Interview / 07.05.2019 / 17:00 / 11 / Seite ausdrucken

“Die Menschen möchten, dass du echt bist”

Der morgige 8. Mai ist der Tag der Befreiung, er steht für das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Viel Symbolik also an einem Tag. Achgut.com Autorin Orit Arfa sprach mit US-Botschafter Richard Grenell, der sein einjähriges Deutschland-Jubiläum feiert. "Ich wollte Botschafter in Deutschland werden", sagt er, "ich denke schon, dass die Beziehung ein wenig reformiert werden sollte." Hier als Vorschau einige Ausschnitte aus dem halbstündigen Gespräch (Ein Video des vollständigen Interviews zusammen mit einer schriftlichen deutschen Übersetzung erscheint morgen auf Achgut.com).

US-Botschafter Richard Grenell über:

Social Media....

Ich denke die sozialen Medien haben die politischen Überzeugungen von Reportern geoutet. Wenn sie zum Beispiel etwas auf Facebook posten, verstehen sie nicht, dass sie sich im Grunde als konservativ outen oder als Verfechter einer Partei oder Person. Ich denke das ist eine gute Entwicklung, weil es authentisch ist. Eine Sache, die ich in Kampagnen und in der Diplomatie gelernt habe, ist, dass Menschen auf Authentizität reagieren. Sie möchten, dass du echt bist, das heißt kein Roboter, der immer das Richtige sagt. Sondern, dass du vielleicht auch Fehler machst und diese zugibst. 

Seine Arbeit als Botschafter...

Als ich hier angefangen habe, sagte ich allen in der Botschaft, ich bin einer der Mitarbeiter. Ich habe früher die Memos geschrieben, ich war der Typ hinter den Kulissen, der mit dem Chef gesprochen hat. Und ich habe das Herz so eines Typen. Ich werde eine Liste machen – eine To-do-Liste – und was da drauf steht, will ich auch erledigen. Ich habe um diesen Job gebeten, nachdem ich im Wahlkampf mit Präsident Trump zusammengearbeitet habe. Ich wollte Botschafter in Deutschland werden. Einer der Gründe dafür ist, dass die Deutschen sehr wichtig sind für Amerika. Ich war acht Jahre bei den Vereinten Nationen. Ich habe gesehen, wie wichtig die E3 sind – also Frankreich, Großbritannien und Deutschland –, um etwas durchzusetzen. Wenn du in den Sitzungssaal der UN-Vollversammlung gehst, siehst du 192, 193 Länder aus aller Welt vor dir. Das wirkt ganz schön einschüchternd, der erste Blick in diesen riesigen Saal. Als Amerikaner bist du sofort überwältigt von dem Gedanken: „Ich kämpfe für Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit. Wo sind die Europäer, meine Freunde, meine Verbündeten?“ 

Über deutsch-amerikanische Differenzen...

Nun, ich denke, für mich als Vertreter Amerikas ist es sehr wichtig, der Regierung klar zu sagen, welche Politik die USA bei diesen Themen vertreten. Also versuche ich das und bin da auch sehr offen: Das hier ist die Politik der USA. Das ist unserer Meinung nach der beste Weg. Und dann höre ich der anderen Seite zu. Es ist immer ein Geben und Nehmen. 

Ich muss dazu sagen, dass wir in den meisten Fällen miteinander übereinstimmen und tatsächlich unsere Beziehungen ausbauen. 

Über Unterstützung für Israel...

Israel ist die bedeutende Demokratie der Region. Denken Sie daran, was Israel tut, um Schwule und Lesben zu unterstützen, und vergleichen Sie das mit anderen Ländern der Region, und dann steht außer Frage: Das menschenrechtliche Engagement für Israel ist für mich nicht verhandelbar. 

Das ist also eine einfache Antwort für mich, das ist eine Politik, die ich mühelos unterstützen kann. Ich mache das sehr gerne und werde es bereitwillig weiter tun. Das ist für mich nichts Besonderes. Das ist ein Teil von mir. 

Und das jüdische Volk? Was ist mir der Unterstützung des jüdischen Volkes? Ich gehe davon aus, das hängt miteinander zusammen.

Über Homsexualität und Länder, die sie immer noch kriminalisiert...

Ich war acht Jahre bei den Vereinten Nationen, und die UNO hat eine Menschenrechtscharta. Diese Charta ist eines der grundlegenden Dokumente, das Länder anerkennen, um sich den Menschenrechten zu verpflichten. Wenn ein Land unbescholtenes Mitglied der Vereinten Nationen sein will, muss es die UN-Menschenrechtscharta einhalten, und es ist aus meiner Sicht irrwitzig, dass 71 Länder Homosexualität kriminalisieren. Das steht in direktem Widerspruch zu den ureigensten Dokumenten und Standards der UNO. 

Daher bin ich der Meinung, die Vereinten Nationen müssen mehr tun, um die Menschenrechtscharta durchzusetzen, und es macht mich traurig, wenn ich E-Mails bekomme – hier kommen wir zurück auf die Frage zu den sozialen Medien –, wenn ich täglich E-Mails oder Nachrichten bekomme, sieben bis zehn am Tag, von Schwulen und Lesben aus der ganzen Welt, die sagen: „Ich kann nicht ins Restaurant gehen. [00:21:22] Ich kann nicht ich selbst sein. Ich bin absolut unsichtbar.“ 

Daran zu denken macht mich traurig. 

Darüber wie man sich als Person treu bleibt....

Ich sehe mich immer noch als Mitarbeiter, als Arbeiter, der hart schuften will, den Dingen auf den Grund gehen will. Das war wahrscheinlich für manche Leute hier eine Anpassung. Ich möchte zum Beispiel gerne „Ric“ genannt werden.

(Das wird übrigens R-I-C ausgesprochen.)

Naja, mein richtiger Name ist Richard. Also ist es manchmal einfach nur „Richard.“ Aber, wissen Sie, für mich ist es wirklich wichtig, auf das zu achten, für das ich gerade Verantwortung trage. In der Bibel heißt es: Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel verlangt. Und ich spüre diesen Druck, ob es nun ein Telefonanruf von Präsident Trump ist, der mir sagt, „Sie müssen jetzt dies oder jenes tun“ oder Anweisungen aus Washington. 

Es gibt viel zu tun, und ich bin ganz und gar beschäftigt mit meiner To-do-Liste, und daher denke ich über das, was ich bisher vielleicht erreicht habe, nicht weiter nach. Ich konzentriere mich einfach auf das, was ich zu tun habe und, wie gesagt, es gibt viel zu tun.

Ein Video des vollständigen Interviews zusammen mit einer schriftlichen deutschen Übersetzung finden Sie hier.

Foto: US Consulate Munich usembassy.gov via Wikimedia Commons

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Stefan Bley / 07.05.2019

Dear Ric, Ich muss Dir leider widersprechen. In sozialen Medien ist (so gut wie) niemand authentisch. Insbesondere wer in der Öffentlichkeit steht, oder mit seinem Arbeitgeber vernetzt ist, würde sich nicht anders äussern als vom Mainstream erwünscht. Alles andere käme heuer einem sozialen Suizid gleich. Insofern möchte ich Dich als US-Gesandten bei uns in der neuen DDR begrüßen.

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