Bernhard Lassahn / 03.11.2020 / 15:00 / Foto: Tim Maxeiner / 14 / Seite ausdrucken

Die neue Partnerschaftlichkeit: „Nur noch Ponys ohne Reiter“ (3)

Ich bin sofort hellhörig, wenn jemand so tut, als könne es keine Zweifel geben. Ich fange dann automatisch an zu zweifeln. Vermutlich aus Trotz. Weil ich so ein norddeutscher Dickkopf bin. So auch in diesem Fall. In dem neuen Dossier „Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer in Deutschland“ vom BMFSFJ, in dem eine neue Partnerschaft zwischen Männern und Frauen angekündigt wird, heißt es:

„Als gesichert darf gelten: Männliche Sozialisation gibt es.“

Das klingt wie: „climate change is real“; das klingt, als gäbe es daran nichts, aber auch gar nichts zu rütteln, zu schütteln und zu deuteln.

Ich aber sage euch: Männliche Sozialisation gibt es nicht, hat es nie gegeben und wird es auch nicht geben. Nicht in der Wirklichkeit. Nur als Schlagwort. Ich lasse mich nicht aufs Glatteis führen, ich habe das studiert an den Universitäten in Marburg und Tübingen. Ich bin einigermaßen im Thema.

Es gibt Sozialisation. Das ja. Es gibt aber keine „männliche“ Sozialisation. Es gibt auch keine „männliche Gesellschaft“, auch nicht, wenn sich die SPD das einbildet (abgesehen von Robinson Crusoe und Freitag, die aber nicht lange durchgehalten haben …). Es gibt auch kein männliches Regenwetter und keine männliche Pandemie. Es gibt jedoch falschen Sprachgebrauch. Ich will versuchen, es in möglichst einfachen Worten zu erklären.

Gleichstellung von Aktiv und Passiv

Das Problem liegt zum einen am ersten Gebot des Feminismus, stets die große Axt zu schwingen und in allen Lebensbereichen Männer und Frauen als getrennt voneinander zu betrachten und zum anderen an dem erworbenen Unvermögen, zwischen Aktiv und Passiv zu unterscheiden.

In dem Punkt bin ich mir nicht sicher. Vielleicht ist das Unvermögen nicht erworben, sondern nur vorgetäuscht, vielleicht ist es angeboren. Ich weiß es nicht. Wie auch immer: Feministinnen sind geradezu vernarrt in die Leide-Form und haben einen regelrechten Passiv-Tick.

Ich gebe nur ein kleines Beispiel (auf Anfrage kann ich noch mehr liefern): Jeder, der auch nur ein bisschen Englisch kann, merkt sofort, dass bei der Kampagne „HeForShe“ ein Grammatik-Fehler vorliegt. Es müsste „HeforHer“ heißen. Das Objekt „her“ im Akkusativ – passiv – wurde schwuppdiwupp zum Subjekt im Nominativ – aktiv – „she“ gemacht. Damit fand ein Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel statt und die passive Haltung (etwas anzunehmen, das für einen getan wird) wurde dem aktiven Akt (etwas für jemanden zu tun) gleichgestellt. Unter diesen Umständen kann man es sich gut auf dem Passiv-Sofa der Unschuld bei gleichzeitiger Vollversorgung gemütlich machen.

Was sind Passivistinnen?

Nach meiner persönlichen, bisher noch unvollständigen Statistik sind circa 70 Prozent aller Texte von Frauen, wenn sie sich zu politischen Themen äußern, im Passiv-Modus gehalten. Davon sind circa 80 Prozent nicht aktiv-fähig und lassen sich nicht in den Aktiv-Modus übertragen, weil es keine Hinweise auf handelnde Personen gibt. Es gibt in solchen Sätzen immer nur Opfer, keine Täter. Immer nur Passiv, kein Aktiv.

Für politisches Handeln sind Passiv-Sätze jedoch ungeeignet. Um politisch zu handeln, muss man – wie man früher, als es noch Ponyhöfe gab, so schön sagte – Ross und Reiter nennen können. Das können die Politikerinnen heute nicht mehr. Sie kennen nur noch Ponys, aber keine Reiterinnen und keine Reiter. Deshalb bezeichne ich solche Leute nicht als Aktivisten, sondern als Passivisten, besser gesagt: als Passivistinnen. 

