Rainer Bonhorst / 17.08.2021 / 06:05 / Foto: Imago / 191 / Seite ausdrucken

Die Nationbuilder am Werk

Unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung nimmt das Afghanistan-Abenteuer einen unschönen und zutiefst peinlichen Ausgang. Die letzte Verantwortung für den Einsatz lag in Deutschland stramme 16 Jahre lang bei Angela Merkel.

Die Lage in Afghanistan ist خندا. Wie sich das خندا ausspricht, weiß ich leider nicht. Ich hab bei Google nachgeschaut, was „beschissen“ auf Paschtu heißt. Und das ist das Ergebnis. Die Schriftzeichen weisen ganz nebenbei auch darauf hin, dass die Paschtunen nicht unbedingt in westlichen Kategorien denken. Schreiben sowieso nicht. Gemeinsam haben wir wohl die Feststellung, dass die Lage in Afghanistan beschissen ist.

Auch das stimmt natürlich höchstens halb. Die Taliban finden die Lage wunderbar. Also په زړه پورې . Jedenfalls die Männer. In der Haut der afghanischen Frauen, ob mit, ob ohne Taliban im Nacken, möchte ich nicht stecken. Für sie gilt sicherlich, dass die Lage خندا ist.

Nach dieser Lagebeschreibung darf man die Frage stellen: Wer ist eigentlich dafür verantwortlich? Natürlich hat Osama bin Laden mit seiner Terror-Attacke auf Amerika den Anfang gemacht. Der Nächste in der Verantwortungsreihe war George W. Bush, der als US-Präsident einen solchen hundsföttischen Angriff nicht ungestraft lassen konnte. Osama musste zur Strecke gebracht und seiner al-Qaida das Handwerk gelegt werden.

Merkwürdigerweise nahm George Bush auf seiner Jagd nach Osama einen Umweg über den Irak, weil er dort noch ein anderes Hühnchen zu rupfen hatte. Oder, um im Bild der Fauna zu bleiben: Er wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er wollte Saddam Hussein (auch ein ganz übler Finger) gleichzeitig mit Osama bin Laden zu packen kriegen. Es wurde ein teurer Umweg, teuer im Wortsinne und teuer an Menschenleben. Seinen Saddam erwischte er schließlich in einem Erdloch. Aber Osama hatte sich längst aus Afghanistan, seinem terroristischen Hauptquartier abgesetzt. Es war dem amerikanischen Präsidenten mit dem in diesem Zusammenhang problematischen Namen Obama vorbehalten, den Oberterroristen in Pakistan zu erwischen und – um eine etwas gnadenlose, aber in diesem Fall angebrachte Sprache zu verwenden – ihn auszuschalten.

Welcher Außenminister wollte da zurückstehen

Da waren in Afghanistan längst die Nationbuilder am Werk. Das war nicht mehr allein Sache des amerikanischen Präsidenten. Große Teile der westlichen Welt beeilten sich, an dieser hehren Aufgabe mitzuwirken. Demokratie und Befreiung der Frau. Welcher Außenminister wollte da zurückstehen. Auch der Grüne Joschka Fischer nicht. Der SPD-Mann Frank-Walter Steinmeier nicht. Der liberale Guido Westerwelle nicht. Sigmar Gabriel (SPD) nicht und nicht einmal der gut gekleidete Heiko Maas, der noch bis vor kurzem davor warnte, sich voreilig aus Afghanistan zurückzuziehen. Alle waren bei der misslungenen Rettung Afghanistans für den Westen mit von der Partie. Es war parteiübergreifend deutsche Staatsraison, unsere Freiheit am Hindukusch zu verteidigen. Und da in der Aufzählung der Außenminister die CDU fehlt, sei daran erinnert, dass die letzte Verantwortung beim Bundeskanzler lag, also stramme 16 Jahre lang bei Angela Merkel.

Aber wie hätte man sich der großen westlichen Solidaritätsaktion verweigern können? Oder gar sollen? Gerhard Schröder hat sich Bushs Irak-Abstecher verweigert und sich nicht in die „Koalition der Willigen“ einbinden lassen. Sein Nein zum „Irak-Abenteuer“ war alles andere als diplomatisch und hat das Verhältnis zu Washington stark belastet, hat sich aber als glücklich erwiesen. Der Brite Tony Blair hat seinerzeit solidarisch mitgemacht und sah hinterher wie ein Pudel Washingtons aus. 

