Gerd Buurmann / 22.11.2018 / 12:00 / Foto: Bundesarchiv/ H.Hoffmann / 18 / Seite ausdrucken

Die Mormonen des Islam, nur erfolgreicher.

Am 22. November 2018 beginnt in Frankfurt der Prozess gegen die Publizistin und Religionskritikerin Necla Kelek, angestrengt von der Ahmadiyya-Gemeinde. Sie hat Kelek verklagt, da die Autorin in einem Interview mit dem Deutschlandfunk aus dem Jahr 2017 die Gemeinschaft als „Sekte“ und „sehr verschlossene, sehr strenge Gruppe“ bezeichnet hatte.


Necla Kelek erklärte in dem Interview, für sie sei eine Religion eine Bewegung, die spirituell sein müsse und in der jeder ein- und austreten könne. Da diese Merkmale bei der Ahmadiyya-Gemeinde nicht erfüllt seien, bezeichnete sie die Gemeinschaft als Sekte und kritisierte die Entscheidung, sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts anzuerkennen als eine „Fehlentscheidung“. Kelek erklärt, die Ahmadiyya-Gemeinde nutze ihren Status als Körperschaft, um "eine politische Agenda zu verfolgen", und sei in ihrer religiösen Praxis "nicht transparent".


Auf Basis dieser Aussagen wurde Necla Kelek von der Ahmadiyya-Gemeinde verklagt. Was ist das für eine Gemeinde, die gegen die Meinungsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit klagt?


Ein Prophet Gottes

Die Ahmadiyya-Gemeinschaft wurde von Mirza Ghulam Ahmad in den 1880er Jahren in Britisch-Indien gegründet. Mirza Ghulam Ahmad wurde am 13. Februar 1835 in Qadian geboren und starb am 26. Mai 1908 in Lahore. Er erhob für sich den Anspruch, nicht nur der „Erneuerer des 14. islamischen Jahrhunderts“ zu sein, sondern war auch fest davon überzeugt, der „verheißene Messias“ und der „Mahdi der Endzeit“ zu sein. Er beanspruchte, im Geist und in Vollmacht Jesu aufzutreten. In dieser Bescheidenheit ist es nur verständlich, dass er auch erklärte, ein Prophet Gottes zu sein.


Im Jahr 1882 erhob Mirza Ghulam Ahmad den Anspruch, ein von Gott Auserwählter zu sein. Am 20. Februar 1886 schließlich soll Allah sich ihm offenbart und erklärt haben, er solle eine neue Gemeinschaft gründen, was er dann auch am 23. März 1889 tat. Im Juli 1895 teilte ihm Allah dann noch mit, Jesus habe die Kreuzigung überlebt, sei nach Indien ausgewandert und dort eines natürlichen Todes gestorben.


Als Mirza Ghulam Ahmad starb, hatte er bereits etwa 400.000 Anhänger gesammelt. Mirza Ghulam Ahmad erinnert an einen anderen „Propheten“, der ebenfalls im 19. Jahrhundert wirkte. Sein Name war Joseph Smith, er lebte in den USA.


Die Kirche der Heiligen der Letzten Tage

Joseph Smith lebte von 1805 bis 1844 und erklärte, er habe die Fähigkeit, mithilfe eines „Sehersteins“ verborgene Schätze aufspüren. Er behauptete, im Frühjahr 1820 seien ihm Gott und Jesus erschienen und am 21. September 1823 ein Engel mit dem Namen Moroni, der ihm Gottes Auftrag überbracht haben soll, ein Buch von Goldplatten zu übersetzen, welche „die Fülle des immerwährenden Evangeliums“ enthalten sollten. Diese Goldplatten lägen in einem Hügel mit dem Namen Cumorah in der Nähe von Manchester. Diese Goldplatten will er gefunden haben, worauf er die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gründete, besser bekannt als die Mormonen.

Mirza Ghulam Ahmad verkündete, Jesus sei in Indien gewesen und Joseph Smith behauptete, Jesus sei zwischen seinem Tod und seiner Himmelfahrt noch mal kurz nach Amerika geflogen. Die Mormonen verstehen sich selbst als Christen und die Ahmadiyya als Muslime. Wer jedoch glaubt, ein Mitglied der Ahmadiyya würde für den Islam sprechen, glaubt auch, ein Mormone spreche für das Christentum.


Dennoch ist diese Ahmadiyya-Sekte die einzige dem Islam nahestehende Gemeinde, die in Deutschland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurde; und zwar im Bundesland Hessen im April 2013. Zudem sind die Ahmadiyyas die ersten Gläubigen, die in Deutschland eine Moschee gebaut haben, nämlich die Wilmersdorfer Moschee.


