Thomas Rietzschel / 31.12.2020 / 11:00 / Foto: achgut.com / 31 / Seite ausdrucken

Die patriotische Kehrtwende

Mal angenommen, vor zehn oder fünfzehn Jahren hätte irgendein deutscher Politiker verlangt, die Deutschen sollten sich wieder ihrer „patriotischen“ Verantwortung bewusst werden. Ich weiß, der Gedanke liegt so fernab der erlebten Geschichte, dass er die Vorstellungskraft von vornherein übersteigt. Dennoch, rein hypothetisch: Wozu hätte ein solcher Vorstoß geführt? Wie von einer Tarantel gestochen, wären die deutschen Wortführer aufgefahren, die Wellen der Erregung hoch über das Brandenburger Tor und den Reichstag geschlagen. Bei ARD und ZDF hätten die Intendanten Alarm ausgerufen. Walter Jens und Günter Grass wären aus den Elfenbeintürmen ihrer Dichtung herabgestiegen, um dem Volk sprachmächtig zu erklären, dass die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg ein für allezeit das Recht auf patriotische Empfindungen verspielt hätten.

Und wie wäre es in der Politik rund gegangen! Nehmen wir zuerst die Kanzlerin. Wäre sie nicht außer sich geraten wie wenig später, 2013, als sie nach dem Wahlsieg der CDU Hermann Gröhe, auf offener Bühne, vor laufenden Kameras anging, um ihm ein Deutschlandfähnchen zu entreißen, das ihr damaliger Generalsekretär im Überschwang des Erfolgs zu schwenken wagte? 

Der Zorn über die nationalistische Entgleisung stand der Frau ins Gesicht geschrieben. Das Land ihrer Herrschaft war ihr nie sonderlich ans Herz gewachsen, mit der Muttersprache hadert „Mutti“ bis heute. Als sich 2015 Widerstand gegen ihre autokratisch verfügte Flüchtlingspolitik regte, verstieg sich die „mächtigste Frau der Welt“ sogar zu der Drohung, wenn das Vaterland sich gegen den Internationalismus sträube, dann sei das nicht mehr ihr Land. Als Deutsche wollte sie nicht länger erkannt werden.

Die Grenzen überschritten

Als er Merkel dafür in der Hamburger Bürgerschaft kritisieren wollte, wurde der damalige AfD-Abgeordnete Ludwig Flocken von der laufenden Sitzung ausgeschlossen. Er habe die Grenzen der „zulässigen Meinungsäußerung“ überschritten, las man nachher in der Presse.

Die emotionale Ablehnung Deutschlands war das Tertium comparationis, auf das sich bisher noch immer alle „demokratischen“ Parteien des Landes verständigen konnten: CDU/CSU mit der SPD und den Grünen, den Roten und den Knallroten; selbst die FDP wollte, wenn man sie ließ, nicht abseits stehen. Als eine der Mutigsten ragte dabei die Grüne Claudia Roth, Vizepräsidentin des Bundestages, heraus, die 2015 in einem Demonstrationszug unter dem Motto „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“ mitlief.

Über Jahrzehnte hin wurde den Deutschen der Patriotismus ausgetrieben, zuerst durch den multikulturellen Hedonismus der Grünen, dann durch die Aussetzung der Wehrpflicht, den Umbau einer vom Volk getragenen Armee zu einem Arbeitgeber mit krummen Flinten und Panzern, die nicht anspringen, dafür aber mit Schminkspiegeln auf den Stuben, Kinderbetreuung in den Kasernen und umstandsgerechten Uniformen für Soldatinnen während der Schwangerschaft. 

Kein Gedanke mehr an einen Patriotismus, der die Bürger zusammenhalten könnte. Stattdessen die Propagierung einer europäischen Identität unter deutscher Vorherrschaft zur Ablösung vaterländischer Verbundenheit. Wohin so etwas führt, erleben wir gerade in der größten Krise seit der Gründung der Bundesrepublik.

Wie einst Kaiser Wilhelm

Weil sich die unvernünftige Natur partout nicht so verhält, wie sie es nach den Allmachtsphantasien weltfremder Politiker tun sollte, müssen die einstigen Verächter des Patriotismus plötzlich wieder an den emotionalen Zusammenhalt der Untertanen appellieren, Grenzen schließen, Bürger und Bürgerinnen, Junge und Alte zu Duldsamkeit anhalten, nationale Nächstenliebe und Opferbereitschaft einfordern, durchaus im Stil eines Kaiser Wilhelm, der 1914 nur noch Deutsche kennen wollte. Nicht zu reden von den Durchhalteparolen nachfolgender Diktaturen, während des Zweiten Weltkrieges und der kommunistischen Armutsdiktatur im eingemauerten Osten.

