Ansgar Neuhof / 15.06.2016 / 12:19 / Foto: Tim Maxeiner / 26 / Seite ausdrucken

Die Petry-Lügen-Studie: Eine Ente aus dem Märchenland

Von Ansgar Neuhof.

Manche mögen es vielleicht gar nicht glauben – aber Journalismus ist ein Beruf, den man lernen kann. Es gibt sogar spezielle Ausbildungsbetriebe wie zum Beispiel die Kölner Journalistenschule. Die dortigen Auszubildenden, auch Volontäre genannt, durchlaufen eine vierjährige Ausbildung. Zwölf dieser Volontäre des Ausbildungsjahrgangs 2014 hatten eine durchaus interessante Idee. Sie untersuchten die Aussagen von sieben Politikern in Talkshows wie Maischberger oder Maybritt Illner auf ihren Wahrheitsgehalt.

Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, daß Frauke Petry die meisten Falschaussagen gemacht habe; immerhin 15,8% ihrer Tatsachenbehauptungen seien komplett falsch. Die Zeitung „Die Welt“ titelte daraufhin: „Studie entlarvt Petry als Falschaussagen-Spitzenreiterin“. Diese Schlagzeile wird durch nichts weiter untermauert als durch den Hinweis auf die Studie der Kölner Volontäre. Die Mühe, die Ergebnisse dieser Studie zumindest einem oberflächlichen Faktencheck unterzogen zu haben, ersparten sich die Welt-Redakteure. Aus gutem Grund: sonst hätten sie ihre „schöne“ Schlagzeile nicht bringen können.

Bloß keine steile These kaputtrecherchieren - besonders wenn es um die AFD geht

Insgesamt sechs von 38 überprüften Tatsachen-Behauptungen Petrys sind nach der Studie der Kölner Volontäre angeblich komplett falsch (die als überwiegend falsch eingestuften Aussagen werden hier außen vorgelassen). Damit schneidet Petry schlechter ab als die anderen untersuchten Politiker. Doch das Ergebnis der Studie beruht auf groben Fehlern in Methodik und Logik und zudem auf unzulässigen Veränderungen von Aussagen Petrys. Drei Beispiele mögen dies belegen:

1. Veränderung des Inhalts einer Aussage. Am 27.01.2016 sagte Petry wörtlich zum Thema Zuwanderung: „Die Obergrenze wird aus der SPD gefordert.“ Die Kölner Volontäre machen daraus folgende zu überprüfende Tatsachenbehauptung: „Die SPD fordert eine Obergrenze.“ Das jedoch hat Petry nicht gesagt; sie hat nämlich nicht gesagt, daß eine Obergrenze von der SPD, sondern daß sie aus der SPD gefordert werde. Ein kleiner, aber um so bedeutsamerer Unterschied. Die Kölner Volontäre haben dadurch den Inhalt von Petrys Behauptung in einer Weise verändert, daß sie nunmehr schlußfolgern konnten, daß Petry falsch liege. Denn in der Tat hat die SPD eine Obergrenze nicht gefordert, doch es gab Stimmen bzw. Personen aus der SPD, die dies getan habe. So z. B. der Regensburger SPD-Oberbürgermeister Wolberg laut Mittelbayerischer Zeitung beim Neujahrsempfang, der eine Obergrenze von 200.000 bis 300.000 jährlich forderte, oder Sigmar Gabriel am 16.01.2016 in einen Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Und ich rate uns allen, diese Grenze, die das Land aufzunehmen in der Lage ist, nicht auszutesten.“ Gabriel, immerhin Parteivorsitzender spricht also von einer Grenze bei der Zuwanderung, auch wenn er sie nicht mit einer Zahl konkretisiert. Das heißt, Petry liegt richtig, wenn sie sagt, daß es aus der SPD Forderungen nach einer Obergrenze gab.

2. Manipulative Änderung des Bezugsmaßstabs. Ebenfalls am 27.01.2016 sagte Petry: „Ein Großteil der Asylbewerber hat kein Recht auf Asyl.“ Hier kommt es nicht auf die Abweichung zwischen Wortlaut und Neu-Formulierung der Kölner Volontäre an, sondern allein auf den Inhalt. Die Kölner Volontäre definieren - richtigerweise - zunächst Großteil mit Mehrheit und verweisen dann bei der Prüfung des Wahrheitsgehalts zuerst auf Zahlen des Bundesamts für Migration für den Monat Januar 2016. Das ist natürlich in Bezug auf eine Behauptung vom 27.01.2016, als die Januar-Zahlen naturgemäß noch gar nicht vorlagen, von vorneherein Unsinn. Die Volontäre verweisen dann aber auch auf die Zahlen des Bundesamts für 2015: „Demnach fielen 49,8% aller Asylanträge unter die Gesamtschutzquote. Wenn man die sonstiges Verfahrensbeendigungen wegläßt, liegt auch im Jahre 2015 die Gesamtschutzquote bei über 50%.“ Um Frau Petry die Unwahrheit vorwerfen zu können, müssen sich die Kölner Volontäre zunächst die Statistik zurechtbiegen. Dazu rechnen sie einfach mal  alle heraus, die zwar kein Asyl erhalten haben, aber auch nicht förmlich abgelehnt worden sind, sondern deren Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Doch auch diese Personen haben nun einmal kein Recht auf Asyl gehabt – und nur darum geht es in Petrys Aussage. Was die Volontäre tun, ist es etwa so seriös, als wenn man in der Fußball-Bundesliga-Tabelle alle Bayern-Siege mit nur einem Tor Unterschied herausrechnet und dann behauptet, Dortmund sei Meister geworden.

