Kurz träumten sogenannte Spitzenpolitiker diverser Parteien, sie hätten den Migrationsgipfel erklommen und wachten plötzlich im Migrations-Kindergarten auf.
An Aufführungen absurden Polit-Theaters ist Berlin nun wirklich nicht arm. Doch die bekannten Hauptdarsteller wollten dem mit ihrem sogenannten Migrations-Gipfel noch ein weiteres Stück hinzufügen. Regierende und Regierende im Wartestand wollen ja Handlungsbereitschaft zeigen, getrieben von der gemeinsamen Panik, dass – wenn sie den Bürgerwillen bei der Zuwanderung noch länger ignorieren – immer mehr Menschen diese unberührbare Oppositionspartei wählen. Nur, sie bekommen nicht einmal einen gemeinsamen Gesprächskreis zur Demonstration entschlossenen Handelns hin.
Einige Ampel-Minister, angeführt von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die gerade in der Zuwanderungsfrage mit einigen Maßnahmen-Placebos politisches Handeln simuliert, hatten Vertreter von CDU und CSU zum Gespräch geladen, um gemeinsame Schritte zu beschließen. In welche Richtung das gehen soll? Da wird man wohl die offizielle Sprachakrobatik ernst nehmen müssen.
Nach Lage der Dinge müsste es ja um die Eindämmung der illegalen Einwanderung in die Sozialsysteme über den Asylantrag gehen. Aber die Regierung spricht nicht gern von illegaler Einwanderung, sondern lieber von „irregulärer Migration“. Und nach den Worten des Bundeskanzlers geht es um deren Management und nicht deren Eindämmung. In diesem Falle will man dem ungeliebten Kind wohl nicht nur einen schöneren Namen geben, wie das heutzutage üblich ist. Es geht tatsächlich um die Ablenkung von dem, was die Bürger wollen. Die wollen schlicht, dass der ungesteuerte Zustrom von jenen kulturfremden und oft gewaltaffinen Zuwanderern aufhört, die den Anspruch erheben, dass für sie auch hier ihre eigene voraufklärerische Weltsicht nebst dem darin festgelegten Regelwerk gilt und nicht diese Freiheitsvorstellungen der Eingeborenen. Der Ärger steigt ebenso über all jene, die zwar Sozialleistungen beanspruchen, aber die Gesellschaft, in der sie erwirtschaftet werden, ablehnen.
Zu mehr langt der Mut nicht
Lange Zeit galt es als höchst unmoralisch, diese Probleme überhaupt anzusprechen. Doch diese Hemmung fällt bei immer mehr Bürgern. Von Wahl zu Wahl sind auch immer mehr von ihnen bereit, die Lösung dieser Probleme mittels einer Protestwahlstimme für die AfD anzumahnen. Das haben die Regierenden und die Regierenden im Wartestand lange geflissentlich ignoriert und lediglich in immer schrilleren Tönen vor der AfD gewarnt. Erfolglos.
Die durch die deutsche Zuwanderungspolitik verursachten oder verstärkten Probleme werden immer deutlicher spürbar und sind kaum noch zu übersehen. Da dämmert es den Politikern der etablierten Parteien, dass sie handeln müssen oder zumindest etwas tun sollten, das diesen Eindruck erweckt.
Das Maßnahmenpaket der Ampelregierung wird nur einen äußerst marginalen Einfluss auf die Zuwanderungszahlen haben. Aber zu mehr langt der Mut nicht, denn dann müsste man öffentlich bekennen, dass die bisherige und mit so hochmoralischem Anspruch verteidigte Migrationspolitik ein Fehler war und es einer deutlichen Umkehr bedarf. Die Ampelparteien sind in dieser Frage nicht nur formell als Regierung, sondern auch inhaltlich Merkels Erben.
Da lag ein Gedanke nahe: Vielleicht lässt sich ja etwas mehr tun bzw. sieht es entschlossener aus, wenn nicht nur die Regierung, sondern auch CDU und CSU mitmachen und gemeinsame Maßnahmenpakete mit der Ampel erarbeiten. Das sind schließlich auch Merkels Erben, was läge also näher, als die Last dieser Erbschaft gemeinsam zu schultern.
Und wenn man in der Berliner Politik über solche Dinge spricht, dann reicht ein Gesprächskreis nicht aus, dann muss es schon ein Migrations-Gipfel sein. CDU-Chef Friedrich Merz gab sich dann im Vorfeld auch ganz gipfelig und zelebrierte seine Art von Gipfel-Diplomatie. Er ließ verlauten, dass CDU-Vertreter nur dann zum Gipfel erscheinen würden, wenn die Regierung auch regelmäßige Zurückweisungen illegaler Einwanderer zusichert.