Der Führer und der Mufti

Die Wilmersdorfer Moschee wurde zwischen 1924 und 1928 in der Brienner Straße im Berliner Ortsteil Wilmersdorf erbaut. In der Zeit des Nationalsozialismus trat in dieser Moschee der Jerusalemer Großmufti Mohammed Amin al-Husseini als Ehrengast der SS auf. Der Großmufti war in Berlin, um mit Adolf Hitler über die “Endlösung der Judenfrage” zu sprechen. Al-Husseini wollte das Land, über das er später zu herrschen plante, “judenrein” haben, und weil auch die Naziregierung das Gleiche wollte, diskutierten der Mufti und der Führer die Möglichkeit zur systematischen Ermordung aller Juden.


Nach dem Treffen fand die Konferenz am Wannsee statt, deren Ziel die Planung der Vernichtung aller Juden in Europa war. Al-Husseini soll einer der ersten Nichtdeutschen gewesen sein, der davon erfuhr. Adolf Eichmann informierte al-Husseini im Kartenraum des Berliner SS-Hauptquartiers, indem er dort seine Unterlagen für die Wannseekonferenz benutzte. Eichmanns Adjutant sagte später aus, dass der Großmufti sehr beeindruckt und so eingenommen von diesem Bauplan zur Judenvernichtung gewesen sei, dass er Eichmann bat, ihm einen Experten als persönlichen Assistenten nach Jerusalem zu schicken, um dort Todeslager und Gaskammern zu bauen, sobald Deutschland den Krieg gewonnen habe und er selbst an der Macht sei.


Es gab aber auch Ahmadiyya, die sich gegen das Naziregime stellten. Im Jahr 1925 zum Beispiel wurde der Schriftsteller Hugo Marcus Geschäftsführer der Gemeinde. Da er vor seinem Übertritt Jude war, wurde er von den Nationalsozialisten verfolgt. Die Gemeinde half ihm, ins Exil in die Schweiz zu entkommen. Der in Berlin lebende ägyptische Arzt Mohamed Helmy wiederum rettete eine jüdische Familie, wobei ihm Kamal el-Din Galal half, der dabei heimlich entwendete Papiere des Großmuftis Mohammed Amin al-Husseini benutzte, an die er anlässlich des Besuchs des Großmuftis in der Wilmersdorfer Moschee gelangt war. So rettete dieser Besuch einer jüdischen Familie das Leben.

Einhundert Moscheen für Deutschland

Die Ahmadiyya-Gemeinschaft hat eine lange und widersprüchliche deutsche Geschichte. Eine Sache aber ist klar, die Ahmadiyyas sind die Mormonen des Islam. Sie sind in Deutschland jedoch etwas erfolgreicher als die Mormonen. Im Jahr 1989 zum Beispiel rief der spirituelle Führer der Ahmadiyya und sogenannte "4. Kalif des Messias", Mirza Tahir Ahmad, anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Gemeinde das "100-Moscheen-Projekt" aus, das vorsieht, einhundert Moscheen in Deutschland zu bauen.


Im Oktober 2017, zwei Monate nach dem Interview Keleks mit dem Deutschlandfunk, fand auf dem Gelände des ehemaligen Mendiger Flugplatzes in Rheinland-Pfalz die 38. Jahresversammlung der Ahmadiyya Muslim Jugend statt. Trotz Regen und Sturm waren über sechstausend Mitglieder aus ganz Deutschland angereist. Der Bundesvorsitzende der Jugendorganisation, Hasanat Ahmad, erklärte:


„Vor dem Hintergrund gegenwärtiger gesellschaftlicher Turbulenzen sind wir als Teil der Zivilgesellschaft auch regelmäßig darum bemüht, versöhnliche Impulse zu setzen.“

Der versöhnlichste Impuls der Veranstaltung bestand darin, mit anwesenden Mitgliedern die „größte Deutschlandfahne“ nachzustellen. Der Pressesprecher der Muslim Jugendorganisation Ahmadiyya, Iftikar Malik, erklärte dazu:


„Mit dem Motto der Aktion ‚Muslime zeigen Flagge‘ möchten die jungen Muslime ihr klares, bedingungsloses Bekenntnis als loyale Bürger zum Ausdruck bringen. Für die Jugendlichen gilt: ‚Die Liebe zum Heimatland, also die Liebe zu unserem Deutschland, ist auch ein Teil unseres Glaubens. So ist es nur selbstverständlich, dass wir uns zu Deutschland bekennen und unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten möchten.“


Die Rhein-Zeitung schrieb am 9. Oktober 2017 über diese Aktion:

Frauen haben zu dem Festival übrigens keinen Zutritt – "das liegt an unserem Selbstverständnis" erklärt Malik. Denn man befürchte, dass sich die unterschiedlichen Geschlechter gegenseitig vom Beten und der religiösen Reflexion ablenken könnten. So sind es nur Männer, die am Samstagnachmittag im Regen zu Tausenden die Fahne der Bundesrepublik nachstellen, um ein Zeichen für Deutschlands Grundwerte zu setzen.

