Thilo Sarrazin / 07.05.2018 / 06:29 / Foto: Achgut.com / 50 / Seite ausdrucken

Die Massen-Zuwanderung war Unrecht. Das ist kein Mythos.

Daniel Thym schreibt in seinem Beitrag "Der Rechtsbruch Mythos und wie man ihn widerlegt" auf der Achse des Guten: 

„Ein Grundproblem der Debatte über die Grenzschließung ist die hochkomplexe Rechtslage, wenn allein die Dublin III-Verordnung ohne Anhang nicht weniger als 15.663 (!) Worte oder 23 PDF-Seiten umfasst. Speziell die Kombination von materiellen Zuständigkeitsregeln und einem prozeduralen Überstellungsverfahren, dessen Scheitern in einen Zuständigkeitswechsel mündet, wurde vielfach falsch verstanden.“

Zu jenen, die das Recht rund um Art. 16 A GG und Dublin-III falsch verstanden haben, zählt Thym ausdrücklich den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier. Auch der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio muss aus der Sicht von Thym das Wesentliche falsch verstanden haben, denn er schrieb in seinem Gutachten für den Freistaat Bayern vom 8. Januar 2016:

„Das geltende europäische Recht nach Schengen, Dublin und Eurodac wird in nahezu systematischer Weise nicht mehr beachtet, die einschlägigen Rechtsvorschriften weisen ein erhebliches Vollzugsdefizit auf. Die an sich auf die gegenwärtige Krisenlage zugeschnittene Massenzustromrichtlinie ist ohne Funktion, weil das Prinzip der koordinierten Freiwilligkeit die Diskrepanz zwischen Aufnahmebereitschaft mancher Länder und dem Mangel an Aufnahmebereitschaft anderer Länder mit einem qualifizierten Ratsbeschluss nicht zu überbrücken vermag. Die Mängel in einem praktisch gescheiterten europäischen Einwanderungs- und Asylsystem tragen erheblich dazu bei, dass vom Nahen Osten aus über die Türkei und den Balkan bis nach Deutschland und Schweden das System geordneter Einreise und eines kontrollierten Aufenthalts jedenfalls zeitweise und bis heute anhaltend zusammengebrochen ist“.

Und noch einer, der das geltende Recht falsch verstanden hat

Ebenso muss der renommierte Staatsrechtler Prof. Karl A. Schachtschneider das einschlägige Recht falsch verstanden haben, denn in seiner Verfassungsbeschwerde vom 30. Januar 2016 heißt es: 

„Nicht nur die Zulassung der illegalen Einreise von Fremden entgegen den Gesetzen und entgegen dem Grundgesetz verletzt die Verfassungsidentität und die Souveränität der Bürger im Kern, sondern auch die Zuerkennung von Aufenthaltsrechten, insbesondere dem Flüchtlingsstatus, ohne hinreichende Prüfung, ob der Ausländer Flüchtling ist, sogar ohne Prüfung seiner Herkunft, ob er etwa Syrer ist oder nicht, und erst recht ohne Prüfung, ob der internationale Schutz im nicht auf Grund der Exklusionskriterien versagt werden muß. Deutschland sichert seine Grenzen nicht, sondern lässt beliebige Fremde ins Land, wenn diese das Wort „Asyl“ sagen, obwohl sie sich offensichtlich nicht auf das Asylgrundrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG berufen können, weil sie durchgehend aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem sicheren Drittstaat an die Grenze Deutschlands kommen, nämlich fast immer Österreich. Sie haben damit auch kein Recht auf ein Asylverfahren. Sie haben auch sonst kein Einreiserecht, weil die internationalen Schutzrechte kein Einreiserecht begründen.“

Damit haben nach Meinung von Daniel Thym mindestens drei renommierte erfahrene Professoren für Staatsrecht das geltende Recht falsch verstanden. Aber der junge Professor Thym aus Konstanz hat es richtig verstanden. Thym baut an einem Verständnismonopol, zu dem aus seiner Sicht nur ein erlauchter Kreis von Eingeweihten Zugang haben kann.

Spaziergänge mit der Pythia

Wie soll ich, Thilo Sarrazin, promovierter Volkswirt der Universität Bonn und langjähriger Ministerialbeamter in Bund und Ländern, mir da ein Urteil bilden?  

