Rainer Bonhorst / 17.06.2013 / 19:41 / 0 / Seite ausdrucken

Die Palmen von Cornwall

Meine erste englische Palme sah ich vor vielen Jahren in London. Sie stand an einer belebten Kreuzung und war unglücklich. In Cornwall gibt es glücklichere Palmen. Es sind gar nicht wenige und sie führen an windgeschützten Orten ein wohl behütetes und durchaus stattliches Dasein. Denn bitter kalte Winter sind selten. Es sind keine kalifornischen Palmen, aber immerhin. Sie signalisieren, dass man sich in Cornwall trotz der landesüblichen steifen Brisen im Zweifel zu den südlicheren Regionen rechnet.

Das gilt allerdings für große Teile Britanniens. Hier demonstrieren nicht Palmen sondern die Menschen selber eine energische Südlichkeit. Sie tun es, indem sie bei Wetterlagen im T-Shirt und ärmellosen Kleidchen auf die Straße gehen, bei denen Italienerinnen freudig ihre Pelzmäntel auspacken würden. Zu dieser Sitte befragt, sagte erst neulich einer: „Ich bin Engländer. Ich friere nicht.“

Zu dieser entschlossenen Südlichkeit gehört neben Palmen und T-Shirt auch der Wein. Er wächst im südwestlichen England und kann immerhin gut genug sein, um gelegentlich internationale Preise zu gewinnen. Nicht schlecht, auch wenn böse Zungen von Trostpreisen sprechen.

Auch Cornwall hat sich früher an Wein versucht, ist aber reumütig zu Bier und Cider zurückgekehrt. Ein anderes Charakteristikum Cornwalls kann man, wenn man will, durchaus als typisch südlich betrachten: Es ist eine fast düstere Strenge im Häuserbau. Im nördlichen Ländern, vor allem in Skandinavien, neigt man ja dazu, fröhlich farbige, vorzugsweise rot bemalte Häuser gegen den oft düsteren Himmel zu platzieren. Europas Süden ist da oft strenger, im fröhlichsten Fall, wie in Griechenland, weiß gekälkt.

Weiß Gekälktes findet sich auch in Cornwall. Die meisten Häuser aber sind aus Granit und zeigen stolz ihre naturgraue Robustheit. Das erzeugt eine spröde Schönheit, die zum Land passt. Manche dieser Häuser kann man als Feriendomizil mieten. Ich sitze, während ich dies schreibe, in einem weiß gekälkten Cottage, dessen Granitstruktur aber deutlich sichtbar ist. Und innen treten die grauen Steine unverhüllt und rustikal zum Vorschein. Traditionell sind die Fenster eher klein. Aber meines bietet einen wunderbaren Blick auf Cape Cornwall und auf das Meer.

Da male ich mir dann so allerlei aus, was vielleicht mehr Phantasie als Wirklichkeit ist. Die alten Häuslebauer von Cornwall hatten bestimmt keine südlichen Gedanken, als sie ihre Granithäuser bauten. Sie nahmen einfach die Steine, die sie vor der Haustür fanden. So wie die Schweden das Holz ihrer endlosen Wälder nehmen und es dann rot anstreichen. Das tun die Leute in Cornwall nicht. Sie holen sich statt dessen eine Palme vor das Haus, setzen sich im T-Shirt auf die Bank und spielen Spanien    

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