Schlecht geschminkte Schlampen-Prosa

Bleiben Sie bitte dran, auch wenn es schwerfällt. Ich zitiere kurz aus dem erwähnten Dossier und weiß selber, dass es eine Art von Schlampen-Prosa ist, die man nicht gerne liest. Es ist regierungsamtlich. Man sollte es ernst nehmen. Es ist nicht nur so getwittert von einem Teenager. Hier waren die besten Kräfte, die der Feminismus und die Frauenpolitik heute zu bieten haben, am Werk.

Ich sage es nicht so dahin, wenn ich von „Schlampen-Prosa“ spreche. Ich meine das so. Ich könnte genauso sagen: Es ist unsauber; es ist ein vorsätzliches Wischiwaschi; es ist eine Zumutung, wie hier gepfuscht und gemogelt wird. Lesen Sie selber:

„'Man wird nicht als Frau geboren, man wird zur Frau (gemacht).' Dieser berühmte Satz von Simone de Beauvoir gilt gleichermaßen für Jungen und Männer. Auch sie lernen im Lauf ihres Aufwach­sens, wie „richtig“ Mann­-Sein geht. Weil aus Jun­gen Männer gemacht werden, reicht es nicht, Jungen „einfach Jungen sein lassen“ zu wollen. Denn es gibt kein „reines“ Junge­-Sein, das von Kul­tur und Gesellschaft unberührt wäre. Junge-­ und Mann­-Sein entwickeln und vollziehen sich immer innerhalb gesellschaftlicher Verhältnisse.“

Man muss schon sehr genau hinsehen

Sehen wir uns das näher an: Achten Sie auch auf Kleinigkeiten, die man leicht überliest. Die Anführungszeichen im ersten Satz zeigen an, dass es sich um ein Zitat handelt, sogar um ein berühmtes. Doch da wurde noch ein Fremdkörper eingefügt, es wurde ein „(gemacht)“ in Klammern hinzugemogelt, das nicht zum Zitat gehört.

Damit wird der Satz von Simone de Beauvoir verfälscht, die in ihrem Buch ‚Das andere Geschlecht‘ bekanntlich über Frauen spekuliert hat – und nicht über Männer. Daher auch der Titel ihres Buches. Nun wird so getan, als hätte sie auch Männer gemeint – und nicht nur mitgemeint.

Ihr Satz soll also auch auf Jungen und Männer angewendet werden. Das ist neu. Jungen sollen nun auch so gesehen werden, dass sie erst zum Mann „gemacht werden“ und zwar „richtig“. Auch das ist neu. Aber was ist richtig? 

Das verdächtige „richtig“ steht ebenfalls in Anführungsstrichen, auch wenn es in dem Fall kein Zitat ist. Müsste es nicht „richtiges“ heißen? Steht es überhaupt an der richtigen Stelle? Bezieht es sich auf Männlichkeit (bei der es offenbar eine falsche und eine richtige gibt) oder darauf, wie etwas „geht“ (nämlich auf die falsche oder richtige Art und Weise)? Wer entscheidet eigentlich über „richtig“ und „falsch“? Gibt es entsprechend auch bei Frauen ein richtiges und ein falsches Frau-Sein? Fragen über Fragen.

Nebel hier, Nebel dort

Dann folgt eine Schlussfolgerung, die nicht einleuchtet, sie geht in etwa so: Weil etwas „gemacht wird“, deshalb „reicht es nicht“, etwas „einfach so“ sein zu lassen. Was könnte damit gemeint sein? Man kann es nicht leicht erraten, weil diskret im Dunkeln bleibt, wer derjenige ist, dem es nicht „reicht“? Was erwartet derjenige überhaupt? Oder diejenige. Was hat er für Maßstäbe? Oder sie. Ich vermute, dass hier ein größenwahnsinniger Anspruch im Hintergrund lauert, der ins Leere läuft. Wer richtet sich in diesem Szenarium überhaupt an wen? Wer erwartet etwas von wem? Wir wissen es nicht. Wir sehnen uns nach Sätzen, bei denen klar ist, was Subjekt und was Objekt, was Aktiv und was Passiv ist.

Auch „reines“ Junge-Sein steht in Anführungsstrichen, als wäre es ein Zitat und als würde jemand glauben, dass es so etwas tatsächlich gibt und als müsste man demjenigen dringend widersprechen. Es macht keine Freude, so etwas zu lesen. Es liegt ein verwischtes Make-up über dem Text, ein Schimmer von Unschärfe, gleichwohl wird ein apodiktischer Ton angeschlagen. Der Text soll vermutlich irgendwie salopp und zugleich wissenschaftlich wirken. Was ist dabei herausgekommen? Es wurden vorsätzliche Unklarheiten geschaffen, als würde eine Anweisung befolgt, die man gelegentlich in Drehbüchern von Federico Fellini findet – da heißt es: „Nebbia qui, nebbia là” (Nebel hier, Nebel dort).

