Michael Miersch / 22.06.2007 / 08:05 / 0 / Seite ausdrucken

Die nette Linke von nebenan

Kolumne von Maxeiner & Miersch erschienen in DIE WELT am 22.06.2007:

Wir sind verbissene kalte Krieger, die immer noch die Kämpfe von gestern ausfechten. Außerdem leiden wir an Verfolgungswahn und sehen überall Kommunisten, die es doch – wie jeder weiß – gar nicht mehr gibt. Wir sind völlig humorlos und haben den Zeitgeist nicht begriffen. Solche peinlichen Eigenschaften - so konnten wir in den vergangenen Tagen hören und lesen - kennzeichnen Menschen wie uns, die „Die Linke“ nicht geheuer finden. Wir wissen natürlich, dass „Die Linke“ völlig und komplett neu ist, dass ihre Redner etwas absolut Neues meinen, wenn sie vom „Sozialismus“ und vom „Systemwechsel“ sprechen. Aber irgendwie werden wir das Gefühl nicht los, all das Neue irgendwo schon mal gehört zu haben. Ein erheblicher Teil der deutschen Öffentlichkeit sieht das anders und hat beschlossen, dass die Kader von gestern nun die netten Linken von nebenan sind. Amnesie macht glücklich, das zeigte schon die Mutter in „Good bye Lenin“.

Das Meisterstück der nach Mitgliederzahl drittgrößten deutschen Partei liegt nicht im Tarnen ihrer totalitären Herkunft. Das ist gar nicht nötig, denn bis auf ein paar Bürgerrechtler möchte niemand mehr davon etwas hören. Der eigentlich geniale Coup, vor dem ein David Copperfiled nur neidvoll erblassen kann, war das Verschwindenlassen eines stattlichen Milliardenbetrages auf offner Bühne.

Als im Dezember 1989 die SED zum ersten Mal umgetauft wurde (zunächst in SED/PDS) ging es um die Werte des Sozialismus – in einem sehr praktischen Sinne. „Gysi und seine Leute,“ so der ehemalige Berliner SED-Chef Günter Schabowski, „waren hinter dem Geld her wie der Teufel hinter der Seele.“ Gregor Gysi beschwor auf der Parteitagsbühne die Genossen, „keine Auflösung der SED zu beschließen, da sonst das Parteivermögen verloren geht.“

Wo endet das Parteivermögen einer allmächtigen Staatspartei? Die SED-Finanzexperten hatten da wohl ziemlich viel Spielraum. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages schätzte das verschwundene DDR-Vermögen auf 24 Milliarden DM. Verglichen damit ging es in den Spendenskandalen aller westlichen Parteien um lächerliche Beträge. Doch während die „Flick-Affäre“ und die „schwarzen Kassen der CDU“ noch vielen lebhaft in Erinnerung sind, hat das Verschwinden der DDR-Milliarden nie große Wellen geschlagen.

„Es geht hier auch nicht nur um ein Pfund Moral und um eine Hand voll Millionen,“ schrieb Wolf Biermann,“ sondern um einen mehrstelligen Milliarden-Besitz aus DDR-Zeiten. Weltweit verschachtelte Kapitalanlagen, schlafende Beteiligungen, durch konspirative Privatpersonen abgeschottet, Konten auf jeder Bank der Welt, Privatbanken in manchem Land der Welt. Die SED schafft mit Gysis Hilfe die politische Quadratur des finanziellen Kreises: Sie hat sich über die juristische Organisationsstufe der SED/PDS in eine neue Partei verwandelt, die die alte ist und – ein juristisches Zauberkunststück – zugleich auch nicht ist. Mit Hilfe dieser Konstruktion blieben die entmachteten Kader Besitz- und Rechtsnachfolger der antidemokratischen DDR Staatspartei. Gysi steht also der lachenden Erbengemeinschaft einer kriminellen Bande marxistelnder Ausbeuter, Mörder, rot getünchter Heuchler und Unterdrücker vor, die sich mit neuem Firmenschild wie ein schuldlos neugeborenes Kind in das wiedervereinigte Deutschland rettete.“

Der charmante Herr Bisky hat – auch dies ist vergessen - als Parteivorsitzender der PDS versucht, Bundestagsabgeordnete bei Androhung von 50 000 DM Bußgeld gerichtlich daran zu hindern, über die Arbeitsergebnisse des Untersuchungsausschusses „Verschwundenes DDR-Vermögen“ in der Öffentlichkeit zu berichten. Es ging in diesem Untersuchungsausschuss um die Klärung der politischen Verantwortung für das Verschwinden der Milliarden in der Zeit zwischen Dezember 1989 und der Vereinigung. Sowohl Bisky als auch Gysi verweigerten jede Mitarbeit im Untersuchungsausschuss. Sie zogen es vor, ein Bußgeld für Aussageverweigerung zu bezahlen.

 

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