Wolfram Weimer / 21.11.2018 / 13:33 / Foto: Wing-Chi Poon / 66 / Seite ausdrucken

Die Migrationspakt-Kungler entlarven sich selbst

Der UN-Migrationspakt wird zum politischen Spaltpilz in Europa. Zuerst haben nur die USA das migrationsfreundliche Vertragswerk abgelehnt, inzwischen sind von Australien bis Estland zahlreiche Länder der westlichen Staatengemeinschaft gefolgt. Innerhalb Europas formiert sich eine vehemente Ablehnungsfront. Nach Österreich halten nun auch Ungarn, Polen, Bulgarien und Tschechien den Migrationspakt für untragbar. Norwegen, Dänemark und Kroatien werden wohl folgen. Italien, Großbritannien und Schweden schwanken. Auch Israel, China, Japan und Südkorea werden wohl kaum ratifizieren. “Es ist ein Momentum entstanden, dass immer mehr Staaten ablehnen wollen. Die deutsche Geheimdiplomatie scheitert”, sagt ein hochrangiger EU-Diplomat. Der Migrationspakt soll eigentlich bei einem Gipfeltreffen am 10. und 11. Dezember in Marokko verabschiedet werden. Doch der Erfolg dieses Gipfels wird immer fraglicher.

Denn auch hierzulande wächst die Kritik. War es anfangs nur die AfD, die gegen den Pakt polemisiert (es handele sich um ein “Umsiedlungsprogramm”, dass “am Bundestag vorbei” beschlossen werde) und mobilisiert hat, wird nun der Kreis der Ablehnung täglich größer. Die Freien Wähler – in Bayern neuerdings Regierungspartei – haben sich auf einem Parteitag gegen eine Unterzeichnung des Migrationspakts ausgesprochen. Der Pakt weise “zahlreiche Konstruktionsfehler” auf, kritisiert Bundesvorstandsmitglied Tobias Gotthardt. Es werde zu unklar zwischen Arbeitsmigranten und Asylbewerbern unterschieden. Außerdem sei die Verhandlungsführung der Bundesregierung ohne Beteiligung von Parlament und Bürgern bei einem so zentralen Thema inakzeptabel. Für die Kritiker sendet der UN-Migrationspakt die Botschaft, dass Massenzuwanderung legalisiert und erleichtert werden soll.

In der Union rumort es in mehreren Landesverbänden. Sachsen-Anhalts CDU hat sich als erster Landesverband auf einem Parteitag nun offiziell gegen den Pakt gestellt. Die Mehrheit der CDU-Delegierten votierte am Wochenende dafür, die Bundesregierung zu einer Ablehnung des Paktes aufzufordern. Zu den Befürwortern des Antrags gehörten der neu gewählte CDU-Landeschef und Innenminister Holger Stahlknecht sowie Generalsekretär Sven Schulze. Mit der deutschen Unterschrift unter den Vertrag bestehe die Gefahr, dazu genötigt zu werden, die Tore bedingungslos aufzumachen, begründete der Landtagsabgeordnete Lars-Jörn Zimmer den von ihm gestellten Antrag. Stahlknecht sprach von einer “gelben Karte für die Bundesregierung”. Der Pakt sei völlig unter dem Radar der Öffentlichkeit verhandelt worden. Weder die CDU noch die Bevölkerung hätten sich dazu positionieren können.

Eine Schmach für Angela Merkel

Die Stimmung an der Basis wittert auch Jens Spahn, der im Kandidatenrennen um den CDU-Vorsitz hinten liegt. Er vergleicht das Thema mit der gescheiterten TTIP-Debatte, will es auf dem Parteitag diskutieren und bringt eine Verschiebung der deutschen Zustimmung ins Spiel. Unterstützung erfährt er durch den Fraktionsvize und CDU-Mittelstandschef Carsten Linnemann. Sollten beide damit durchkommen, wäre das eine Schmach für Angela Merkel. Spahn hat Merkel schon einmal auf einem Parteitag mit der Doppelpassentscheidung besiegt. Der Migrationspakt ist ihm nun der willkommene Anlass, seinen schleppenden Vorsitz-Wahlkampf in Fahrt zu bringen. “Große Teile der Union lehnen das Ding ab. Wir haben Sorge, dass uns die AfD damit bei der Europawahl deklassiert”, erklärt ein CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Spahn-Lager.