Jungs dürfen nicht zu Männern gemacht werden

Was soll damit gesagt sein? Vielleicht das: Es reicht nicht, Jungen „einfach Jungen sein“ zu lassen, da muss dringend jemand eingreifen – aber wer? Denn es reicht nicht. Punkt. So ist es eben. Es reicht einfach nicht. Basta. Warum reicht es nicht? Weil Jungen sonst zu Männern „gemacht werden“. Das darf nicht sein, weil es keine Männer geben soll. Ist es so gemeint?

Das wissen wir nicht, wir ahnen es aber. Die Verfasserinnen des Dossiers wollen jedenfalls den berühmten Satz von Simone de Beauvoir nun auch auf Männer anwenden. Für Frauen gilt er schon lange (seit 1949). Eine Frau wird demnach nicht als solche geboren, sondern erst zur Frau „gemacht“ – von wem auch immer. Ein Mann soll nun auch so gesehen werden, als würde er erst zum Mann „gemacht“ werden.

Frauen „werden gemacht“, Männer „werden gemacht“ – Passiv hier, Passiv dort. Man fragt sich sofort: Gibt es in diesem Szenarium überhaupt noch jemanden, der so freundlich ist, den aktiven Teil zu übernehmen? Es wimmelt doch sonst überall von Aktivistinnen und Aktivisten, auch das Ministerium spricht von „Akteuren“, von denen man erwarten kann, dass sie irgendwie aktiv sind. Wie sieht es aus? Ist hier überhaupt noch jemand aktiv oder sind alle nur noch passiv und „werden“ immer nur zu irgendetwas „gemacht“, ohne dass sie selber etwas dazu beitragen?

Es steht geschrieben und es ist berühmt

Das Zitat ist berühmt, wie immer wieder betont wird. Doch das heißt nicht viel – auch wenn es vielen schon reicht: es hat jemand gesagt, es ist berühmt, Ende der Diskussion. Aber was besagt der Satz überhaupt? Im Original heißt er: „On ne naît pas femme: on le devient.“ Richtig übersetzt: „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es.“ Falsch übersetzt: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht“.

Der Unterschied ist bedeutend. In der richtigen Übersetzung kann sich die Frau selbst zur Frau entwickeln, während eine solche aktive Selbstermächtigung bei der falschen Übersetzung ausgeschlossen ist, da wird eine Frau zur Frau gemacht, ob sie will oder nicht.

Auch Margarete Stokowski hat sich Gedanken über den Satz, der ihr irgendwie komisch vorkommt, gemacht: „Man kommt nicht als Frau zur Welt …“ – und weiter? „… man wird es.“ Das berühmteste Zitat aus Simone de Beauvoirs Buch ‚Das andere Geschlecht‘ ist ein Satz, der komisch klingt. „Man wird es“, was soll das heißen?“

Gute Frage, die sie da in den Ring wirft. Ich vermute, dass der Satz gerade deshalb so eine nachhaltige Wirkung entfalten konnte, weil er eine große Lücke und damit viel Raum für Missverständnisse lässt. „Und weil der Satz so merkwürdig klingt“, schreibt Frau Stokowski weiter, „wird er gern anders beendet: „… man wird dazu gemacht“.

Wer war das? Wer hat es getan?

Aha. Weil der Satz „komisch“ klingt, wird er „anders“ beendet. Aber wer findet so etwas „komisch“? Für wen ist das ein Grund, diesen Satz „anders“ zu beenden? Wer macht sowas? Damit wird der Satz gründlich verfälscht. Das merkt auch Frau Stokowski, denn weiter schreibt sie: „Das Verb devenir = werden wird in der falschen Übersetzung aus einem aktiven „werden“ zu einem passiven „gemacht werden“. Ein ziemlicher Unterschied. Es ist nicht schön und wenig würdevoll, wenn der einzige Satz, mit dem eine Autorin immer wieder zitiert wird, auch noch falsch wiedergegeben wird.“

Passiv, Passiv, Passiv – wohin man auch blickt: Frauen „werden“ zu etwas „gemacht“. Der Satz, der das zum Ausdruck bringt, „wird anders beendet“ und dann auch noch „falsch wiedergegeben“. Die armen Frauen! Das arme Zitat! Was wird ihnen angetan? Wie wird da mit ihnen umgegangen! Wer macht hier eigentlich was? Ich war es jedenfalls nicht.