Früh übt sich der Nachwuchs in Manipulation

Doch jetzt kommt die eigentliche Manipulation der Volontäre. Petry sprach vom Recht auf Asyl, die Volontäre sprechen von Gesamtschutzquote. In der Gesamtschutzquote sind aber neben den Asylberechtigten auch die Personen enthalten, die vor allem als Flüchtlinge, insbesondere (Bürger)kriegsflüchtlinge, bleiben dürfen. Als asylberechtigt im Sinne des Art. 16a Grundgesetz anerkannt wurden 2015 hingegen nur 0,7 Prozent (= 2.029 Personen) von 282.726 beschiedenen Antragstellern – laut Asylgeschäftsstatistik des Bundesamts für Migration für Dezember 2015, Seite 6. Die Kölner Volontäre haben also einfach mal den Maßstab gewechselt - statt Asylberechtigung nun Gesamtschutzquote. Wenn man somit Frau Petry etwas vorwerfen will, dann allenfalls, daß nicht nur ein Großteil der Asylbewerber kein Recht auf Asyl hat, sondern fast alle, nämlich mehr als 99 Prozent. Was die Kölner Volontäre gemacht haben, ist reine Manipulation.

3. Zukunftsprognosen als Wahrheitsbeweis. Zuletzt noch zu Petrys Aussage am 10.03.2016, wonach die Kosten für die Flüchtlinge bei jährlich mindestens 50 Milliarden Euro liegen. Diese Aussage messen die Kölner Volontäre an zwei Prognosen der Wirtschaftsinstitute IDW und IfW, die von künftigen Kosten von 50 Milliarden Euro für zwei Jahre beziehungsweise 25-55 Milliarden jährlich für die nächsten Jahre ausgehen. Da Petry von Mindestkosten gesprochen habe, sei ihre Aussage falsch, da die Prognosen von maximal 55 Milliarden Euro ausgingen. Die Volontäre haben Recht, wenn sie Petrys Aussage an den Prognosen der beiden genannten Institute messen. Doch Petry hatte sich gar nicht auf diese beiden Institute bezogen. Ihr steht es selbstverständlich frei, Berechnungen anderer Institute/Personen oder auch ihre eigenen Berechnungen zugrundezulegen. Man kann also Frau Petrys Aussage gegebenenfalls als den Prognosen zweier bekannter Wirtschaftsinstitute widersprechend bewerten, aber nicht als falsch. Dies gilt um so mehr, als Zukunftsprognosen ohnehin nicht einer Bewertung als richtig oder falsch beziehungsweise wahr oder unwahr zugänglich sind.     

Die Studie der Volontäre taugt nur als Beispiel für schlechten Journalismus

Die drei Beispiele zeigen, daß in der Studie als falsch bewertete Aussagen Petrys gar nicht falsch sind. Und auch die übrigen angeblichen Falschaussagen sind nicht automatisch falsch, nur weil sie hier nicht erörtert sind, wie zum Beispiel Petrys Behauptung vom 10.03.2016, daß die hierher kommenden Menschen mehrheitlich Migranten seien (siehe nämlich oben Gesamtschutzquote unter 50 Prozent). Die Mängel der Studie sind eklatant und leicht feststellbar. Das hätte eigentlich schon den Volontären selbst auffallen müssen. Aber auch die Ausbilder der Volontäre und die offenbar nur auf eine markante Schlagzeile gierenden Redakteure der „Welt“ waren nicht in der Lage, selbst offensichtliche Unzulänglichkeiten zu bemerken. Diese Studie hätte nie veröffentlicht und weiter verbreitet werden dürfen – es sei denn als Beispiel für schlechten Journalismus. Die Wahrheitspresse muß sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen, der Nachwuchs ist bestens vorbereitet. 

