Stefan Klinkigt / 19.11.2023 / 10:00 / Foto: Stefan Klinkigt / 30 / Seite ausdrucken

Die Natur findet einen Weg? Manchmal muss mensch nachhelfen.

Müsste man nicht spätestens jetzt das längst gescheiterte Nationalpark-Konzept „Natur Natur sein lassen“ und die grünen Phantasmagorien über „Wege zur Wildnis“ endlich zu Grabe tragen und zu einer nachhaltigen und naturnahen Waldbewirtschaftung – sprich: aktivem Waldumbau – übergehen?

Wie meine Autorenkollegin Martina Binnig vor ein paar Tagen berichtete, hat man sich in Brüssel gerade auf einen finalen Gesetzestext für ein sogenanntes „Renaturierungsgesetz“ geeinigt. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass „zerstörte Ökosysteme wieder in einen guten Zustand versetzt werden“ sollen.

„Bis 2030 sollen die EU-Mitgliedstaaten auf mindestens 20 Prozent der Landflächen und 20 Prozent der Meeresgebiete der EU ‚Wiederherstellungsmaßnahmen‘ durchführen. Bis 2050 sollen solche Maßnahmen für alle Ökosysteme, die eine Wiederherstellung benötigen, erfolgen. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass trockengelegte Moore wieder vernässt, Wälder aufgeforstet, Flüsse naturnäher gestaltet und Städte begrünt werden müssen.“

Was könnte das für die Region der Sächsischen Schweiz bedeuten?

Müsste man nicht spätestens jetzt das längst gescheiterte Nationalpark-Konzept „Natur Natur sein lassen“ und die grünen Phantasmagorien über „Wege zur Wildnis“ endlich zu Grabe tragen und zu einer nachhaltigen und naturnahen Waldbewirtschaftung – sprich: aktivem Waldumbau – übergehen, wie es die Bürgerinitiative „Naturpark Sächsische Schweiz“ fordert? So weist die Bürgerinitiative in ihrer Pressemitteilung vom 29.10.2023 beispielgebend auf das Hohnsteiner Revier hin:

„Das Hohnsteiner Revier ist eines von 13 Beispielrevieren in Sachsen, wo die positiven Auswirkungen einer integrativen Waldbewirtschaftung nachzuvollziehen sind. Im Wald rund um Hohnstein konnten die Teilnehmer [der geführten Wanderung vom 14.10.2023, Anm. d. Verf.] sehen, wie durch gezielte forstliche Maßnahmen gesunde Waldstrukturen entstanden und entstehen, die resistent und resilient gegenüber sich verändernden Umweltbedingungen sind.“

Auch in anderen Regionen der Sächsischen Schweiz, die nicht zum Nationalpark gehören und in denen Waldbewirtschaftung erfolgt, findet man viel vitalere Wälder mit einer offensichtlich großen Biodiversität vor – wie z.B. am Gohrisch und südlich des Pfaffensteins. Zwischen Pfaffenstein und der tschechischen Grenze am Südrand der Sächsischen Schweiz sieht man kaum noch Waldschäden. Hier wurden die betroffenen Areale abgeholzt und mit Laubwäldern wieder aufgeforstet. Es entsteht ein vielfältiger, lebendiger Mischwald. Diese Region unterliegt nicht dem Nationalpark-Konzept „Natur Natur sein lassen“ – es handelt sich hier um Landeswälder. Den Unterschied zu den Wäldern der Nationalparkregion kann man deutlich erkennen.

Und auch bei unseren tschechischen Nachbarn, die ebenfalls große Probleme mit großflächigen Waldschäden haben, sehen die Wälder anders aus, wie ein Foto aus dem Raum Chřibská (am Rand des Nationalparks Böhmische Schweiz) zeigt: Komplette Totholzareale wurden beräumt, Baumsetzlinge wurden neu gepflanzt (u.a. Weißtannen) und teilweise mit Drahtgittern/Drahtzäunen gegen Tierverbiss gesichert. Ein neuer Mischwald aus Birken, Fichten, Lärchen, Berg-Kiefern, Weißtannen, Ebereschen, Salweiden und Rotbuchen wächst heran. Auch eine neue reichhaltige Bodenvegetation entwickelt sich. Ich wage zu behaupten, dass dies langfristig ein deutlich besseres Konzept ist als das in den Nationalparken praktizierte „Natur Natur sein lassen“.