Das habe ich im Bundesfinanzministerium gelernt: In meinen dortigen Zuständigkeitsbereichen tauchten immer wieder verfassungsrechtliche Fragen auf. Damit ging ich in den achtziger Jahren zu unserem Ministerialdirektor Bruno Schmidt-Bleibtreu, damals Mitverfasser des Standard-Kommentars zum Grundgesetz. Der verwies mich meist weiter an den Leiter seines Grundsatzreferats Ministerialrat Schäfer, der quasi die Pythia des Verfassungsrechts war.

Bei unseren häufigen Spaziergängen nach dem Mittagessen am Rhein fragte ich ihn einmal nach dem Grund seiner Prognosekraft. Antwort: „Ich schaue, wie das Verfassungsgericht wahrscheinlich entscheiden wird.“ Und worauf schaut das Verfassungsgericht? „Die schauen auf den Bundesrat.“ Wie das? „Ja, das Gericht schaut nach der Mehrheitsmeinung im Land. Wenn die Bundesratsmehrheit für ein Gesetz sehr knapp war, ist eine negative Entscheidung des Verfassungsgerichts viel wahrscheinlicher als bei breiter Mehrheit.“ Ich verstand: Das war angewandter Carl Schmitt. Die letzte Rechtfertigung des Rechts liegt nicht in einer abstrakten Wahrheit, sondern sie liegt im Politischen und damit in den Machtverhältnissen. 

Die Interpretation einer unklaren Rechtslage

Nicht nur der Kampf um die Setzung des Rechts, sondern auch über seine Anwendung und Interpretation, ist ein Teil des politischen Machtkampfes. Und genauso ist es seit einigen Jahren beim Asyl-, Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht. Bei meinem beruflichen Umgang mit Rechtsmaterien habe ich stets gefragt, was die verständlichste, sinnvollste und vernünftigste Interpretation einer unklaren Rechtslage ist. Dieser Interpretation habe ich mich dann angeschlossen, und ich fand stets kompetente Juristen, die mich dabei fachlich unterstützten.

Wo das Recht aber unsinnig oder widersprüchlich war, musste man es ändern oder es gezielt uminterpretieren. Recht ist angewandte Politik, es hat a priori weder mit Wahrheit noch mit Vernunft zu tun. Auch Professor Thym dient bei allem persönlichen guten Willen nicht automatisch der Wahrheit, sondern ist Teil eines politischen Machtkampfes.

Das Recht muss aber auch jenen Bürgern, die keine Rechtsprofessoren sind, verlässliche Orientierung bieten, sonst kann es seine Ordnungs- und Befriedungsfunktion nicht erfüllen. 15.600 Worte in einer weitgehend unverständlichen Dublin III-Verordnung, die zudem weitgehend gar nicht angewendet wird, sind ein unwillkürlicher Beitrag zur Störung des Rechtsfriedens. Hier hört Recht auf, kommunizierbar, kritisierbar und damit vermittelbar zu sein.

Die Öffnung der Grenzen war rechtswidrig

Klar und verständlich sind dagegen die einschlägigen Aussagen im deutschen Recht. Auf der aktuellen Homepage des Bundesamts für Migration (BamF) werden sie wie folgt zusammengefasst:

“Wenn ein Ausländer bereits einen anderen Staat erreicht hat, in dem er gleichfalls Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten kann, ist ihm die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bereits an der Grenze zu verweigern. Denn wer aus einem "sicheren Drittstaat" einreist, kann sich nicht mehr auf das Grundrecht auf Asyl berufen (§ 26a AsylVfG). "Sichere Drittstaaten" sind nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften sowie weitere europäische Staaten, in denen die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Menschenrechtskonvention sichergestellt ist. Dies sind: Norwegen und die Schweiz.”

Das kann jeder verstehen, und aus diesem Verständnis heraus war die Öffnung der Grenzen am 5. September 2015 rechtswidrig. Ganz unabhängig von der Rechtsfrage hat sie schweren Schaden über die Bundesrepublik gebracht ist und war verantwortungsethisch unvertretbar.

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Polizeioberrat Oliver Malchow, wurde am 2. Mai 2018 im ZDF Heute-Journal zu den Vorgängen beim Polizeieinsatz in der Flüchtlingsunterkunft Ellwangen in Baden-Württemberg und zum weiteren politischen Umfeld befragt. Er äußerte zur Einreisepolitik des Bundes wörtlich: "Meine Kollegen werden an der Grenze gehindert, grenzpolizeiliche Maßnahmen durchzuführen." Das nenne ich eine Herrschaft des Unrechts und bleibe dabei. 