Auf der Agenda steht die vaterländische Kehrtwende. Erst dieser Tage hat der CSU-Generalsekretär Markus Blume erklärt: „Impfen sollte zur patriotischen Selbstverständlichkeit werden.“ Wie er auf den Gedanken kommt, dass nach Jahrzehnten einer politisch forcierten Kampagne zur nationalen Entfremdung ein derartiger Appell noch Wirkung zeigen könnte, bleibt unerfindlich. Es sei denn, man durchschaut die schamlose Umkehr als das Manöver einer politischen Klasse, die auf dem letzten Loch pfeift. Um das eigene Überleben zu sichern, muss sie das Volk patriotisch vergattern – den Volksturm mobilisieren. 

Abermals Feldherrendämmerung in Deutschland und – dem Allmächtigen sei es geklagt – Untertanen, die es genießen, sich ducken zu dürfen. Omas und Opas, die vor den Kameras stammeln, was ihnen vorgesagt wird: Gott sei Dank werden wir weggesperrt, um die Enkel nicht anzustecken. Ärzte und Wissenschaftler, die nicht das erste Mal zu allem bereit sind, da es doch um die Gesundheit aller geht, um eine Volksgesundheit frei von fremden Keimen. 

Nächste Station – der Klimawandel

Alles so neu nicht, auch nicht das, was uns danach noch drohen mag. Karl Lauterbach, dessen Eitelkeit ihn immer verführt, die Katze vor der Zeit aus dem Sack zu lassen, hat es ja bereits ausgeplaudert, als er in einem Gastbeitrag für die WELT nicht bloß die Befürchtung äußerte, das Volk könne dem Lockdown zu früh entfliehen, sondern noch weiter vorausschaute, schon auf den Bundestagswahlkampf im Herbst kommenden Jahres. 

Dann werde die Pandemie hoffentlich weggeimpft sein, nicht aber der Klimawandel, weshalb der ganz oben auf der Agenda aller Parteien stehen sollte. Da es jedoch, so raunte er, keinen Impfstoff gegen CO2 gibt, „benötigen wir Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, die analog zu den Einschränkungen der persönlichen Freiheit in der Pandämie-Bekäpfung sind“. Kurzum: Lockdown for ever. 

Die Politik hat Gefallen daran gefunden, das Volk ein- und wegzusperren. Der Stubenarrest wird zur „patriotischen Selbstverständlichkeit“. Analog zur Politik der Kommunisten im Osten, die jede Kritik an der Entrechtung der Bürger abbügelten, indem sie fragten: Bist Du nun für den Frieden oder nicht? – analog dazu werden wir uns bald fragen lassen müssen: Bist Du nun für den Klimawandel oder nicht? Eine Gretchenfrage, die den Regierenden noch eine Weile aus der Patsche helfen mag. Mehr haben sie nicht drauf und wir nicht zu erwarten, weder in den letzten Stunden des überstandenen noch im Lauf des neuen Jahres. 

In diesem Sinne: Auf ein Wiedersehen 2021. 

Foto: achgut.com

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Klaus Biskaborn / 31.12.2020

Guter Artikel! Leider verstehen die meisten Deutschen das infame Spiel mit dem erst verbotenen dann wieder hervorgeholten Patriotismus nicht. So werden sie sich nach Corona bereitwillig kasteien wenn es der vermeintlichen Klimarettung durch Deutschland dient. Das Gespött der Welt ist ihnen sicher, nur werden sie es nicht merken.

Ulrike Schmidt / 31.12.2020

Ach, es sollen also alle am allgemein vorgeschlagene. Selbstmord durch Impfung mitmachen? Ich komme mir vor wie in einer Sekte! Nä, ohne mich! ;) LG Ulli

Manni Meier / 31.12.2020

„Impfen sollte zur patriotischen Selbstverständlichkeit werden.“ Nee, nee, liebe Leute, impfen für’s Vaterland is nicht! Und nachher bin ich dann in Verruf, ein “Reichsbürger” zu sein.

Dr. Joachim Lucas / 31.12.2020

Patriotismus? Man lasse sich nicht täuschen. Der Zweck heiligt nur die Mittel. Aber die Zerstörungsagenda für D bleibt auf der 50 Jahresplanordnung der Internationalsozialistin Merkel. Bloß braucht sie dafür vielleicht nur noch 50 Monate. Aber abgesehen davon: für den Klimawandel bin ich schon. Bißchen mehr grün, bißchen wärmer, wär nicht schlecht, so wie in der Warmzeit des 13. Jahrhunderts.

