Dummerweise gab es nie einen „Plan B“, weshalb man immer noch daran festhält, möglichst 100 Prozent der Bevölkerung durchzuimpfen. Die Zustimmung muss absolut sein, egal was die Empirie dazu sagt.
„Nicht schon wieder Corona“, werden Sie sagen, und Sie haben recht. Die Berührung dieses Themas verschafft Ihnen wie mir mittlerweile Brandblasen, und das Maß an Ignoranz und Heuchelei in Politik und Medien erreicht schon sintflutartige Höhen. Man möchte die Türen der Arche vernageln und die Zebras füttern. Doch gelegentlich muss man raus und einen Raben schicken, um zu erfahren, ob es aufgehört hat, Lügen, Verdrehungen und Anmaßungen zu regnen. Sicher, auch mir ist aufgefallen, dass sich ein großer Teil unserer Mitmenschen an das Wechselspiel aus Drohungen, Verschärfungen, Lockerungen und erneuten Drohungen, mit denen dann die nächste Verschärfung begründet wird, gewöhnt hat. Doch eine Arche ist ja kein Platz für Mehrheiten. Die Indolenz der Mehrheit geht nur so lange gut, bis die Maßnahmen unschön ins eigene Leben hineinlappen (oder schwappen, wegen Arche und so…) oder vermeintlich erimpfte Privilegien für null und nichtig erklärt werden. Auf was habe man da eigentlich vertraut und warum, fragt sich so mancher. Ich enthalte mich bei solchen Gelegenheiten jeder Schadenfreude, was übrigens jeder tun sollte.
Was genau man da treubrav tut und warum, wird nicht mehr hinterfragt und geht in Kadavergehorsam und Gewohnheit unter. Längst hat man sich zum Beispiel so an das Maskentragen gewöhnt, dass kaum noch jemand an den Anfang des Covidzän-Zeitalters zurückdenkt, um sich daran zu erinnern, wie man die Masken eigentlich richtig trägt, um ihre eh schon beschränkte Wirkung nicht ins Gegenteil zu drehen. Häufig wechseln, nicht berühren, von einem Ohr zum anderen abziehen und berührungslos entsorgen… Der eine oder andere wird sich an das Ballett des geübten und verständigen Klinikpersonals erinnern, mit dem der unwissende Maskenpöbel halb verspottet und halb belehrt werden sollte. Heute hängen die Masken an Rückspiegeln und werden – wochenlang verwendet – aus Hand- und Hosentaschen hervorgekramt wie Schlüssel oder Kleingeld.
Das „Ob“ schlägt das „Wie“, und wenn die medizinische Wirksamkeit auf diese Weise auch gleich null oder negativ sein mag, ist dem technokratischen Akt doch formal Genüge getan. Und kommt es nicht genau darauf an? Niemand wird Sie belangen, wenn Sie die Maske falsch, besabbert oder mit Senfflecken tragen, solange Sie sie nur irgendwie tragen. Anders ausgedrückt: Glauben Sie an ein Ende der Maskenpflicht noch in dieser Dekade, wenn es so wenig Kontrolle braucht, sie durchzusetzen? Dem Gessler in der Tell-Legende war es jedenfalls egal, wie man seinen Hut grüßte, solange man es nur tat. Bei der Impfung – so scheint es – gehen wir genau den gleichen Weg: Man kann zwar aus den falschen Gründen das „Richtige“ tun, aber nie aus den richtigen Gründen das „Falsche“. Ist nicht vorgesehen im System, es gibt keine Argumente gegen die Impfung, basta!
Mach, was man dir sagt!
Nie sei die Rede davon gewesen, dass die Impfung auch gegen Ansteckung schütze. Einerseits eine glatte Lüge, andererseits natürlich eine überreizte Hoffnung, mit der uns noch im Frühsommer versichert wurde, wir kämen bald wieder zurück zur Normalität, wie wir sie noch vage im Gedächtnis hatten. Die Versprechen wurden gemacht und sind auch noch nachzulesen. Das Internet vergisst wenig und die Wayback-Machine gar nichts. Es gab diese Versprechen (oder richtiger: Annahmen) und ich verurteile auch niemanden, der damals sein Licht auf diesen Strohhalm richtete.
