@Volker Kleinophorst: Wie wir die Wiedervereinigung geschafft haben, war die Frage. Sorry, ich hab mich blöd ausgedrückt. Ich weiß aber nicht, warum den Mann gerade die Wiedervereinigung so interessiert hat. Vielleicht wollte er im Auftrag aller Uiguren die Möglichkeit einer Vereinigung mit der Türkei sondieren.—- 1990 war außer meinem Mann und mir in Turfan kein einziger Europäer (“Kaukasier”) zu sehen, in Urumqi auch nicht. Deshalb fand ich es schon extrem beeindruckend, dass der Mann auf dem Markt über die deutsche Wiedervereinigung Bescheid wusste.
Danke Frau Dewes für diesen klaren, unprätentiösen und wichtigen Artikel. Ich kann mich noch so klar an den 9. November 1989 erinnern, die Frage stellt sich für mich kaum. Ich war mittendrin in Westberlin als Student und ich wohnte auch in Tuchfühlung zur Berliner Mauer in der Ecke Maibachufer/Sonnenallee. Für mich war das ein grandioses Ereignis, ich fand es großartig wieder in einem vereinten Deutschland zu leben. Sie haben das sehr richtig beschrieben, daß die sogenannte “Mauer in den Köpfen” in erster Linie bei den zu verorten war und ist, die in ihrer politischen Blase realitätsfern den Alltag der Menschen zu beschreiben suchten. Linke Politiker, Publizisten und Linksintellektuelle sollten nun endlich begreifen, daß ihr marodes Gesellschaftsmodell als große kapitalistische Alternative nicht mehr zu gebrauchen war. Die große Antithese kam nun auf’s Abstellgleis. Aus heutiger Sicht sehe ich es so wie sie, die geistige Führerschaft hätte unter dem damaligen Bundeskanzler Kohl nicht abgegeben werden dürfen. Die Zugeständnisse an die politischen Führer und alten SED-Kader waren damals ein elementarer Fehler. So schafften sie es u. a. auch über die Treuhand (Detlev Rohwedder roch damals den Braten und wurde deshalb liquidiert.) als Instrument Millionen für die noch hochaktiven Stasi-SED-Seilschaften zu bunkern und wichtige Positionen in Landes- und Bundesbehörden zu besetzen, von dubiosen Nichtregierungsorganisationen wie der Amadeo-Antonio-Stiftung der ideologisch bornierten Anetta Kahane mal ganz abgesehen. Die Mauer im Kopf ist genau in diesen Figuren zu verorten und sie kumuliert im Cerebrum bei einem unserer West-Polit-Protagonisten und das ist unser Bundespräsident, nur gemerkt hat er es noch nicht.
Wie viele Menschen, die im Westen geboren und relativ sorglos und unbehelligt leben konnten ( ich komme aus einer armen Familie, sowas gab’s im Westen auch : New York war so weit weg wie der Mond ) , war ich vor 30 Jahren auch erleichtert und voller Begeisterung und Hoffnung, daß sich die Wiedervereinigung schon irgendwie einrenken würde, durch geteilten Wohlstand und gemeinsam revidiertes Pathos und geübtes kritisches Denken. - Heute allerdings bin ich zu dem Schluß gekommen, daß es der zweite Kardinalfehler der Bundesrepublik war, erneut die zahlreichen Mitwirkenden einer üblen Diktatur ungestraft davonkommen zu lassen für den faulen Burgfrieden , dessen Folgen man heute von der Spitze des Landes bis in die Redaktion jedes Käseblattes wahrnehmen kann. Je mehr ich über die Schikanen, Menschenrechtsverletzungen und Morde in der DDR weiß und die Aktivitäten der Propaganda, Bespitzelung und Beeinflussung durch Agenten im alten Westen, desto deutlicher wird mir bewußt, wie naiv die Hoffnung auf eine friedliche Wiedervereinigung doch war und letztendlich doch ein Gemeinschaftsprodukt einer rätselhaften Zusammenarbeit von DDR und BRD. Eine echte ” Finte “. Das macht mir das Land zunehmend UNHEIMLICH. Genau genommen wäre ich am liebsten schon lange nicht mehr hier, weil es entsetzlich wäre, würde ich mit meinem Verdacht recht behalten nach genauester Prüfung. Man lebte in diesem Land mit der stärker werdenden Gewissheit, daß hier die Bevölkerung in ihrem Bemühen jahrzehntelang in die Irre geführt worden wäre : ein unglaublicher Vertrauensbruch einer demokratischen Gesellschaft gegenüber ihren Bürgern. Den Tip ,der Sache in dieser Weise auf den Grund zu gehen, habe ich übrigens auf einer Amerikareise bekommen zusammen mit einer Einladung zur Einwanderung, die ich nicht beherzigt habe, weil ich gezweifelt habe an der Seriösität der Diagnose, nicht an der Person. Zum Dank habe ich eine Flagge als Geschenk erhalten, ” die ich ja zu Hause verbrennen könne “.