Ich werde ganz am Ende des Textes mit einem Kalenderspruch von Simone de Beauvoir aufwarten, der zeigen soll, dass man die berühmte Philosophin und Partnerin des ebenfalls berühmten Jean-Paul Sartre vor oberflächlichen Leserinnen in Schutz nehmen sollte. Sie ist viel differenzierter, als frau meint. Sie bedenkt auch die Gegenseite. Ihr Werk ist keineswegs flach und eindimensional und lässt eigentlich keine Dünn-Brett-Interpretationen zu, die einseitig und kitschig sind. Oder doch?

Der schiefe Turm

Wie wäre es mit folgendem, nicht so berühmten, aber durchaus geschlechtergerechten Zitat? Es stammt von mir und lautet: „Frauen und Männer werden nicht als Frauen oder Männer geboren, sondern entwickeln sich erst im Laufe des Lebens dazu, wobei vielerlei Faktoren auf diesen Prozess einwirken.“ Auch nicht schlecht – oder?

Ich weiß: Es ist nicht der Knaller. Mein Satz eignet sich nicht dazu, ihn zum Fundament einer feministischen Weltanschauung zu machen und eine Frauenpolitik darauf aufzubauen. Er wäre aber eine solide Grundlage. Es wäre sogar eine richtig gute, stabile Grundlage, bei der von Anfang an viele Faktoren berücksichtigt werden. Darauf könnte man gut politisches Handeln aufbauen. Denn in der Politik geht es ja gerade um die Vermittlung verschiedener Interessen.

Der berühmte, aber vielfach falsch zitierte Satz von Simone de Beauvoir ist nicht als Grundsatz geeignet. Der Turm, der auf der Basis dieses Satzes errichtet worden ist, ist dann auch schnell zum schiefen Turm geworden – zum schiefen Turm des Feminismus. Warum so schief?

Die Scheuklappen des Feminismus

Die Schiefheit kommt zustande, weil der Satz sozusagen nur auf einem Bein steht – wie ein Flamingo – und nur von Frauen handelt. Das ist noch nicht so schlimm. Die entscheidende Schieflage entsteht erst durch das Fehlen eines Aktiv-Postens; ja, ich möchte sagen: durch das Leugnen eines jeden nur irgend möglichen Aktiv-Postens.

Es gibt in der Frauenpolitik zwei Sichtblenden, zwei Scheuklappen: Es werden – erstens – nur Frauen gesehen. Zweitens werden die Frauen nur als Objekte gesehen, keinesfalls als Subjekte; keinesfalls als Personen, die aktiv etwas tun, sondern immer nur als welche, denen passiv etwas widerfährt. Männer werden gar nicht, Frauen nur verstümmelt wahrgenommen (um auch mal einen Satz im Passiv-Modus zu schreiben).

Die Scheuklappen-Verengung zieht sich durch die gesamte Frauenpolitik. Da heißt es beispielsweise, dass Frauen weniger Geld erhalten als Männer. Es wird jedoch nie dazugesagt, wer derjenige (oder diejenige) ist, der (oder die) den Frauen zu wenig zahlt. Würde man den Übeltäter (oder die Übeltäterin) erwischen und zum Nachzahlen verurteilen, könnte man das ganze Drama mit dem Gender-Pay-Gap beenden. Aber das geschieht nicht.

Es wird den Frauen ständig etwas angetan, aber keiner tut etwas

Es wird nur die Nehmer-Seite, nie die Geber-Seite gesehen. Vorstellbar wäre eine erweiterte Sichtweise schon: Man könnte etwa eine Statistik erstellen, die zeigt, ob Männer oder Frauen ihre Haushaltshilfen besser bezahlen und ob Männer oder Frauen mehr Trinkgeld geben. Nach meiner persönlichen, statistisch nicht relevanten Beobachtung kriegen Bettler in der U-Bahn mehr Geld von Frauen als von Männern. In all diesen Fällen würde man auch die Seite der Aktiven in den Blick nehmen. Das wird aber nicht getan. Warum nicht?