Ohne Frauen für Deutschland! Eine patriotische Geschlechtertrennung! Das ist mal ein klares und bedingungsloses Bekenntnis zu Deutschlands Grundwerten. Bravourös! Lediglich ein feierliches Verbrennen des Grundgesetzes wäre ein noch deutlicheres Zeichen gewesen. Dass die Ahmadiyya-Gemeinde es mit dem Grundgesetz und der dort verankerten Freiheit der Meinung und der Wissenschaft nicht so hat, zeigt sie gerade deutlich und nachhaltig mit ihrer Klage gegen Necla Kelek.


Foto: Bundesarchiv/ H.Hoffmann CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Hubert Bauer / 22.11.2018

Kann es für eine Religion, die Glaubensfreiheit ablehnt, Glaubensfreiheit nach Art 4 GG geben? Grundrechte sind ja Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat. Wenn ich in eine moslemische Welt hineingeboren werde und mich als Erwachsener vom Islam abwenden will, steht darauf der Tod (Wikipedia zu Apostasie im Islam). Der Staat hat aber mein Leben zu schützen (Art. 2 (2) GG). Müsste er dann nicht den Islam verbieten oder zumindest einschränken?

Andreas Zöller / 22.11.2018

Liebe Frau Angela Maaz, sie schreiben:” Es völlig absurd im 21. Jahrhundert an einen Gott zu glauben. Und jetzt bestimmen Religionen unser Tagesgeschehen.” Welche Religionen sollen das sein? Mir fällt nur eine ein, die mir seit relativ kurzer Zeit auf den Geist geht. Andreas Zöller

Mike Loewe / 22.11.2018

Wann immer Muslime “unser Deutschland” sagen, sind Gutmenschen sicher ganz aus dem Häuschen vor diesem scheinbaren Bekenntnis zur Integration. Für mich klingt es dagegen oft eher wie das heuchlerische Signal einer Inbesitznahme oder feindlichen Übernahme, besonders wenn es aus dem Mund von Hardlinern wie Ayman Mazyek kommt oder von Sektierern wie den oben genannten, und dann noch im gleichen Moment Frauenrechte mit Füßen getreten werden.

Frank Bleil / 22.11.2018

Vor einigen Monaten fiel mir in unserer Regionalzeitung ein Artikel wegen einer Merkwürdigkeit auf dem dazugehörigen Pressephoto auf. Es ging darum, dass die obengenannte Religionsgemeinschaft in unserem Ort einen Baum gepflanzt hatte, der nach den Worten des bei der Aktion anwesenden, hoch erfreuten Oberbürgermeisters “den inneren Zusammenhalt in unserer Gesellschaft” symbolisieren und fördern sollte. Merkwürdigerweise sind auf dem Pressebild - ich habe es als Kuriosum gespeichert und jetzt vor mir liegen - immerhin sechzehn Vertreter-* dieser islamischen Gemeinde zu sehen, die sich um Baum und Schaufel und OB scharen, ich kann hier allerdings das Suffix ‘-innen’ mal mit richtig gutem Gewissen weglassen, denn es ist keine einzige Frau weit und breit zu sehen. Doch halt: hinter einem der voll Integrierten lugt ein kleines Mädchen hervor. Ihre Fähigkeit zur Ablenkung der Frommen wurde wohl noch als zu gering eingeschätzt. Sicherheitshalber hat man ihr aber doch schon mal ein Kopftuch verpasst.

Thomas Rießinger / 22.11.2018

“Was ist das für eine Gemeinde, die gegen die Meinungsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit klagt?
” Was ist das für ein Gericht, dass diese Klage nicht sofort als offensichtlich unbegründet verwirft?

Jochen Brühl / 22.11.2018

Ich hatte einmal eine Auszubildende, die hielt Jesus für einen Moslem und Cuxhaven für einen Berliner Bezirk. Ich fand das als schulischen Bildungserfolg recht bemerkenswert, bis meine Kinder dann die besagte Ahmadiyya-Moschee in Berlin-Wilmersdorf im Rahmen des Religionsunterrichts besucht hatten und einen Flyer mitbrachten, in dem steht: Alle Menschen sind Moslems, auch Jesus war Moslem. Das fand ich dann noch bemerkenswerter.

Gertraude Wenz / 22.11.2018

Es ist unglaublich: Nachdem in den letzten Jahrzehnten endlich eine vernunftbasierte Säkularisierungswelle durchs Land schwappte, rüstet man sich nun mit Religion wieder auf. Der Aberglaube ist wieder auf dem Vormarsch: Vorwärts ins Mittelalter! Frau Maaz, ich bin ganz bei Ihnen!

Klaus Klinner / 22.11.2018

Der Kotau selbst vor extremen Formen des Islam geht weiter.

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