Thym bastelt mit der Dublin-III-Verordnung

Solche Grundsatzfragen vermeidet Thym. Er bastelt mit der Dublin-III-Verordnung und deren Status. Aber er ignoriert die Grenzen des ohnehin zweifelhaften Vorrangs des Unionsrechts, die auch das Bundesverfassungsgericht aus der Sicht von Professor Schachtschneider falsch zieht. Kein Gericht, schon gar nicht der EuGH, so seine Argumentation, der auch ich mich anschließe, kann die Souveränität Deutschlands aufheben. 

Auch das Bundesverfassungsgericht kann sich nicht eine eigene Verfassung geben. Soweit es das implizit doch tut, erweist es sich als gelehriger Schüler von Carl Schmitt und stellt den Vorrang des Politischen über das sinnvolle Verständnis des geltenden Textes des Grundgesetzes.  

Ich sehe keinen Rechtssatz des Unionsrechts, der Deutschland verpflichtet, Ausländer über die Grenze zu lassen, ausgenommen Unionsbürger. Zum Einreiserecht nimmt Thym nicht Stellung. Er verwechselt die Zuständigkeitsregelung, über die Art. 16 a Abs. 5 GG völkerrechtliche Verträge zulässt, mit einem Recht, nach Deutschland einzureisen. Das subjektive Recht auf Asylverfahren aus Art. 16 a Abs. 1 GG, das nach fragwürdiger Judikatur ein Einreiserecht gibt, greift jedenfalls nicht für Drittstaatler, die aus einem Unionsland nach Deutschland einreisen wollen, wo sie Schutz hätten beantragen können. Das stellt Art. 16 a Abs. 2 GG klar. 

Die Hoheit über die Grenzen ist ein elementarer Bestandteil der Souveränität, den kein Unionsvertrag und keine Unionsgesetzgebung aufheben kann. Das ist auch nicht geschehen. Kaum ein Unionsstaat hätte dem zugestimmt. Art. 78 AEUV (gemeinsame Asylpolitik) gibt der Union keine Ermächtigung, die Einreise von Drittstaatlern in die Mitgliedstaaten zu regeln. Die Massenzuwanderung war schweres Unrecht. Das ist kein Mythos.

Siehe zum gleichen Thema: Professor Unfug legitimiert den Rechtsbruch.

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Dr. Kai Schöneboom / 07.05.2018

Verehrter Herr Sarrazin, Ihre wie immer exzellenten Ausführungen sprechen für sich, aber ich wünsche mir, dass Sie Ihre Gegner nicht herabwürdigen mit Titeln wie “Prof. Unfug” oder “der junge Herr Professor”. So eine Schwäche zu zeigen haben Sie nicht nötig! Auch wenn Leute wie Prof. Thym wieder mal versuchen, die Erklärung 2018 und ihre Protagonisten als Rechte mit bösen Absichten zu diskreditieren. In der Rückschau auf viele Urteile und Aussagen ist es aber schon beängstigend, seit wann und wie sehr die deutsche Justiz schon linksgrüne Ideologie in Deutschland etabliert und damit auch zweierlei Recht etabliert hat, gemäß “was Ali darf, darf Alfred noch lange nicht”. Das Schöne ist, dass die Realität die Thyms (“es gibt keinen Rechtsbruch an den deutschen Grenzen”) und Steinmeiers (“in Ellwangen gab es kein Versagen des Rechtsstaats”) in der nahen Zukunft eingeholt haben wird, so wie ich es damals auch bei den Funktionären und Claqueuren in der DDR erlebt habe. Und glücklicherweise haben wir mit Kanzler Kurz einen Mann in der Nachbarschaft, der starke Akzente setzt. Und Eines noch: Frei nach Karl Marx entsteht eine revolutionäre Situation dann, wenn die herrschende Klasse nicht mehr so weiterregieren kann und das Volk nicht mehr so weiterregiert werden will. Wir sind auf dem Weg dahin. Wenn das Geld zuende ist, kommt der Kondensationspunkt. Ob das eine friedliche Revolution sein wird?

Joachim Seltmann / 07.05.2018

Herr Thym hat uns dankenswerter Weise offenen Einblick gegeben in die Art und Weise, wie er Menschen betrachtet. Das dürfte sowohl für Juristen wie ihn, die noch was werden wollen, als auch für Politiker, die ebenfalls noch was werden wollen (oder schon was sind), gelten. Man erkennt hier ja auch schlaglichtartig, wie “overigeneered” und selbst für Fachleute undurchschaubar unser Recht geworden ist. Zu komplizierte Systeme erweisen sich gelegentlich als fehleranfälliger, überteuerter Luxusschrott, der aber beeindruckend aussehen kann. Danke, Herr Sarrazin, für Ihre klaren Gedanken und Worte.