Auch die vielen Geisterwälder in der Hinteren Sächsischen Schweiz haben wir übrigens dem über 30 Jahre langen Wirken des Nationalpark-Konzepts „Natur Natur sein lassen“ zu verdanken, denn dieses ist in Wirklichkeit gleichbedeutend mit „Nichtstun, Verwilderung, Verwahrlosung“ – was angeblich besonders gut für Natur und Artenvielfalt sein soll. Besonders fatal wirkt sich dabei langfristig die Vorgabe aus, durch Borkenkäferbefall abgestorbene Bäume nicht mehr – wie es jahrhundertelang forstwirtschaftliche Praxis war – aus den betroffenen Arealen zu entfernen, wodurch z.B. im Fall von Waldbränden die Brandlasten rapide anwachsen.

Auf diesem Foto (aufgenommen am 17. Juli 2023 vom Plateau des Neuen Wildensteins) sieht man an der Horizontlinie zwischen dem Kleinen Winterberg (Mitte) und dem Frienstein (rechts) – und darunter – noch die Brandspuren des Sommers 2022. Die verheerenden Brände, die hinter der tschechischen Grenze, in der Böhmischen Schweiz (Auerhahnwände / Prebischtor), wüteten, waren u.a. hier durch Flugfeuer – bestehend aus dem brennenden Geäst abgestorbener Nadelbäume – durchgebrochen und hatten auch große Bereiche des Affensteinwegs (unterhalb der Felsriffe) verwüstet. Das sächsische grüne Umweltministerium weigerte sich allerdings bislang hartnäckig, einen Zusammenhang zwischen dem massenhaften Totholz und dessen verheerender Wirkung als Brandbeschleuniger zu erkennen.

„Aber Totholz gehört doch in einen naturbelassenenen Wald“

Der immer wieder kolportierte Satz, den man auch aus dem sächsischen grünen Umweltministerium hören konnte: „Aber Totholz gehört doch in einen naturbelassenenen Wald“ zeigt nur die Realitätsferne solcher Vorstellungen. Denn weder verjüngt sich ein Wald, der zu 100 Prozent aus noch stehenden und bereits umgebrochenen Nadelbaumgerippen besteht, noch ermöglicht er die Neuansiedelung einer vielfältigen Bodenvegetation – besonders an den Steilhängen der Felsriffe, die dann von immer schnellerer Erosion betroffen sind. Lediglich schnellwachsende Pionierpflanzen wie Birken, deren Samen mit dem Wind verteilt werden, üppig wucherndes Brombeergestrüpp – und vor allem wieder Fichten (Alte Forstweisheit: „Willst du einen Wald vernichten, pflanze Fichten, Fichten, Fichten.“), die bereits nach wenigen Jahren geschlossene „Fichtenteppiche“ bilden, den Waldboden komplett verschatten und damit keinen weiteren Pflanzenwuchs zulassen, haben in solchen zerstörten Ökosystemen eine Chance.

Natürlich weiß man nicht erst seit gestern, dass es im heutigen Sinne einer gesunden Artenvielfalt keine besonders gute Idee war, bereits vor Jahrhunderten hier großflächig reine Fichtenwälder anzupflanzen, was allerdings hauptsächlich wirtschaftlichen Gründen geschuldet war – benötigte man doch damals u.a. viel größere Mengen an Bauholz als heute, so dass diese Wälder auch regelmäßig „abgeerntet“ und wiederaufgeforstet wurden und sich Forstschädlinge wie der Borkenkäfer gar nicht erst in dem Maße ausbreiten konnten, wie wir es in den letzten Jahren erlebt haben. Das alles wurde aber im Rahmen des Nationalpark-Konzepts „Natur Natur sein lassen“ völlig außer Acht gelassen.

Deshalb gab es auch über die Jahrzehnte keine Waldschädlingsbekämpfung, denn der Borkenkäfer, sei ja „der Freund und Helfer des Waldes“ – so konnte man bereits vor Jahren auf aufgestellten Tafeln der Nationalparkverwaltung lesen. Die traurigen Resultate dieses falschen Konzepts sehen wir hier gerade, und deshalb ist es höchste Zeit für ein Umdenken. Hier könnten die eingangs genannten Beschlüsse aus Brüssel „zur Ausgestaltung eines Renaturierungsgesetzes“ endlich einmal etwas Positives bewirken. Manchmal muss mensch eben gestaltend nachhelfen – was in einer jahrhundertelang gewachsenen Kulturlandschaft wie der Sächsischen Schweiz sinnvoller ist, als weiter über „Wege zur Wildnis“ zu fabulieren.

