei Bedeutungen, es kann „Nachrichten“ heißen oder „Neuigkeiten“.

Im Reich der Freiheit

Die beiden Bedeutungen gehören unterschiedlichen Sphären an: In Zeitungen (also in den Mainstream-Medien) gibt es Nachrichten, die so heißen, weil man sich danach richten soll. Das ist tatsächlich so gemeint. Im Internet (also bei Facebook und Co.) gibt es Neuigkeiten, die uns nicht interessieren müssen. Danach müssen wir uns nicht richten.

In den Zeitungen gibt es Meldungen, bei Facebook gibt es Meinungen. Mit den Mainstream-Medien haben wir einen Vertrag, eine Art „Gesellschaftsvertrag“, wenn man so will, sie verlangen Geld für ihre Angebote und die besondere Qualität der Nachrichten, der Aufwand bei der Recherche und die Objektivität der Berichterstattung (falls vorhanden) rechtfertigen das auch. Dafür zahlen wir. Facebook is for free. 

Was auf Facebook vor sich geht, findet im „Reich der Freiheit“ statt – um einen großartigen Begriff in den Ring zu werfen, der an Hegel erinnert. Ich meine es ernst: Angriffe auf das Internet sind zugleich Angriffe auf die Freiheit. Das selbstständige Nein des Lesers ist der Dreh- und Angelpunkt, an dem die Freiheit hängt. Die Freiheit, Nein zu sagen, darf dem Leser nicht genommen werden. Wenn der Leser bevormundet wird und nicht mehr selbst entscheiden kann, ob er einen Text lesen will oder nicht, dann hat auch ein Autor nicht mehr die Freiheit, zu schreiben, was er will. Die Freiheit des Lesers, selber Nein zu sagen, korrespondiert mit der Freiheit des Autors.

So eine Freiheit ist ein wunderbares Ideal – ein Ideal, dass es in glücklichen Zeiten aufscheint. Als sich die unüberschaubaren Möglichkeiten des Internets auftaten, hat dieses Ideal eine Zeit lang verheißungsvoll gefunkelt. Nun ist es vorbei. Die Virologen-Zensur ist einer der letzten Sargnägel für die Freiheit im Netz. Die Unbefangenheit ist hinüber. 

Im Internet gibt es Katzenbilder, keine Zeitungsenten 

Was sind denn nun Fake News? Dirk Maxeiner hatte einst geschrieben, dass „Fake News“ früher auf den altdeutschen Namen „Zeitungsente“ hörten. Das heißt: im Internet gibt es keine Fake News. Denn im Internet gibt es keine Zeitungsenten. Das Internet ist nämlich keine Zeitung. Es ist ganz etwas anderes. Im Internet gibt es Katzenbilder, Rezepte, Schminktipps, Selbstdarstellungen und persönliche Meinungsäußerungen. Man kann die Beiträge liken oder disliken und sogar kommentieren. Das wiederum kann man bei Nachrichten nicht.

Die Bereiche vermischen sich, je mehr die Printmedien online gehen, doch man darf nicht vergessen, dass wir es hier mit grundsätzlich verschiedenen Welten zu tun haben und wir die Bedingungen der einen Welt nicht unreflektiert auf die andere übertragen dürfen. Wenn Melanie Brinkmann klagt, dass „ … wissenschaftlich noch nicht eingeordnete Informationen … unnötig Angst verbreiten und Schäden anrichten“, dann tut sie jedoch genau das.

Man muss die Sphären unterscheiden. Wer erwartet denn, dass es im Internet wissenschaftlich korrekt „eingeordnete Informationen“ gibt? Wahrscheinlich sind es dieselben Leute, die in Alaska nach Ananas Ausschau halten. Im Internet werden Informationen nicht wissenschaftlich korrekt eingeordnet. Das Internet ist keine Universität, kein Fachkongress. Oder, um es mit einem Beispiel zu sagen, das auf Ärzte zugeschnitten ist: Niemand erwartet, dass Maßnahmen zur Prostata-Prophylaxe bei Frauen angewendet werden. Das sind verschiedene Bereiche.