Weil es nicht geht. Oder nur selten. Nehmen wir ein Beispiel (es wird niemanden überraschen, wieso ich ausgerecht jetzt darauf komme): Ein Virus greift die Menschheit an. Nun kann man sich Gedanken machen – und das wird auch getan – ob Frauen oder Männer, Kinder oder Rentner, Deutsche oder Schweden stärker betroffen sind. Auch die Lockdown-Maßnahmen wirken nicht auf alle gleichermaßen.

Auf der Opfer-Seite (der Passiv-Seite) können wir leicht differenzieren. Wir ahnten es schon. Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen besonders betroffen sind. Aber kann man auch auf der Täter-Seite (der Aktiv-Seite) differenzieren und von einem „weiblichen Virus“ sprechen oder von „männlichen Lockdown-Maßnahmen“? Nein, das kann man nicht. Damit habe ich die Kurve gekratzt und die Frage beantwortet, ob man von einer „männlichen Sozialisation“ sprechen kann. Kann man nicht.

Wer so redet, müsste die Frage beantworten können, ob mit „männlicher Sozialisation“ gemeint ist, dass sie sich exklusiv auf Männer auswirkt oder exklusiv von Männern betrieben wird. Beide Möglichkeiten sind nicht überzeugend und könnten bei einer Befragung nicht bestehen. Also bleibt nur die Möglichkeit, die Antwort offen zu lassen. Die Frage steht aber weiterhin im Raum: Aktiv oder Passiv? To deal or to be dealt with – das ist hier die Frage. Wie sieht es damit aus? Das darf man eine Feministin nicht fragen. Möglicherweise gilt das schon als Belästigung.

Frauen sind immer nur passiv. Auch Mütter

Noch eine Frage: Wie sieht es mit den Nebenwirkungen aus? Wenn nun auch Männer die Auswirkungen einer Sozialisation erleben und erleiden, so wie es Frauen seit 1949 widerfährt, können dabei auch Einflüsse, die von Frauen – beispielsweise von Müttern – ausgehen, eine gewisse Rolle spielen?

Nein, natürlich nicht. Wer wagt es da, zu fragen? Mütter gehören in die Großgruppe „DIE Frauen“, die haben keine Macht, weil nur wenige Frauen in den Vorstands-Etagen zu finden sind. Das zeigt deutlich, dass Frauen grundsätzlich unterdrückt und benachteiligt sind. Sie sind immer nur passiv. Basta. Sie sind immer unschuldig. Sie tun nichts. Sie wollen nicht einmal nur spielen. Okay, ich ziehe die Frage zurück.

Von „männlicher Sozialisation“ kann man nur sprechen, solange man die Dunkelkammer des feministischen Denkens nicht verlässt. Wenn man drinsteckt, sieht man nur die Passiv-Seite und unterscheidet grundsätzlich zwischen Männern und Frauen. Im fortgeschrittenen Stadium versucht man, die Trennung auch auf die Aktiv-Seite zu übertragen. Das geht aber nicht, wenn auf der Aktiv-Seite eine Abstraktion steht, eine Verallgemeinerung – wenn da etwas ist, das sich nicht nach Geschlecht aufteilen lässt. So etwas wie „Sozialisation“ oder „Gesellschaft“ – oder ein Virus.

Die intellektuellen Idioten

Von „männlicher Sozialisation“ zu sprechen, ist nicht nur dumm, es ist idiotisch. Es ist eine Idiotie der besonderen Art. Nassim Nicholas Taleb nennt jemanden, der so vorgeht, einen „intellectual yet idiot“, einen intellektuellen Idioten. Denn auf den ersten Blick wirkt so ein Text allein schon durch die Wortwahl irgendwie gescheit, als wäre da ein ambitionierter Abiturient am Werk gewesen, doch schon bei der ersten Nachfrage fällt das Kartenhaus in sich zusammen.

Die Sache mit der „männlichen Sozialisation“ ist nur ausgedacht. Eine Luftnummer. Sie ist obendrein schlecht ausgedacht. Wir haben es hier mit einem billigen Schleiertanz zu tun. Verschleiert wird, wie die Sozialisation eines Jungen heute in der Realität aussieht. Nämlich wie? Wenden wir uns ab von der Fata Morgana und sehen wir, wie für Jungen heute eine tatsächliche Sozialisation aussieht.

