Rainer Bonhorst / 25.10.2020 / 14:00 / Foto: Friedrich Haag / 28 / Seite ausdrucken

Die Mohren haben ihre Schuldigkeit getan

Mein schönes Augsburg ist jetzt mohrenfrei. Das Traditionshotel, das seit Jahrhunderten – bis vor kurzem mit Stolz – den Namen „Drei Mohren“ trug, hat den Namen nach langer kontroverser Debatte jetzt von seiner feinen Fassade abmontiert. In den nächsten Tagen werden die Mohren durch das grammatikalisch problematische „Maximilian's“ ersetzt. Mit dem Deppen-Apostroph soll nun wieder Ruhe einkehren nach einer Zeitgeist-Diskussion, die – wie so oft – auf einem Missverständnis beruhte. Was ist Rassismus? Oder, um das Thema zu erweitern: Was ist eine rücksichtsvolle Sprache?

Als ich in den siebziger und achtziger Jahren regelmäßig die South Circular Road in London entlang fuhr, war dort noch ein Warnschild zu bewundern: „Cripples crossing“! Dass es diese sehr deutliche Warnung vor die Straße „überquerenden Krüppeln“ heute nicht mehr gibt, ist zweifellos ein sprachlicher Fortschritt. Auch den liebevoll erhaltenen Schuhkarton aus den fünfziger Jahren mit der Aufschrift „negerbraun“ als Beschreibung des (nicht mehr vorhandenen) Inhalts gibt es heute so nicht mehr, und das ist gut so. Aber zwischen diesen selbstverständlichen Absagen an beleidigende Begriffe und dem heutigen reflexartigen Rassismus-Geschrei bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit liegen Welten. (Wobei der Schuhkarton mit dem „negerbraun“ auch als Zeuge einer unschuldig-naiven Zeit dienen kann.)

Nehmen wir also die „Drei Mohren“. Jemand sieht oder hört das Wort  und zack – Rassismus! Dass der Name des Hotels eine historisch begründete Hommage an drei vornehme Reisende aus Abessinien ist, juckt keinen Rassismus-Rufer. Der Anschein genügt – und basta. Oberfläche ersetzt in der Rassismus-Debatte den Hintergrund. Damit wird der konkrete, alltägliche Rassismus, den es bei uns ja durchaus gibt, bagatellisiert. Das wahre Problem soll durch beschwörende Ersatzhandlungen nach Voodoo-Manier verbannt werden. Das kann nur scheitern. Die Augsburger Hotelleitung bekennt vernünftigerweise, dass sie angesichts des öffentlichen Drucks die Namensänderung aus geschäftlichen Gründen vollzogen hat, und nicht etwa, weil sie sich eines jahrhundertealten Rassismus schuldig fühlt.

Ein Stück Wertschätzung in Richtung Afrika verschwindet

Das Ergebnis ist allerdings, dass eine Hommage an die afrikanischen Promis, die vor 500 Jahren in der steinreichen Stadt genächtigt haben sollen, von der Bildfläche verschwindet. Die edlen Mohren haben ihre Schuldigkeit getan, sie müssen gehen. Ein Stück Wertschätzung in Richtung Afrika verschwindet wegen eines Missverständnisses, das stärker ist als die positive Geschichte.

Dies geschieht ähnlich auch auf andere Weise. So wird die Krippe im Ulmer Münster Opfer eines religionspolitisches Verfahrens. Figur des Anstoßes ist die Figur Melchiors, eines der heiligen drei Könige. Die hat natürlich ihren historischen Sinn. Aber das reicht nicht, um ihre Aufstellung zu sichern. Warum nicht? In diesem Fall aber geht es unter anderem um die Darstellung der betont dicken Lippen des Afrikaners. Tatsächlich ist die rund hundert Jahre alte Darstellung problematisch. Sie entstammt einer weniger empfindsamen Zeit. Unsere Zeit ist sensibler, aber auch heuchlerischer, also weg mit den dicken Lippen!

Nehmen wir die Entfernung Melchiors von seinem angestammten Platz als Anlass, der selten gestellten Lippenfrage einmal ein paar Worte zu widmen. Zweifellos gibt es Lippendarstellungen, die herabmindernd und rassistisch gemeint sind und nicht nur so empfunden werden. Aber auch die afrikanische Lippe hat Anspruch auf eine vernünftigen Behandlung. An satten Lippen, wie sie in Afrika nun mal häufiger sind als in Europa, ist nichts, aber auch gar nichts auszusetzen. Wer sich an ihnen stößt, ist bestenfalls ein Eurozentrist, im Zweifel ein – jawohl – Rassist. Viele weiße Frauen, die mit der mangelnden Fülle ihrer Lippen nicht zufrieden sind, lassen sich schönheitschirurgisch auf diesem Gebiet ein bisschen nachhelfen. Ähnliches gilt auch für die Region, die in Amerika „booty“ heißt. Auch da hofft die eine oder andere Frau auf eine etwas afrikanischere Ausprägung. Aber das nur am Rande. 

Afrikanische Lippen aus Angst vor Rassismus arisiert

Problematisch wird es, wenn afrikanische Lippen aus Angst vor Rassismus so weit arisiert werden müssen, dass sie sich an die messerschmalen Lippen eines preußischen Unteroffiziers annähern. Da wird die Angst vor Rassismus zu einem eigentlich perfideren Rassismus. Man sollte den verschiedenen Rassen ihre Merkmale gönnen. Das geht, ohne sie rassistisch zu karikieren. Sollen etwa auch krause Haare zwanghaft in schwedisches Langhaar gestreckt werden? Dies zu tun, soll den Betroffenen selber überlassen sein, nicht aber zum Darstellungszwang werden. Im Gegenteil. Zum stolzen „black is beautiful“ gehört das Bekenntnis zu den eigenen, besonderen und eben darum schönen Merkmalen. Sie zu leugnen, ist eine Form der Entwürdigung.