Präventive Maßnahmen und wirkungsvolle Behandlungen sind nicht dasselbe

Hier liegt noch eine weitere Verwechslung vor. In dem zitierten Beispiel für die behauptete Gefährlichkeit von Fake News wurde angeführt, Lügen auf Facebook würden Kranke von „wirkungsvollen Behandlungen“ abbringen wollen. Wirklich? 

Wie sollen wir uns das vorstellen? Etwa so: Ein Arzt will gerade eine wirkungsvolle Behandlung vornehmen, da sagt der Kranke: Moment, da muss ich erst mal auf Facebook nachgucken!? Nein. Übrigens ist es ganz unabhängig von Facebook längst so, dass sich Patienten in einem erstaunlich hohen Maße nicht an die Ratschläge der Ärzte halten und auch die Medikamente nicht in der vorgeschriebenen Dosis einnehmen. 

Hier ist noch mehr falsch. Die zeitliche Reihenfolge stimmt nicht: Die Lügner, die sich auf Facebook tummeln, müssten ja voraussehen können, welche Behandlungsmethoden im Krankheitsfall zu erwarten sind und dann vorab pauschal davon abzuraten. So ist es nicht. Das können die Falschmelder auf Facebook nicht. 

Es ist vielmehr so: Auf Facebook findet sich Kritik an den Maßnahmen zur Prävention: Masken tragen, zu Hause bleiben … Das ist etwas anderes. Hier werden unterschiedliche Personengruppen angesprochen: Mal geht es um Kranke (Heilmittel, Behandlungen), mal geht es um Gesunde (Ausgangsbeschränkungen). Die Virologen unterscheiden nicht. Aus ihrer Sicht sind alle vom Virus betroffen.

Die Maßnahmen zur Prävention werden auch von Experten aus der Welt außerhalb von Facebook kritisiert. Doch denen wird im Moment unter dem Diktat der Virologen-Zensur das Leben schwer gemacht, sie werden aus der öffentlichen Diskussion ausgesperrt, an den Rand gedrängt und persönlich angegriffen. Dabei zeigt gerade in der Art, wie mit Kritikern umgegangen wird, ob jemand souverän und glaubwürdig ist.

Die Corona-Reise in den Tod

Um das Durcheinander etwas aufzuräumen, habe ich ein kleines Modell erstellt. So können wir uns die verschiedenen Stationen der Reise besser vorstellen. Die Stationen sollte man unbedingt getrennt voneinander betrachten, denn sie sind nicht automatisch miteinander verbunden:

1. Virus – 2. Verbreitung – 3. Ansteckung – 4. Krankheit – 5. Tod. 

Das Schlagwort „Corona-Leugner“ bezieht sich auf die erste Station, auf das „Virus“. Das leugnet keiner. Das ist halt da. Es ist ein unsinniges Kampfwort. Dennoch wird es oft genutzt. Wer es tut, disqualifiziert sich selbst.

Die Kritik, gegen die sich die 100 Ärzte verteidigen, bezieht sich auf die Stationen 2 und 3. Sie betreffen die Frage nach der tatsächlichen „Verbreitung“ und Gefährlichkeit von Corona und die Frage nach den Maßnahmen, die getroffen werden, um eine „Ansteckung“ zu vermeiden.

Wenn dagegen von Heilmitteln die Rede ist oder von einer wirkungsvollen Behandlung, dann bezieht sich das auf die Station 4. Da finden wir diejenigen, die tatsächlich erkrankt sind. Es sind zum Glück nicht so viele. Die Mengen werden sowieso von den Stationen 2 bis 5 immer kleiner. Die Behandlung der „Krankheit“ steht nicht in der Kritik. Oder kaum. Es gibt hier und da Meinungsverschiedenen über den Einsatz von Beatmungsgeräten, doch da hält sich Facebook raus. Die Frage bleibt den Experten überlassen.