Denn wäre es nicht in der Tat schön gewesen, eine sterile Immunität durch Impfung herstellen zu können wie bei anderen Infektionskrankheiten? Dummerweise gab es nie einen „Plan B“, weshalb man auch immer noch daran festhält, möglichst 100 Prozent der Bevölkerung durchzuimpfen und nun als letzte Reserve der Technokratie Plappermäuler wie MaiLab ins Feld führt, um fromme Annahmen als unumstößliche Fakten zu präsentieren. Immer noch. Man will, dass das Problem dann erledigt sei, man will, dass die Zustimmung absolut wird. Ganz gleich, was die Empirie dazu sagt. Denn wir wissen nun, nach einem Jahr Impfung, dass Übertragung und Virenlast nur unwesentlich vom Impfstatus abhängen. Die Karte „Solidarität“ ist zwar noch im Spiel, sticht aber nicht mehr. Kein Immunologe spricht noch von Herdenimmunität durch Impfung, selbst Drosten nicht, der eher dazu neigt, die „erimpfte“ Immunität durch eine natürliche zu „ergänzen“. Unser Paniker vom Dienst Lauterbach resigniert bereits: „Diese Welle lässt sich nicht wegimpfen“. Schade eigentlich, das meine ich ganz ehrlich.
Ich bin es aber leid, die Empirie zu bemühen und Vergleiche zu ziehen, nur um mich dann belehren zu lassen, dass man dies und jenes nicht vergleichen dürfe. Kein Wort mehr über Schweden! Doch Vergleichsverbote sind Denkverbote. Ein Denkverbot, das sich die Politik aus gutem Grund einst selbst auferlegt hat, bekommt indes Risse: die Impfpflicht. Aktivisten wie MaiLab trommeln und jagen den Restverstand der Politik auf die Bäume.
Die guten Gründe der Politik, mit dem Schwert „Impfzwang“ nur zu drohen und durch allerlei Schikanen „Freiwilligkeit“ zu erzwingen, liegen auf der Hand: die Haftungsfrage. Man möchte nicht in die Letztverantwortung geraten, wenn doch etwas schiefgeht. Verständlich! Auch die Pharmaindustrie, die zwar Langzeitschäden ihrer Impfstoffe ausschließt, aber gleichzeitig keine Haftung für dieselben übernehmen will, kann ich verstehen. Aber sollten solche Policen nicht eigentlich günstig zu haben sein angesichts der Gewinne, die momentan üppig fließen, und abdecken müsste eine solche Haftung doch nicht wirklich etwas, oder? Was soll schon schiefgehen? Eine Leistungssportlerhaftpflicht für Kimmich & Co. sollte doch wohl drin sein, oder?
Doch genug der Schelmereien, ich möchte ein Spiel spielen. Ein Spiel, das „Was wäre, wenn“ heißt. Wir schauen dazu auf die Ergebnisse einer Studie aus Schweden, der zufolge das Vakzin von AstraZeneca schon nach wenigen Monaten zu einem Schutz von minus 19 Prozent führt. Man stünde demnach als vollständig Astra-Geimpfter immunologisch schlechter da als jemand, der sich überhaupt nicht hat impfen lassen. Nun heißt es beschwichtigend, das könne auch daran liegen, dass die Probanden sich besonders sorglos verhalten hätten. Was übersetzt in vergangene Impfnormalitäten etwa bedeuten würde, dass derjenige gegen Gelbfieber am besten geschützt sei, der nach Impfung gegen Gelbfieber zusätzlich nicht in Gebiete reise, in denen Gelbfieber ein Problem ist. In der Annahme der „Leichtsinnigkeit“ vermischen sich also zwei Maximen der Risikominimierung: Vermeidung und Impfung. Es ist widersinnig oder öffnet die Tür zum Hygienestaat, beides zu wollen.
Panische Angst vor Rechenschaft
Aber zurück zum Spiel. Der fürsorgliche Staat in unserem Modell erlässt nun ein Impfgebot für alle. Was wäre nun – mit dem Wissensstand von heute –, wenn er dies schon vor Monaten für einen bestimmten Impfstoff getan hätte? Zum Beispiel eben mit jenem von AstraZeneca. Die Verfügbarkeit war rasch sehr gut, ein schon seit Monaten durchgesetztes Impfmandat hätte mit guter Wahrscheinlichkeit auch diesen Impfstoff einsetzten können. Von heute aus gesehen könnte man sagen: Zum Glück kam es nicht dazu, weil Thrombosen als unerwünschte Nebenwirkung auftraten und für Skepsis sorgten, auch wenn MaiLab in ihrem Video die gute Behandelbarkeit dieser Nebenwirkung betonte. Nachdem ich dieses Video sah, kann ich mir jedenfalls gut vorstellen, dass MaiLab ein euphorisches Video für diesen Impfstoff gemacht hätte und andere Helfer aus dem medialen Ethikrat der Technokratie – etwa Steffens, Yogeshwar und Lesch – begeistert darüber berichten. „Folge der Wissenschaft“ wäre ein griffiger Name für die Kampagne gewesen. Doch längst steht auch die Wirksamkeit anderer Mittel im Zweifel. Moderna nur noch für über 30-Jährige, BioNTech-Booster früher als gedacht… Mal sehen, was die nächste Woche, der nächste Lockdown und Jahr drei des Covidzäns bringen.