Von den Haltungsjournalisten, Stiftungen, NGOs und der Politkaste, die mit den Architekten der Mauer in Deutschland zusammenarbeiten, sie in Regierungsämter und auf Verfassungsgerichtsrichterstellen hieven, brauchen wir uns keine Mauer in den Köpfen einreden lassen. Ich lebe als Wessi gut und gerne in Dunkeldeutschland. Ich erkenne auch, dass es sich bei den “Ossis” um die scheinbar aufgeweckteren Demokraten handelt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie sich das selbst erkämpft hatten, was dann naturgemäß einen größeren Wert für sie hat.
Auf der Rückfahrt von einer Tagung in Niedersachsen durch Sachsen-Anhalt kam mir die Idee, die ehemaligen Grenzorte der DDR, die ich während meiner Armeezeit 1976 bis 19179 kennenlernen „durfte“ und die gegenüber liegenden in Niedersachsen zu besuchen, die ich in der Zeit nur durchs Fernglas sehen durfte. Als Gedenkstätte stand noch ein einzelner Beobachtungsturm, auf dem ich als junger Mensch mit 20 Jahren selbst gesessen hatte. So lange das nicht in Ostalgie ausartet, ist auch alles in Ordnung. Ansonsten links, rechts überall Straßen , Alleen und Rübenacker; die ganzen Anlagen, Signalzaun, Postenwege, Hundeanlagen, Sperrelemente, Zäune mit Splitterminen, den sog. „Selbstschussanlagen“, der ganze Sch…dr… zum Glück spurlos verschwunden. Es ist immer noch keine Selbstverständlichkeit, mal eben durch Berlin oder nach Schleswig-Holstein, Bayern oder Dänemark zu fahren. Dazu musste ein ganzer Staat untergehen, der seine Bürger als Eigentum und Verfügungsmasse betrachtete. Derzeit muss man es wieder als Gnade ansehen, überhaupt und nur mit triftigem Grund die Wohnung verlassen zu dürfen. Müssen wir uns das mit unserer Vorgeschichte bieten lassen?
Frau Dewes, nicht nur von den Politikern wurde Neid und Missgunst geschürt. Als die Ossis dann Arbeitsplatzkonkurrenten wurden, war die Freude schnell vorbei. Je weiter man nach Süden kam, um so weniger wurde sich wahrscheinlich gefreut. Als wir nach RLP zogen, wurde unserem Wohnungsvermieter, kleines Zweifamilienhaus, kleine Straße, von den Bewohnern die Straße, die sich alle kannten ans Herz gelegt, nicht an Ostdeutsche zu vermieten, obwohl die uns überhaupt nicht kannten. Der Vermieter hat sich Gottseidank nicht davon beirren lassen. Nach einer Weile wurden wir dann von den anderen Bewohnern der Straße als Menschen anerkannt. Bei Bewerbungen habe ich angefangen beim Lebenslauf zu schummeln, weil er mir immer auf die Beine gefallen ist. Viele sagten auch, dass sie Ostdeutsche ihren Kunden nicht zumuten können und das einen ins Gesicht, obwohl ich in meinem Job auch nicht schlechter war als Westdeutsche und im Gegenteil mehr Allgemeinwissen hatte, was ich anwenden konnte, sogar komischer Weise mehr PC-Kenntnisse mit nur 1 Computerkurs. Eine Kollegin von mir in Mannheim, die war aus Halle, hat ihre Sprache extra geändert, dass niemand mehr hören konnte, woher sie kam. In dieser Bank arbeiteten mehrere Ostdeutsche, die aber niemals wirklich anerkannt worden sind. Zur Kur in Bayern habe ich Ähnliches gehört, da erzählte mir eine Physiotherapeutin aus dem Osten, dass manche Wessis die Behandlung durch einen Ossi ablehnten. Mein Mann als Ingenieur konnte das gleiche erzählen, obwohl er in der DDR Patente mit einer Ingenieursgruppe anmelden konnte und er Nationalpreisträger in Wissenschaft und Technik wurde. Ich habe nach unserem Zurückzug in die Heimat als Rentner von vielen Ehemaligen das gleiche gehört. Und als dazu noch der Soli kam. Naja, mehr muss ich wohl nicht erzählen. Ich musste (und nicht nur ich) jeden immer klar machen, dass die Ossis den Soli auch bezahlen müssen. Die meisten wussten das nicht. Aber es gab auch sehr nette Kollegen!