Angela Merkel spürt den wachsenden Widerstand und kämpft immer vehementer für den Pakt. Eine Verbündete ist dabei Louise Arbour, UN-Sonderbeauftragte für Internationale Migration. Arbour gibt derzeit fleißig Interviews, um die wachsende Kritik in Deutschland und der Schweiz zu besänftigen. Schließlich sei der Wunsch nach dem Pakt doch von hier ausgegangen. In einem Interview mit der Wochenzeitung “Die Zeit” gesteht sie: “Die Initiative dafür ging von Europa nach der europäischen Krise 2015 aus.” Nun fragen sich Unionspolitiker, wer aus der Bundesregierung genau diese Initiative gestartet hat? Kanzleramt und Außenministerium hätten in dieser Frage unangemessen gekungelt.

Tatsächlich hatte die Bundesregierung offenbar von Anfang an die Federführung hinter den Kulissen der Paktschließung. Unter dem Vorsitz Deutschlands und Marokkos trafen sich Diplomaten, Politiker und diverse Interessengruppen 2017 und 2018 bei mehreren Veranstaltungen des “Global Forum on Migration and Development”. Das GFMD hat mit Hilfe des Außenministeriums das Marrakesch-Papier maßgeblich formuliert. Es erklärt auf seiner Webseite den Gipfel in Marokko zum “Höhepunkt” der “globalen Migrationsgemeinschaft” um “allgemeine Prinzipien und gerichtlich einklagbare Verbindlichkeiten” der Migration festzuschreiben. “Einklagbare Verbindlichkeit” ist genau das, was die Kritiker des Migrationspakts ohnedies als Fernziel der Paktes unterstellen.

Migration als Quelle von Wohlstand und Innovation?

Arbour verkündet hingegen: “Der Pakt ist kein Vertrag, er ist rechtlich also nicht bindend.” Warum aber sollte es ihn dann geben, wenn er nicht eine formale Wirkung entfalten soll? Rechtlich unverbindliche Vereinbarungen gehen häufig in internationales Recht über. Ein prominentes Beispiel ist etwa der Pariser Klimavertrag. Arbour entgegnet den Kritikern: “Dieser Pakt fördert Migration nicht, er zielt weder auf eine Reduzierung noch Erhöhung von Wanderungen. Er sagt weder, dass Migration gut sei noch schlecht.”

Warum bezeichnet dann seine Präambel ausdrücklich Migration als Quelle von Wohlstand und Innovation? Auf Nachfrage erklärt Arbour: “Weil es die Wahrheit ist.” Da der Ton in der Pakt-Debatte schärfer wird, formuliert auch Arbour zusehends aggressiver. Arbour glaubt, dass Länder, die den Pakt nicht unterzeichnen wollen den “Text entweder falsch verstanden haben oder unaufrichtig sind”. Damit aber diffamiert Arbour ihre Kritiker und ganze Länder wie die USA, Österreich oder Australien als Dummköpfe oder Lügner.

Der agitatorische Tonfall ist kein Zufall. Denn Louise Arbour gilt nicht nur als “Mutter des Migrationspaktes”, sie ist auch eine leidenschaftliche, politische Aktivistin. Seit Jahrzehnten betreibt sie aus einer linksliberalen Haltung heraus Politik zum Thema Minderheiten und Völkerrecht; ihre politischen Gegner rufen sie gerne “Comrade Louise”, Genossin Louise. Als Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen attackierte sie regelmäßig die US-Außenpolitik ebenso wie Israel oder auch die eigene Regierung in Kanada, die angeblich zu wenig für indianische Ureinwohner tue.