Uta Buhr / 31.12.2020

Patriotismus? Igitt - der kommt dem grünen Khmer,  Möchtegernkanzlerkandidaten und Verfasser unzumutbarer Kinderschmöker nicht ins Haus. Den findet er sogar um Kotzen- spuck - und mit Deutschland kann er, der gern den Kanzler machen möchte,  gaaaar nix anfangen. Konnte er noch nie. Auch diesem Vollpfosten ist der Unterschied zwischen Patriotismus und Chauvinismus offenbar völlig unbekannt und völlig wumpe. Wer solche Politiker im eigenen Lande züchtet, braucht wahrhaftig keine Feinde mehr. Dennoch wird dem Schöpfer von Wortungetümen wie “denkunmöglich” von vielen gehuldigt, die allerdings noch nicht gehört haben, dass der Obergrüne Robert sich nichts sehnlicher wünscht als das chinesische Brutal-Überwachungssystem Huawei, Wieso, fragte mich kürzlich eine Nachbarin, das ist doch nichts anderes als ein superschnelles Informationsmedium. Also supi supi für uns alle. Wer so uninformiert ist, hält alles aus - selbst eine strunzdumme, total ungebildete Koboldin und Strom-Netz-Speicherin als zukünftige Kanzlerette. Mundus vult decipi. Deutsche fühlen sich offenbar nur wohl, wenn sie von ihren Despoten von morgens bis abends beschissen werden. Daran wird sich wohl vor dem totalen Zusammenbruch auch nichts ändern. Leider.

Thomas Brox / 31.12.2020

Ich will keinen schwülstigen, irrationalen Gaga-Patriotismus - die Vergangenheit reicht. Ich will eine Gesellschaft, die ihre vernünftigen(!) Interessen mit gesunden Egoismus wahrnimmt, rational und resilient: Germany first.

Jürgen Fischer / 31.12.2020

Sie drehen sich’s, wie sie’s brauchen. Nix Neues unter der Sonne.

Rainer Möller / 31.12.2020

Das Dritte Reich überzog natürlich mit den “patriotischen” Verpflichtungen und Vergatterungen und löste dadurch eine nachvollziehbare Gegenreaktion aus. Trotzdem: Adenauer, Erhard und die BRD der 50er und 60er Jahre profitierten ungeheuer davon, dass sich die Deutschen - nach langjähriger Indoktrination - als zusammengehörig und aufeinander angewiesen fühlten.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thomas Rietzschel / 17.06.2023 / 15:00 / 12

Kaube weiß, was Habeck mit Börne verbindet

Vor einer Woche wurde der Börne-Preis für Essays, Kritik und Reportage an Wirtschaftsminister Robert Habeck verliehen, in der Frankfurter Paulskirche. Man muss schon eine Weile…/ mehr

Thomas Rietzschel / 22.03.2023 / 16:00 / 24

Der beleidigte Lauterbach

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister im Kabinett von Olaf Scholz, hat viel an Ansehen verloren. Aber er vertraut sich selbst noch immer, wie einst der nackte Kaiser,…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.01.2023 / 16:00 / 56

Sag mir, wo die Panzer sind, wo sind sie geblieben?

Erinnern Sie sich an Peter Struck, den letzten Bundesminister für Verteidigung, der – mit Verlaub – noch einen Arsch in der Hose hatte? Weil er die…/ mehr

Thomas Rietzschel / 20.12.2022 / 12:00 / 52

Wann kommt die Fahrrad-Steuer?

Warum müssen die Halter von Kraftfahrzeugen KfZ-Steuer zahlen, indes die Radler das öffentliche Straßennetz unentgeltlich nutzen dürfen, es mehr und mehr für sich beanspruchen, zunehmend…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.11.2022 / 16:00 / 24

Im neuen marxistischen Kapitalismus

Möchte der Staat die Bedeutung der Arbeit mit der Höhe seiner Sozialleistungen ausstechen, um den freien Bürger zum betreuten Mündel herabzusetzen? Mit der „wohltätigen“ Diskreditierung…/ mehr

Thomas Rietzschel / 04.11.2022 / 14:30 / 67

Lauterbach im Taumel der Macht

Was er seit seiner Berufung zum Minister veranlasst und ausgeführt hat, ist nicht mehr als die tolldreiste Posse eines Narren, der im Wahn seiner Macht…/ mehr

Thomas Rietzschel / 28.09.2022 / 16:00 / 43

Mehr Licht!

Nach der Umweltverschmutzung im Allgemeinen und der Luftverschmutzung im Besonderen haben sich die Klimabewegten von Thunberg und Neubauer bis zu den Geistesgestörten, die sich auf Autobahnen…/ mehr

Thomas Rietzschel / 25.09.2022 / 13:00 / 35

Vom heißen Herbst kalt erwischt

Die Angst geht um in den deutschen Regierungsbezirken, die Angst vor einem „heißen Herbst“. „Natürlich“, so tönt aus allen Amtsstuben, aus dem Kanzleramt sowie aus…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com