Als Westdeutscher war ich sehr, sehr glücklich, dass die DDR-Bürger es geschafft hatten, die Mauer einzureissen und dann zur Einheit drängten. (Und ich war froh, dass es ein historisches “Fenster” für die Wiedervereinigung gab.) Ich hatte Johnson u.a. gelesen und sah, wie Brandt, “dass zusammenwächst, was zusammen gehört”. In den Jahren seither entdeckte ich, dass viele Kollegen meine Begeisterung für die Wiedervereinigung nicht teilten, es waren durchweg Wähler der Grünen und SPD (- später auch der SED/PDS/Linken). In diesem Milieu wurden TAZ, SZ (- vorher FR) und ZEIT gelesen; mir selbst war das 1988 in der ZEIT erschienene Loblied auf die DDR und Honecker zwar merkwürdig vorgekommen, aber damals gab es dort noch ein breiteres Meinungsspektrum. Die damaligen Wähler von Grünen und SPD - allesamt mit Uni-Abschluss und Tätigkeiten im oder nahe dem Öff. Dienst - hatten sich nicht nur mit der Doppel-Staatlichkeit arrangiert, sondern hielten die DDR für den besseren Deutschen Staat, ohne Nazi-Nachfolge, ohne Bindung an eine vom US-Imperialismus gelenkte NATO, ohne Arbeitslose etc. Niemand von diesen “Intellektuellen” hätte in der DDR leben wollen, man schätzt(e) zu sehr die weltweiten Reisen, das Ferienhaus in Schweden oder Südfrankreich, den Wohlstand. Den DDR-Bürgern vom Herbst 1989 nahmen meine Freunde und Kollegen, die westlichen Salon-GrünLinken, jedoch übel, dass sie ihrem sozialistischen Ideal eine Abfuhr erteilten. Das hat sich bis heute nicht geändert. Aus den DDR-Oppositionellen, die von den Sozialismus-Versprechungen genug hatten, wurden in den Augen meiner linksutopistischen Wessis zunächst undankbare Jammer-Ossis; nach dem Erstarken des Widerstandes gegen die zur DDR-Nostalgikerin, Weltverbesserin und Islamophilen Angela Merkel wurde aus den eingemeindeten “Neuen Länder” das Rechte Dunkeldeutschland. “Meine” Wessis haben sich vor 1989 für die DDR und ihre Menschen nicht interessiert und blieben bis heute geistig in Bonn.
Mauern in den Köpfen und in der Realität hat es schon immer gegeben und wird es geben, so lange es Machtstrukturen gibt. Der Rausch von 1989/1990, der die Wende so wie von der Autorin beschrieben aussehen ließ, war schnell verflogen, und es waren nicht nur Politiker, die die neuen Mauer, die in den Köpfen errichteten. Dazu gehörten auch die in Wirtschaft und Wissenschaft, die sich das Brauchbare aus dem Schutthaufen DDR herausangelten und in arroganter Weise die belehrten, die nicht das notwendige Kapital und die dafür notwendigen guten Beziehungen haben konnten. Man braucht sich nur den Bundestag anschauen, wenn z.B. ein Abgeordneter der AfD der Regierung und den meisten Mitgliedern des Bundestages ihnen ihr Versagen, ihre Unfähigkeit und Verlogenheit um die Ohren haut, dann weiß man, wo die Mauer in den Köpfen verläuft. Ich habe einige Ossi- und Wessihasser erlebt. Mit fällt dabei auf, dass die alle irgendwie dem rotgrünen Bereich des politischen Farbspektrums angehören.
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