Arbour setzt sich dabei auch in politische Nesseln, so als sie die Arabische Charta der Menschenrechte begrüßte, die Israel einseitig des Rassismus bezichtigte und den Zionismus zu “eliminieren” suchte. Erst nach heftiger Kritik westlicher Staaten distanzierte sich Arbour von einigen Aussagen dieser Erklärung. Großen, parteiübergreifenden Respekt erwarb sich Arbour aber als Chefanklägerin der Tribunale zum Völkermord in Ruanda und zu den Verbrechen während der Jugoslawienkriege. Nun steht sie auf den europäischen Meinungsbühnen, um Angela Merkel einen Legitimationspakt ihrer Migrationspolitik zu ermöglichen. Doch es könnte sein, dass sie Merkel damit nur tiefer in politische Probleme treibt. Jens Spahn dürfte das hoffen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

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Walter Neumann / 21.11.2018

” um Angela Merkel einen Legitimationspakt ihrer Migrationspolitik zu ermöglichen.” Es wird immer deutlicher, dass die Initiative zu diesem Pakt von D aus ging (“Wunsch der Europäer”), um Merkels Migrationspolitik von 2015 sozusagen international zu adeln, bevor sie den Nobelkpreis dafür bekommt. Deshalb auch die Mauscheleien und die Quasi-Nicht-Information der Öffentlichkeit. Es bahnt sich ein Skandal an, der viele andere in den Schatten stellt. Eins muss man Jens Spahn lassen: er hat einen guten Riecher!

Heiko Stadler / 21.11.2018

Würde man die Regierungschefs aller Länder dieser Erde darüber abstimmen lassen, ob die Minderheit der Industriestaaten geplündert werden dürfen und das Ganze dann in Vertragsform festgehalten werden sollte, so käme nicht anders als der Migrationspakt dabei raus.

beat schaller / 21.11.2018

In Ländern wie Deutschland, zumindest so wie es vor 15 Jahren noch war, gehört solch ein “Geschäft” vors Volk. Von der Schweiz gar nicht zu sprechen. aber, wenn die “Konstrukteure und Steigbügelhalter” mindestens teilweise genau dort zu verorten sind, dann erstaunt es auch nicht, dass die Politik dem Volk sowas einfach unterschieben wollte. Vielleicht so, wie die Erhöhung der Politikerdiäten und der Parteienfinanzierung??? Eine ganz feine Art! b.schaller

Elmar Schürscheid / 21.11.2018

Das kommt davon wenn die Regierung glaubt auf Grund von Macht und Einfluss immer weiter durch regieren zu können, ohne die eigene Parteibasis mit ein zu beziehen. Der Scherbenhaufen ist größer als der Nutzen. Mathematik hilft. Sollte aber einer promovierten Naturwissenschaftlerin nicht neu sein. Oder ist da doch die Ideologie oder der Machterhalt wichtiger? Fragen über Fragen. Ein schönes Jahr steht uns bevor. Rette sich wer kann!

Marc Blenk / 21.11.2018

Lieber Herr Weimer, es handelt sich beim Migrationspakt um einen totalitären Alptraum, ein von Eliten ausbaldowertes Machwerks zur Aushebelung demokratischer Soubveränität. Was diese Eliten, seien es kapitalistische Globalisierer oder/und linksliberale One - World - Ideologen, mit ihrem diskursfreien Tun damit aber auslösen ist dies: Das Bewusstsein, dass Demokratie verlässlich zur Zeit nur im nationalen Rahmen durchführbar ist, wächst immer mehr. Die Welt muss drei Schritte zurück, um danach durch kluge Vereinbarungen freier Bürger aus freien Ländern weiter zu kommen. Wir haben weltweit und in Deutschland ein riesiges Eliteproblem. Der Souverän unserer Verfassung möge schlucken, was eine globalisierte Wirtschaft und eine durchgeknallte Politkultur für ihn vorgesehen hat.

Daniel Gildenhorn / 21.11.2018

Nun ja, global wird der Pakt schon mal nicht mehr. Das wünschte sich Deutschland als Impulsgeber dieser Abmachung zwar sehr. Allerdings zeigt sich zunehmend, dass es immer noch Realisten auf der Welt gibt. Und so reduziert sich der Pakt auf das, was er auch bezweckt. Eine Legitimierung fürs Handeln der hiesigen Regierung in den letzten drei Jahren.

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