Ansgar Neuhof (46) ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit eigener Kanzlei in Berlin

Foto: Tim Maxeiner

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Martin Focke / 16.06.2016

Die Auswahl, die an der Kölner Journalistenschule herangezüchtet, scheint aber eine merkwürdige “Auswahl” zu sein, denn die jungen Leute, die ICH kenne (Abiturienten, Studenten und deren Generation) hat gar keine Probleme mit der AfD usw.

Stephan Müller / 16.06.2016

Was ist denn daran verwunderlich, dass Lehrlinge, in dem Fall Volontäre genannt, praxisnah für ihren Beruf vorbereitet werden? Der Beruf des Journalisten besteht nunmal derzeit darin, nachzuweisen, dass die Erde eine Scheibe ist. Selbst die Hochkaräter vom Deutschlandfunk behaupten heute früh sinngemäß, dass die Hälfte der Deutschen Rechtsextremisten sind! Das eigentliche Problem vieler Journalisten ist sicher, dass sie in ihrer Kindheit viel zu sehr auf Pippi Langstrumpf geprägt worden sind- widiwidiwit bumbum! By the way: Danke, Ihr Achse-Autoren! Ihr und einige Andere seid das Licht in einer Nacht aus Dummheit, Ignoranz und Skrupellosigkeit eurer Mainstream-“Kollegen”! Ich wünsche euch zwanzig Mio Paten bis Herbst 2017!

Thomas Meyer / 16.06.2016

Ich werte diese “Projektarbeit” einfach mal als Bewerbungsschreiben an künftige Arbeitgeber, vorzugsweise bei den öffentlich-rechtlichen.

Siegfried Schwarzl / 16.06.2016

Die Volontäre bzw. die Journalistenschule bezeichnen ihr Machwerk ja auch nicht als “Studie”, sondern als “Projektarbeit”.  Eine “Studie” wurde daraus erst durch den reißerischen und jeder journalistischen Sorgfalt widersprechenden Titel der “Welt” (“entlarvt”). Es möge jedem überlassen werden zu entscheiden, wer sich hier entlarvt hat.

Marcus Junge / 15.06.2016

Trau keiner Statistik die du nicht selber gefälscht hast. Rauchen ist völlig unschädlich. Dr. Marlboro Falls es immer noch jemand nicht mitbekommen haben will, es ist das gesamte System, welches so ist und insgesamt getilgt werden muß, weil Doktorspielchen an Symptomen keine Heilung bringen, sondern das Leiden nur verlängern werden.

Hans-Joachim Baron / 15.06.2016

Habe gerade über Kopp online zufällig den Artikel “Die Petry-Lügen-Studie gelesen” und bin auf Ihre Seite aufmerksam geworden. Spricht mir absolut aus meiner Seele. Gerne würde ich diesen Artikel für meine Sammlung “Presselügen” ausdrucken, aber aus irgendwelchem Grund funktioniert das nicht (bin mit über 65 auch nicht der IT- Meister). Wäre es möglich, mir den Artikel nochmals per Mail zukommen zu lassen? Ansonsten habe ich Ihre Seite sofort in meine Favoriten aufgenommen. Bitte machen Sie so weiter. Vorzügliche Hochachtung Hans-Joachim Baron

Karla Kuhn / 15.06.2016

Guten Abend Herr Neuhof, ich habe zwar nicht solche Recherchen angestellt wie Sie aber mir war von vornherein klar, dass diese Studie so nicht richtig sein kann. Zumal ja auch die Behauptung vieler Medien und Geschwätzshows von dem angeblichen Schießbefehl, den Frau Petry nie so gefordert hat, nicht nur gelogen, sondern äußerst blamabel war. Es ist traurig, dass junge Menschen, die den Journalismus erlernen, schon zu solch widerlichen Methoden greifen, Noch widerlicher ist es, dass die “Welt” diesen Artikel ungeprüft veröffentlicht hat.  Gott sei Dank lese ich die sogenannten “Qualitätsmedien” schon lange nicht mehr und Gott sei Dank gibt es die “Achse” und andere Journale, die noch sachlich und ehrlich berichten.

Stephan Wunsch / 15.06.2016

Na dann schreiben Sie das doch mal (verdichtet) in den Leserkommentaren bei der Welt’. Ich garantiere: das wird entweder gar nicht erst freigeschaltet, oder nach Freischaltung bald wieder gelöscht. Die Zensurquote bei der ‘Welt’ in Sachen AfD ist unfassbar: positives bzw. tatsächliches zur AfD wird brachial wegzensiert. Negatives bzw. tatsächliches zu den Altparteien ebenso. Man könnte meinen, Heiko Erdogan oder Ralf Maas, oder wie die linken Einpeitscher wider die AfD heißen, sind bei der ‘Welt’ die verantwortlichen Redakteure.

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