Übrigens: Um hierzulande „zerstörte Ökosysteme wieder in einen guten Zustand zu versetzen“, sollten als erste Maßnahmen sämtliche Pläne zum Bau neuer wälderfressender Windradungetüme gestrichen und damit der perverse, umweltzerstörende sogenannte „Ausbau der Erneuerbaren“ (womit „die Erderhitzung gestoppt“ und das „Weltklima gerettet werden“ soll!) ein für allemal beendet werden. Der Reinhardswald („Grimms Märchenwald“, mitten im Herzen Deutschlands gelegen) lässt grüßen.

 

Artikel, die wir zu dieser Thematik bereits veröffentlicht haben:

Der Wildnis ein Stück näher

Sächsische Schweiz: Bilder der Verwüstung

Waldbrandgefahr durch „Natur Natur sein lassen“

Neues vom Streit um den Nationalpark Sächsische Schweiz

Sächsische Schweiz: Der Nationalpark-Frevel

Brände in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz

Foto: Stefan Klinkigt

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Johannes Schuster / 19.11.2023

Als verhinderter Förster, amtlich mit Zeugnis ausgestatteter Kenner des Waldbaus erlaube ich mir mal die Bermerkung…. (Ende des Intros), daß die ganze Misere von Stunde Null an jedem Waldarbeiter klar war und auch jedem Förster, der nicht nur zum Ficken in die Waldhütte fährt, sondern sein Fach Waldbau kann (und davon gibt es wenige Förster). Die Waldarbeiter im Schwarzwald nennen diese Sorte mit den Ideen, die nicht klappen können “Drecks - studierti Lumpesieche”, was soviel heißt wie ein nichtsnutziger Lump mit Studium. Mir wurden damals Strafen am Leib und Züchtigung mit Wendewerkzeugen angedroht für den Fall, daß ich “auf der Hochschule jemals so dumm würde, wie die “Grünen” (womit in dem Fall die Förster gemeint waren). Wir haben in der Tat das Problem, daß überall intellektuelle Vollidioten sitzen, wie über alles Bescheid wissen, kein Pogrom und keinen Waldbrand verhindert bekommen und mit ihrem reichen Geist immer jeden Zustand hinsitzen, über den sie dann philosophieren. Hat eine Gedenkstätte den 07.10.2023 verhindert ? Hat ein Grüner jemals einen Wirtschaftswald angelegt und erhalten ? Hat jemals ein Beauftragter irgend etwas PRAKTISCHES von Wert erschaffen ? Ich habe Hektare an Wald angelegt und gepflanzt und vermessen und in den Fruchtwechsel gebracht. Ich kriege die Negev grün, wenn es sein muß, wenn auch mit anderen Hölzern, versteht sich. Apropos Waldbau und das heilige Land: Die Opferei aus dem zweiten Buch Mose war mit ein Grund, für die Verwüstung, denn für das Abfackeln von Tieren brauchte man Brennholz. Die Römer haben die Verwüstung Italiens zu vertreten durch ihre Thermen. Auch die Tora enthält waldbauliche Fragestellungen. Wann hören die Opferungen auf ? Dann wenn der Brennstoff dafür nicht mehr verfügbar ist.  Die Höchsten Dinge können in den Praktischen erschlossen sein. Auch die Natur hat ihren Willen und ein Baum ist kein Stück Ton, das man formen kann. Adama und Chawwah sind Erde, nicht Pflanze !

Swen Fischer / 19.11.2023

Ich bin ja ganz bei Ihnen wenn die Aufforstung zu einem Laubmischwald führt. Nur leider ist der Forst noch lange nicht soweit. Bei denen gilt immer noch Fichten, Fichten, Fichten. Der Forst versagt schon seit Jahrzehnten, wenn nicht noch länger. Gerade in Staatsforsten wird immer noch ganz übel gewirtschaftet, aber schuld ist dann die Pilzsucher, der Wanderer, der Mountainbiker oder das Wild,  daß dann am besten ausgerottet werden soll. Wer mal zu einer Jagd im Staatsforst eingeladen wurde, weiß wovon ich rede. Jetzt liegt der Fokus auf die Abholzung für Windindustieanlagen. Da geht der ForstBW mit großen Schritten voraus. Was gerade im Südschwarzwald geplant ist, stellt alles in den Schatten. Hier wird gerade großflächig alles zerstört mit Windindustrieanlagen größer 250m. Es ist ja zur Rettung der Welt. Dafür muß man sein eigenes Land großflächig verwüsten. Dumm, Dümmer, Deutschland

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