Fortsetzung im Kindergarten
Dann gab es zwar diese Zusicherung nicht, aber in der CDU wollte man verheißungsvolle Sätze von Innenministerin Nancy Faeser gehört haben, weshalb die christdemokratischen Vertreter zum Gipfeltreffen erschienen, um dann allerdings die Runde wieder zu verlassen, weil die Ampelregierung nicht zu einer wirklichen Begrenzung der Migration bereit wäre.
Die Fortsetzung ist nun wie im Kindergarten, beim Spiel um die Frage, wer ist schuld am Gipfelscheitern? Der CDU-Vorsitzende Merz beschuldigt die Grünen, weil sie mit ihrer Agenda den notwendigen Lösungen im Wege stünden, und er beschuldigt den Kanzler, weil er sich dagegen nicht mit seiner Richtlinienkompetenz durchsetzen würde. Der Bundeskanzler wiederum beschuldigt den CDU-Vorsitzenden, am Scheitern schuld zu sein, denn zu Führungsqualitäten gehöre auch die Kompromissbereitschaft. In den gegenseitigen Schuldzuweisungen spielt die eigentliche Sache nur noch eine Nebenrolle. Lustig ist auch die Forderung von FDP-Chef Christian Lindner nach einer Neuauflage des Gipfeltreffens nur unter den Spitzenmännern. Was stellt er sich da vor? Ewig lange Zusammenkünfte, an deren Ende ein Kompromiss verkündet wird, der nur Stunden später wieder in sich zusammenfällt, so wie es die Ampelmännchen jüngst beim Haushalt vorgeführt haben? So eine Runde der drei Ampelmännchen, ergänzt durch Merz und Söder, dürfte wohl kaum geeignet sein, das Vertrauen abtrünniger Wähler in die etablierte Politik zurückzugewinnen.
Vielleicht ist es für die Merkel-Erben leichter, sich dem Gedanken einer Abkehr vom Merkel-Kurs zu nähern, wenn sie dies alle zusammen tun. Aber grundsätzlich ist und bleibt es Sache und Verantwortung einer Regierung, Lösungen für solche Probleme zu finden und durchzusetzen. Man muss es eben nur wollen. Und ins Ampelweltbild passen die möglichen Lösungen nun einmal nicht. Andere Regierungen in Europa machen es vor, wie beispielsweise die dänischen Sozialdemokraten. Man muss an die sogenannten Pull-Faktoren gehen. Der Lockruf von der anstrengungslosen Rundumversorgung, sobald man das Land erreicht und einen Asylantrag gestellt hat, muss verstummen. Das scheint sich, wenn man sich die Zuwanderungsstatistik in Dänemark oder beispielsweise auch in Schweden anschaut, auszuzahlen. Aber das ist das genaue Gegenteil von dem, was Merkel als politisches Erbe hinterlassen hat und wofür sie die derzeit in Bund und Ländern Regierenden noch bis vor kurzem mit etlichen Orden und Staatspreisen überhäuft haben.
Was machen Merkels Erben nun? Weitere Ankündigungen einer von Panik geleiteten Politik, weil sie hoffen, dadurch vielleicht in Brandenburg noch das größte Unheil für sie abwenden zu können? Oder tatsächlich praktische und lösungsorientierte Politik?
Ersteres wird den Erfolg in Brandenburg nicht bringen, im Gegenteil. Wie Umfragen zeigen, ist die AfD derzeit eher im Steigflug. Die Protestwähler merken, dass ihr Votum nun endlich verstanden wird, aber sie glauben den Ankündigungen noch nicht. Deshalb werden sie nicht sofort von dieser Wahlentscheidung ablassen. Sie dann aber enttäuscht weiter zu ignorieren, wäre ein kapitaler Fehler der etablierten Parteien. Nach so langer Zeit der Ignoranz wird ein Umsteuern erst ernst genommen, wenn es tatsächlich konkrete und spürbare Ergebnisse zeigt. Es ist immer weniger möglich, Wähler noch mit reinen Ankündigungen zu beeindrucken. Das Ergebnis der Brandenburg-Wahl wird man weder mit Gipfeln noch mit Versprechen nennenswert beeinflussen können. Verheerend wäre es, wenn die vom Wähler Abgestraften dann wieder versuchen, zu überhören, was ihnen die Wahlbürger mit ihrem Votum sagen wollten.
Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.