Der „Tod“ ist schließlich die Endstation 5.

Wie sind die Verbindungen?

Die Umsteigemöglichkeiten bei der Corona-Reise sind nicht so wie die Anschlüsse auf den Unterwegs-Bahnhöfen der Bundesbahn, die allerdings – wie wir oft erleben – nicht immer funktionieren, es aber theoretisch tun sollten. 

Alle Übergänge auf der Corona-Reise sind mit mehreren Fragezeichen behaftet. Wie viele schaffen es überhaupt, von einer Station zur anderen zu gelangen? Wie groß ist die Verbreitung? Kann eine weite Verbreitung mit einer großen Ansteckungsgefahr gleichgesetzt werden? Von welchen Faktoren ist eine Ansteckung sonst noch abhängig? In wie vielen Fällen führt eine Ansteckung zu einer ernsthaften Erkrankung? Wie sind bei einer Erkrankung die Chancen auf Genesung? Wie viele der Erkrankungen führen schließlich zum Tod? Ist der Tod noch von weiteren Faktoren abhängig? Fragen über Fragen. Eine bildhafte Übertragung der Problematik könnte so aussehen:

1. Virus – ??? – 2. Verbreitung – ??? – 3. Ansteckung – ??? – 4. Krankheit – ??? – 5. Tod

Ein tödlicher Kurzschluss

Es ist ein alter Hut. Besser gesagt: Es sind mehrere alte Hüte: Als Gottfried Benn als Arzt seinerzeit etwa 200 Leichen – darunter Selbstmörder – sezierte, um die Todesursachen festzustellen, hielt er als Erkenntnis fest, dass „Krankheit“ und „Tod“ zwei verschiedene Bereiche sind, die nicht unmittelbar miteinander verbunden sind. Dazwischen gehört kein Gleichheitszeichen. Ich kann mir vorstellen, dass er bei der heute üblichen Formulierung, jemand sei „an oder mit Corona“ gestorben, heftig den Kopf geschüttelt hätte.

Auch Ansteckung und Krankheit kann man nicht gleichsetzen. Der Text der über 100 Ärzte ist in diesem Punkt undeutlich. Sie unterscheiden nicht richtig. Heilung und Prävention werden in einer Klammer zusammengefasst und damit werden auch die Stationen 2, 3 und 4 kurzgeschlossen und „Verbreitung“, „Ansteckung“ und „Krankheit“ werden kurzerhand zusammengesehen. Das Denkmodell, das bei den hundert Ärzten zugrunde liegt, sieht – vereinfacht dargestellt – so aus:

Virus = Verbreitung = Ansteckung = Krankheit = Tod 

Oder noch kürzer: 

Verbreitung = Tod 

Das zeigt sich an der verräterischen Formulierung von der „tödlichen Verbreitung“ beim dramatischen Finale ihres Warnrufs. Da musste ich schlucken: tödliche Verbreitung. Noch einmal: tödliche Verbreitung! Damit wird nicht etwa die Verbreitung einer Sache, die eventuell (oder mit Sicherheit) tödlich ist, bezeichnet, damit wird die Verbreitung selber als etwas angesehen, das tödlich ist. Kann das sein? Kann allein schon die Verbreitung tödlich sein? Die Ärzte schreiben tatsächlich, die Tech-Giganten …

„ … sind dafür verantwortlich, der tödlichen (!) Verbreitung von Fehlinformationen entgegenzuwirken, um zu verhindern, dass soziale Medien unsere Gesellschaft kränker machen. Um Leben zu retten und das Vertrauen in die wissenschaftlich fundierte Gesundheitsversorgung wiederherzustellen, müssen die Tech-Giganten aufhören, die Lügen, Verdrehungen und Fantasien, die uns alle bedrohen, weiter anzufachen.“

Tödliche Verbreitung von Fehlinformationen. Das gibt zu denken. Es wäre kühn, von tödlichen Fehlinformationen zu sprechen. Da bräuchten wir sehr gute Beispiele. Die Ärzte sprechen als Virologen, die sich sowieso nicht mit Fehlinformationen im Internet auskennen. Aber mit der Verbreitung einer Pandemie. Sie sprechen hier auch von Verbreitung. Die nennen sie tödlich.