Aber im Fall Afghanistan war Schröder dann doch dabei. Es sollte ja auch kein Krieg sein, und die Deutschen sollten nur als Nationbuilder in Uniform auftreten. Um nicht zu sagen als Staatsbürger in Uniform. Den ersten Toten wurde darum von politischer Seite auch die Ehre verweigert, als gefallene Soldaten heimzukehren. Soldaten – ja; tot – ja; gefallen – nein. Es war ja kein Krieg. 

Der Weltpolizist geht von Bord

Es war aber doch einer, wenn auch ortsweise auf Sparflamme. Ein idealistischer, gut gemeinter und eben doch auch lebensgefährlicher Einsatz. Hätte man noch weitermachen sollen, um den jetzigen, ziemlich schäbigen Rückzug zu vermeiden? Und Gefahr laufen, die Marke des Dreißigjährigen Krieges zu knacken, ohne Gewissheit, dass nach weiteren zehn Jahren in Afghanistan die Demokratie fest verankert und die Frauen emanzipiert sein würden? Oder einfach mehr Soldaten hinschicken, um die ganze Wucht des Westens zum Tragen zu bringen? In Vietnam haben es die Amerikaner versucht. Eskaliert und eskaliert und was kam am Ende heraus?

Wie damals, so riss den Amerikanern auch jetzt wieder der Geduldsfaden, zuerst dem viel geschmähten Donald Trump, der seinen Landsleuten nicht mehr die blutige und teure Rolle des Weltpolizisten zumuten wollte. Joe Biden macht jetzt ganz im Sinne Trumps Nägel mit Köpfen. Der Weltpolizist geht von Bord. Das ist auch wieder nicht recht. Egal, ob sie den Polizisten spielen oder ob sie die Rolle ablegen – die Amerikaner können es dem Rest der westlichen Welt nicht recht machen.

Und – um auf die Eingangsfrage zurückzukommen – was ist nun mit der Verantwortung? Wer trägt sie? Natürlich die Politiker, die die Marschbefehle gaben, auch wenn sich keiner hinstellt und sagt: Ich übernehme die volle Verantwortung. Aber wie kann so eine Verantwortung aussehen? Soll oder will der Westen all die Afghanen, die für ihn gearbeitet haben, mit offenen Armen aufnehmen? Etwa noch 'ne Völkerwanderung in Richtung Deutschland? Oder soll man Erdogan bitten, noch ein Flüchtlingslager einzurichten, diesmal für Afghanen? 

Nein, es wird und kann nur eine minimalistische Verantwortung sein. Keine Völkerwanderung, sondern ein paar Anstandseinladungen. Mehr ist nicht zu verkraften. Weiter reicht die Verantwortung nicht. Es ist mal wieder ein klassisches Stück Politik. Die Suppe, die man sich eingebrockt hat, müssen andere auslöffeln. 

So nimmt auch unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung das Afghanistan-Abenteuer einen unschönen und zutiefst peinlichen Ausgang.

Foto: Imago

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g.schilling / 17.08.2021

Warum hört man von den Grünen nichts.  Das Chaos wurde mit Zustimmung von J. Fischer, A Fischer, Künast und Trittin eingeleitet. Muss Frau Laberbock erst in ihrem Völkerballlexikon nachsehen was sie sagen soll? Wenn es eng wird, wird es ganz still in der grünen Ecke. Wie ist das mit dem CO2 durch die Hilfsflüge? Müssen die Fff’s eine Extrarunde hüpfen zur Kompensation?

Heiko Engel / 17.08.2021

Herrschaften ! Wozu die ganze Aufregung. Da Frauen ja mittlerweile alles besser machen, lassen wir sie doch. Kerle kriegen es ja nicht mehr hin. Die deutsche links - grüne Durchschnittsparteioligarchin,  hässlich, ungebildet, ungehobelt, grossmäulig mit der beliebten Rattenfrisur stellt mit ihren Genossinnen die 1. deutschen reinen Frauendivisionen zur Bekämpfung der Taliban. Alles was Vollbart trägt und bei 3 nicht auf den Bäumen ist, wird tot gev….lt. Läuft ! Verlassen Sie sich darauf. P.S. Da Himmelfahrtskommando ist Rückkehr völlig ausgeschlossen.