Jungs und Männer sind die Buhmänner der Neuzeit

Einige Schlaglichter: Schon im Kindergarten müssen sich Jungs schminken und müssen mit Puppen spielen. Es gibt Programme, die nur behinderten Mädchen helfen, nicht aber behinderten Jungs. Wenn Jungs gegen Mädchen Fußball spielen, wird ihnen eine Hand auf den Rücken gebunden, damit sie behindert sind und die Mädchen gewinnen. An so genannten Mädchentagen dürfen Jungs das Jugendzentrum nicht betreten und so weiter. Jungs lernen von früh an, dass sie Menschen zweiter Klasse sind. Alles Beispiele aus dem richtigen Leben.

Wenn sie älter werden, wird es nicht besser. Sie gelten grundsätzlich als die Buhmänner der Neuzeit. Sie stehen unter Generalverdacht und sind für alle Übel der Welt verantwortlich: für Kapitalismus, Ausbeutung, Patriarchat, Klimakatastrophe, Kolonialismus, Faschismus, Gewalt. Umso schlimmer wird es, wenn ein Mann älter wird, eine helle Hautfarbe hat und sich daran erinnert, wie man grammatisch korrekte Sätze bildet. So sieht Sozialisation heute aus.

Die Frau soll das letzte Wort haben

Ach so, beinah vergessen. Ich wollte noch ein Zitat von Simone de Beauvoir bringen, in dem sich zeigt, dass sie die Menschen und die Welt nicht so platt in Gut und Böse aufteilt, wie das einige ihrer Verehrerinnen tun. So einfach ist es doch nicht mit den Frauen, sie sind keineswegs eindimensional. Simone de Beauvoir schreibt: 

„Es gibt keine Gestalt der Frau, die nicht sogleich ihr Gegenbild hervorruft: Sie ist Leben und Tod, Natur und Artefakt, Licht und Nacht.“

Das ist gut. Das ist umsichtig. Das ist intelligent. Das ist schön formuliert. Es ist noch besser als mein vorgeschlagener Grundsatz. Ich verbeuge mich vor ihr und möchte der Frauenpolitik vorschlagen, ihre eindimensionale Die-Erde-ist-eine-Scheibe-Vorstellung abzulegen und den Schritt hin zu einem umfassenden Menschenbild zu wagen, bei dem Männer und Frauen in ihrer ganzen Größe mit all ihren Licht- und Schattenseiten vor einem großen Himmel gesehen werden – als Menschen. Nicht nur als Abziehbilder. Nicht nur als Projektionen von Kleingeistern.

Da wäre ich gerne mit dabei: „Frau ohne Welt. Der Krieg gegen die Zukunft“

Teil 1 finden Sie hier.

Teil 2 finden Sie hier.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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sybille eden / 03.11.2020

Analog dazu : “Der Proletarier ( modern Arbeiter) wird nicht als Prolet geboren, er wird dazu gemacht”. Ich bleibe dabei, die Wurzel dieser Denke ist der ganz ordinäre Marxismus. Für Dummies.

Thomas Taterka / 03.11.2020

Stimmt gar nicht, daß viele zu Frauen “gemacht” werden : viele bleiben ewig dämliche Plapperfotzen, die zusammenhocken mit öden Labersäcken und beide träumen vergeblich vom Gegenteil.-  “Someday your Prince / ss will come” . ( Ich mag besonders die Version des Oscar Peterson Trio & Milt Jackson.

Mathias Rudek / 03.11.2020

Viele Kindergärten sind ja von Frauen geführt, für Jungs ist das wirklich nicht sonderlich förderlich. Ich kann mir bereits heute viele Kinderhorte als feministisch-ideologische Geschlechter-Kaderschmieden vorstellen. “Wenn Jungs gegen Mädchen Fußball spielen, wird ihnen eine Hand auf den Rücken gebunden, damit sie behindert sind und die Mädchen gewinnen.” Im Ernst? Nicht zu fassen. Danke Herr Lassahn, daß sie diese schlampige Sprache nochmal genau aufs Korn genommen haben, die scheint das BMFSFJ ja erfunden zu haben, liest sich wie eine schlechte Gebrauchsanweisung. Heute ist mir natürlich auch nochmal klar geworden, woran ich überall Schuld trage, man man man, da kommt ja allerhand zusammen. Merkwürdig nur, daß ich kaum jüngere und ältere Frauen kenne, die so denken, aber die sind eben auch gebildet und nicht verbildet.

Frank Stricker / 03.11.2020

“Schlampenprosa”, you made my day !  Würde auch gut dazu passen, die Liedzeile von Herrn Grönemeyer, “Wann ist der Mann ein Mann” ? Antwort , wenn das BMFSFJ grünes Licht gibt….........

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