Man tut den Rassen keinen guten Dienst, wenn man sie leugnet, wie es demnächst unser Grundgesetz tun wird. Mit der Streichung des Wortes Rasse ist nichts gelöst. Mit der Europäisierung der Optik auch nicht. Mit der platten Bauchreaktion auf Worte wie „Drei Mohren“ schon gar nicht. Es genügt schon, dass der Morgenländer Jesus seit Jahrhunderten in unseren europäischen Darstellungen als eine Art leidender Lohengrin dargestellt wird. Aber das ist ein (gar nicht so) anderes Thema.

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Fritz Gessler / 25.10.2020

rassismus hat viele gesichter. der anti-rassismus, der die existenz von rassen leugnet, ist wohl das perfideste davon.

Kim Loewe / 25.10.2020

Dass die BLM-Welle aus den USA herüberschwappt, ist nichts als eine Modeerscheinung. Dieselben Leute, die die USA abgrundtief verachten, machen gerne unreflektiert alles nach, was von dort kommt. Diese Leute fördern Migration wohl auch hauptsächlich deshalb, weil es sie wahnsinnig stolz macht, dass wir nun auch endlich eine große schwarze (ersatzweise arabische) Community hier haben, und reden ein BLM-Problem herbei, wo keines ist. Vergessen dabei aber zu berücksichtigen, dass die USA dieses Problem tatsächlich haben, da die Schwarzen von den Weißen als Sklaven eingeschifft wurden, also nichts dafür können, in den USA zu sein. Die Schwarzen in Deutschland und Europa haben sich jedoch absolut freiwillig entschieden herzukommen, daher sind die Voraussetzungen völlig andere. Kein Mensch zwingt sie hier zu sein, wenn ihnen irgendetwas nicht passt. Daher ist die BLM-Bewegung in Europa ziemlich fehl am Platz.

Kim Loewe / 25.10.2020

Wir bewegen uns hier mitten in dem riesigen Feld des Aberglaubens. Der gemeine Deutsche hat panische Angst davor als Rassist zu gelten. Was tut der Mensch in Panik? “Er tut was”, irgendwas Abergläubisches. Da es die Tradition des schwarzen Melchiors gibt, wird diese abgeschafft, das ist dann ganz doll antirassistisch. Hätte es ihn nicht gegeben, dann wäre es ganz doll antirassistisch, einen schwarzen Melchior einzuführen, denn wie kann es sein, dass drei Weiße Männer ohne einen Schwarzen unterwegs sind? Also Hauptsache man verändert was. Schließlich wird der Schwarze auf der Packung von Uncle Ben’s auch aus denselben Gründen abgeschafft, während sämtliche anderen Werbebilder um Schwarze angereichert werden, egal ob es sich um Werbung für Kekse oder Kühlschränke handelt. Also Hauptsache man schwimmt auf der Welle mit und verändert was (irgendwas), dann ist man GUUUT.

Fritz Fuchs / 25.10.2020

Mir ist ein einziges deutsches Palindrom geläufig: ♦ EINNEGERMITGAZELLEZAGTIMREGENNIE ♦ Weil es Neger ja gar nicht gibt oder zumindest nicht geben darf. kann es somit aus Gründen der PC auch dieses Palindrom gar nicht geben. Wenn es sie nicht gibt, dürfte sich andererseits aber auch eigentlich niemand angesprochen fühlen, es sei denn, jemand halte sich für einen solchen. ☻ Zum Glück haben die lieben Kleinen heute ja Benjamin Blümchen und sind, wie die Kinder meiner Generation, nicht mehr auf den Struwwelpeter angewiesen (von dem kohlpechrabenschwarzen Mohren hat zum Glück schon lange niemand mehr etwas gehört oder gelesen, so dass er im Verborgenen wohl unbehelligt fortexistieren kann). Zumindest hoffe ich dies.

Jürgen Kempf / 25.10.2020

Die Stadt Coburg wird wohl demnächst auch Probleme bekommen mit ihrem Mohren im Stadtwappen.

Jochen Giesler / 25.10.2020

Ich bin mal gespannt, wann (die Frage “ob” stellt sich gar nicht) sie die Statue des Heiligen Mauritius im Magdeburger Dom in die Sakristei verbannen. Da steht er nun seit 770 Jahren, der stolze Ritter in seiner Rüstung, dunkelhäutig und mit vollen Lippen. Ganz offenkundig hat man am seinem Aussehen Jahrhunderte lang keinen Anstoss genommen, schon gar nicht ihn mit rassistischer Herablassung betrachtet. Die modernen Bilderstürmer merken gar nicht, wie sehr sie Kiplings “The White Man´s Burden” schultern - auf der linken Schulter, wohlgemerkt.

B. Kurz / 25.10.2020

Da haben die Korsen aber richtig Glück, dass dort nicht so bescheuerte Gutmenschen das Sagen haben. So dürfen sie wahrscheinlich ihren Mohren im Wappen behalten, sogar einen mit korrekt dicken Lippen. Andererseits sind Korsen ein stolzes Völkchen, die sich das ganz bestimmt nicht bieten ließen.  Der hier schon zitierte Inhaber des Restaurants “Zum Mohrenkopf” in Kiel war übrigens vor vielen Jahren nach Deutschland gekommen, weil er dereinst von dem Land begeistert war.

P. Wedder / 25.10.2020

Warum benennt man denn Straßen oder Orte nach Personen oder Personengruppen? Normalerweise um sie zu ehren, nicht um sie herabzuwürdigen. Allein daran liegt schon der erste Denkfehler dieser gutmeinden Menschen.

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