Achtung: Der Zug fährt ohne Halt durch bis zum Endbahnhof

Die Formulierung „tödliche Verbreitung“ verrät, dass in der Denkweise der 100 Corona-Experten alle Fragezeichen beseitigt sind. Die „Verbreitung“ führt direkt in den „Tod“. „Alle Anschlüsse werden erreicht …“, heißt es bei der Bahn. Hier ist es schlimmer: Der Zug fährt direkt durch, man kann nicht zwischendurch aussteigen und die Fahrt unterbrechen. Es gibt keine Notbremse. Kaum sind wir mit dem Virus in Berührung – schon sind wir tot. Es ist nicht etwa so, dass immer nur sehr wenige von einer Station zur anderen gelangen – wir werden alle direkt durchgecheckt wie ein Gepäckstück für eine Fernreise mit mehreren Zwischenlandungen.

Das sollte man sich mit Filzstift auf die Alltagsmaske schreiben: tödliche Verbreitung! Denn mit dem Befolgen der Maskenpflicht sollen wir auch genau das tun, was die Tech-Giganten tun sollen: Wir sollen der „tödlichen Verbreitung“ entgegenwirken. Dazu müssen alle mitmachen. Alle. In der Tyrannei der Angst gilt jede noch so kleine Schwachstelle als Bedrohung. 

Es ist ausweglos. Wenn es keine „tödliche Verbreitung“ geben sollte, dann muss man der auch nicht entgegenwirken. Dann wäre die Gesichtsmaske unnötig. Sie sind dann nur eine tägliche Horrorshow. Es gibt tatsächlich Leute, die nicht gerne das Haus verlassen, weil sie es nicht mehr mit ansehen können. Doch wenn allein schon die Verbreitung tödlich ist, dann hilft auch die Maske nicht. Einen perfekten Schutz, bei dem alle mitmachen, kann es sowieso nicht geben.

Fantasien, die uns alle bedrohen

Noch ein Begriff hat mir zu denken gegeben: „Fantasien, die uns alle bedrohen“. Ich habe mir überlegt, was damit gemeint sein könnte. Mir ist nur diese Fantasie einfallen: die Fantasie von einem Killervirus, das sich rasant verbreitet und bei dem schon die Verbreitung tödlich ist. 

Genau diese Fantasie ist es, die von den über 100 Ärzten angefacht wird. Sie tun zwar, als müssten sie vor bedrohlichen Fantasien warnen, doch sind sie es in Wahrheit selber, die damit Todesängste verbreiten und uns im Panik-Modus halten, aus dem es kein Entrinnen gibt. Es ist die Hölle.

Tödliche Verbreitung – das ist nicht bloß eine Formulierung, die den 100 Ärzten versehentlich herausgerutscht ist und die man nicht so ernst nehmen sollte. Man muss sie ernst nehmen. Sie ist mit Absicht in die Welt gesetzt. Sie ist nicht nur schädlich und gefährlich, sie ist – um ein Wort unserer Kanzlerin zu zitieren – „unverzeihlich“.

Den ersten Teil dieser Betrachtung finden Sie hier.

Foto: tagesschau/Screenshot

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Harald Unger / 14.07.2020

Es dürfte noch eine 5-stellige Zahl im Gebiet sein, die in der Lage sind, dieser Stiluntersuchung inhaltlich zu folgen. Die übrigen befinden sich im Zustand der geistigen Erschöpfung und Abwehr des Denkens. Angewiesen auf die Dauerinfusion des Regimes und seiner Medien. Eine infantilisierte Bevölkerung, die alles, wirklich alles mit sich machen lässt. Als nächstes sich die Aufhebung des persönlichen Stimmrechts abschwatzen lässt.

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