Die Politik ist bei AstraZeneca der Falle nochmal entkommen, auf der Basis unzureichender Daten eine generalisierte Entscheidung getroffen zu haben, die sich später als schädlich für alle Betroffenen erwiesen hätte. Wer garantiert, dass es bei nächster Gelegenheit gutgeht? Überlässt die Medizin ihr „primum non nocere“ der Verfügung der Politik, kann leicht so etwas dabei herauskommen. Und im Gegensatz zu Medizinern haben Politiker leider keine Berufshaftpflicht.
Doch unser Spiel geht noch einen Schritt weiter, denn weil unsere Politiker panische Angst vor Rechenschaft haben, achten sie peinlichst darauf, die Gesetzeslage ihren Absichten anzupassen (andersherum wäre doch mal schön), damit sie nie die Grenze des Legalen überschreiten. Man schafft also zunächst das Recht und dann geht man unter dessen Deckung auf die Realität los. Nun unterstellen wir mal im Spiel, dass die Redlichkeit der Politiker im besten Deutschland aller Zeiten ohne Fehl und Tadel sei und das (fiktiv) zwangsbehandelte Volk mit Blick auf die guten Gesetze voller Einsicht sagt: Her damit, und den Booster gleich dazu! Doch nun, zumindest im Spiel, hat die Politik diese neuen ermächtigenden Regeln und Mechanismen, die blitzschnell von „Normal“ auf „Notstand“ umschalten lassen und kann jederzeit aus einem medizinischen „das geht dich nichts an“ eine öffentliche Angelegenheit machen. Inklusive landesweit ausgerollter Kontrollen und Sanktionen.
Mit Solidarität aus der Dialyse
Alles ist bereitet für eine ungewisse Zukunft, in der – natürlich nur im Spiel – erneut schnell und unbürokratisch unsere nur noch temporären Grundrechte für ein temporär höheres Ziel temporär außer Kraft gesetzt werden könnte, um… ja, um was zu tun? Die Regeln sind da und erprobt sind sie auch. Doch wer wendet sie künftig an? Und jetzt zur Denkaufgabe, zum Finale des Spiels: Stellen Sie sich Ihren schlimmsten politischen Albtraum vor, lieber Leser. Ausgerechnet jene politische Gruppierung oder Partei, deren Ideologie sie am meisten fürchten oder verabscheuen, erlangt völlig legal die Macht, und nun überlegen Sie kurz, was diese Gruppe aus den Regeln machen könnte, die sie im Fall eines Machtantritts vorfindet und einfach nur exekutieren muss.
Stellen Sie sich deren Erklärungen und Beteuerungen vor, die Regeln nun leider wieder anwenden zu müssen, weil die Lage es eben erfordere und Sie, der Einzelne und seine Interessen, müsste nun vor einem anderen höheren Wohl zurücktreten und über sich ergehen lassen, was die weise Politik diesmal für sie vorgesehen hat. Was es sein wird? Ich habe keine Ahnung, fürchte mich aber weniger vor meiner Phantasie als vor Dingen, die mir gerade nicht einfallen. Vielleicht ist es nur ein Vitamincocktail oder eine Edeldroge zur Herbeiführung ewigen Glücks, vielleicht müssen Sie in Zukunft auch nur noch mit einer Niere leben. Alles aus Solidarität versteht sich! Und ist es nicht eine Schweinerei, dass Sie Ihren Riesling durch zwei Nieren zum Ausgang rieseln lassen können, während in Hintertupfingen sich jemand in der Dialyse quält? Nehmen Sie’s nicht zu wörtlich, liebe Leser, entwickeln Sie einfach eine eigene böse Vorstellung und erinnern Sie sich an die Maxime, dass nichts in der Politik so lange Bestand hat wie Provisorisches. Wer sich heute nicht fügen will, wird es später auch nicht tun? Und wird sich erneut fügen, wer es heute tut? Und wie oft? Die erste Vergewaltigung der Freiheit des Individuums durch die Technokratie bleibt selten die einzige.
Eine Karte liegt noch im Ereignisfeld unseres Spiels. Was drauf steht? „Der Süddeutsche Beobachter erinnert daran, dass es Trump war, der gigantische Mittel bereitstellte, um in der „Operation Warpspeed“ die Entwicklung der Covid-Impfstoffe zu ermöglichen und zu beschleunigen.“ Das könnte eines Tages die „Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte“ für Politik und Medien sein. Als Buhmann geht Trump schließlich immer noch. Wenn er doch nur auch von der Impfpflicht statt immer nur von „free choice“ gesprochen hätte! Vielleicht gibt’s dazu dann aber wieder ein Video von MaiLab.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog unbesorgt.de.