Winfried Jäger / 17.08.2021

Man hätte einfach auf Peter Scholl-Latour hören sollen. Der hat die muslimisch geprägten Kulturen richtig beschrieben, ohne sie zu verurteilen. Sollen sie doch machen, was sie wollen. Vor Angriffen müssen wir uns verteidgen und ansonsten ihnen erklären, daß sie uns am A… vorbeigehen, weil sie selbst nichts, aber auch gar nichts zum technischen oder wirtschaftlichem Fortschritt der Menschheit beigetragen haben. Das einzige, was den überzeugten Anhängern dieser faschistischen Ideologie bleibt, ist die Überzeugung der eigenen Auserwähltheit und Überlegenheit vor Gott. Und genau damit kompensieren sie ihre Minderwertigkeits- oder besser Minderleistungskomplexe.

g.schilling / 17.08.2021

Ja liebe Leute, so sieht’s aus, wenn Buntland seine “Vorreiterrolle” einnimmt. Und das sollen dann alle anderen Länder nachmachen, weil das ja sooooo ein tolles Vorbild abgibt. (z.B. Energie, Bildung, Wirtschaft, Klima, Migration). Von D lernen heißt verlieren lernen.

Andreas Rühl / 17.08.2021

Das Versagen der ganzen Afghanistan Politik beruht auf einem ganz großen Missverständnis. Man hat sich wohl gedacht, wenn man den Menschen die “Qualitäten” des Westens aufzeigt, würden sie sozusagen von selbst - das Wohl und Wehe abwägend - zum Richtigen tendieren. Daran ist so gut wie alles falsch. Die afghanische Gesellschaft ist islamisch (mehr Steinzeit als moderat). Wäre es anders, gäbe es keine Taliban. Hier gibt es kein Abwägen zwischen “Für und Wider”, kein “Konsum ohne Kant”, hier gibt es nur das Beharren in einer gottgewollten Ordnung, weil alles andere Sünde ist und Grabesqualen bedeutet. Weiter wurden den Menschen in Afghanistan die Qualitäten des Westens gar nicht aufgezeigt. Das ist die absurdeste Politik, die man sich nur vorstellen kann: Eine Politik, die die klassischen Methoden verwendet, die Imperien an der Pheripherie einsetzen, aber gar kein Imperium will, sondern auf ein Volk einwirken will wie auf Schüler oder besser Sonderschüler. Und dabei auch noch mit ansieht, wie die von ihr unterstützte Regierung sich hemmungslos bereichert und den Soldaten das Nötigste vorenthält. Und sich dann wundert, dass diese Soldaten nicht bereit sind, für ein System, das a) von Fremden installiert und b) korrupt ist, den Kopf hinzuhalten. Wer klar bei Verstand war, wusste bereits nach Trumps Entscheidung, dass es so ausgeht. Woraus folgt, dass es Maas nicht wusste.

Rainer C. Ment / 17.08.2021

@Steffen Huebner - Der eigentliche Grund für den zweiten Irak-Krieg war wohl die Bestrebung Saddams, aus dem Dollar als Öl-Währung auszusteigen. Das hätte bei zunehmendem Nachahmungseffekt die USA in große wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Dies zu verhindern ist jedenfalls gelungen.

Claudius Pappe / 17.08.2021

” Karl Lauterbach scheinen solche Gedanken völlig fremd zu sein – denn er schlägt genau das jetzt vor. Und so twitterte er heute (kein Scherz): „Der Impfstoff verfällt und kann nicht weitergeben werden. Hier brauchen wir eine schnelle unbürokratische Lösung. Der Impfstoff könnte zB nach Afghanistan gegeben werden. Dort liegt die Impfquote bei 2%.“ Quelle : TE….................. Ohne Test nach Deutschland ?..............................aber nicht für den gemeinen Bio-Deutschen

Carsten Wegner / 17.08.2021

Jeder gefallene deutsche Soldat ist einer zuviel! Wir hätten unsere Leute schon lange abziehen müssen. Als Fazit bleibt nur, daß es den Staat Afghanistan nicht wirklich gibt. Es ist schon immer eine Region, die von Stämmen und korrupten Warlords regiert wird. Peter Scholl-Latour hat es bereits vor Jahren richtig beschrieben und das Scheitern vorausgesagt. Die sogenannte afghanische Armee war nie eine. Gestern im DLF hat ein deutscher Veteran gesagt, daß die Leute nie Disziplin und Kampfmoral hatten. Er hätte es auch deutlicher sagen können: Ein einziger Haufen voller widerlicher Feiglinge! Diese Feiglinge haben aber jetzt den Nerv sich an Flugzeuge zu klammern, um ins gelobte Merkel-Land mit Vollversorgung zu kommen. Ich bin für ein generelles Asylmoratorium, um zu verhindern, daß noch mehr junge Männer -  aus welchem Land auch immer - aus dieser Steinzeitkultur zu uns kommen. Prioritär sollte wir erstmal alle Kriminelle und Ausreisepflichtige außer Landes schaffen.

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