-Gudrun Meyer / 07.05.2018

Zu dieser differenzierten Erklärung rechtlicher und - nicht mehr vorhanden -rechtsstaatlicher Verhältnisse fällt dem durchschnittlichen Qualitätsjourno oder Qualitätspolitiker ein einziges Wort ein: “RÄÄÄCHZ!!!”. Falls er/sie eines zweiten Wortes mächtig ist, lautet es: “NAAAZIII!!!”

Heinz Meier / 07.05.2018

‚Nicht genutzte Handlungsoptionen‘ sollte man in Zukunft als Begriff für jegliche Form von Versagen verwenden. Der Elfmeterschütze hat also nicht vorbei geschossen, sondern die Option, ins Tor zu treffen, lediglich nicht genutzt. Dies trifft aber nicht auf die Kanzlerin zu, denn diese hat sehr wohl den Massenansturm genutzt, um einerseits der Forderung der nationalen und internationalem Eliten (Yascha Mounk, UN, EU…) nach Bevölkerungsaufstockung und Vermischung nachzukommen und mit der weiteren Absicht, sich dabei noch den Pour le Merite für außerordentliche Menschlichkeit um den Hals zu hängen. Beides ist gründlich gescheitert. Jetzt dient der ganze Eiertanz lediglich der Verschleierung der Schuldfrage und der verdeckten Fortsetzung der Agenda Resettlement und Relocation. Die Blendgranaten heißen Schlepper bekämpfen, europäische Lösung, Ursachen bekämpfen.

Michael Lesch / 07.05.2018

Wer nach der Lektüre des Artikels von Thilo Sarrazin nicht begriffen hat das es eine unabhängige Rechtsprechung nicht gibt hat nichts verstanden! Die Regierenden bestimmen wer Recht spricht! Damit ist die Gewaltenteilung der Demokratie ad absurdum geführt! Politiker ernennen Richter Intendanten usw und bekommen ihren Persilschein geltendes Recht zu beugen ! Das nennt man auch Diktatur! Und alle lassen grüßen Hitler Stalin Lenin Mao Tse Tung usw und täglich fluten Zehntausende von Wirtschaftsflüchtlingen unsere Grenzen unkontrolliert! Aber der deutsche Michel ist unbeirrbar der Islam bringt uns Frieden und Steuereinnahmen.

Matthias Kaufmann / 07.05.2018

Immer seltener sind es namhafte Juristen und Journalisten, die Merkels fortdauernden Rechtsbruch verteidigen, immer häufiger sind es namenlose Jungspunde und -spundinnen, die vorgeschickt werden. Die wähnen sich auf edler Mission, tatsächlich aber folgen sie einem wurmstichigen Holzweg in die Sackgasse.

Thomas Nowak / 07.05.2018

Auch wenn ich kein Verfassungsrechtler bin, halte ich die Argumentation von Herrn Thym für verkürzt. Soweit ich ihn richtig verstehe, hat das Europarecht - hier Dublin - nach seiner Argumentation Vorrang vor Art. 16a GG. Dies folge auch aus der Rechtsprechung des BVerfG. In der Tat gibt es wohl zahlreiche Entscheidungen des BVerfG, in denen es sich zum Vorrang von Europarecht zu nationalem Recht geäußert hat. In meiner Erinnerung wurden diese Entscheidungen als „Solange-Entscheidungen“ bezeichnet, weil das BVerfG darin das nationale Recht dem Europarecht unterworfen hat, „solange“ es mit den Grundlagen unseres Rechts vereinbar ist. Das Gutachten von Herrn di Fabio habe ich vor diesem Hintergrund so verstanden, dass er (ich glaube er verwies auf die Lissabon Entscheidung) dem Europarecht hier schon deshalb keinen Vorrang zugesprochen hat, weil er durch den nicht funktionierenden EU-Grenzschutz und der Durchwanderung wesentliche Grundlagen unseres Staates gefährdet sah. Auch Herr Thym spricht diesen Aspekt meines Erachtens kurz an, er beschränkt sich hierbei um Wesentlichen aber darauf, dass dadurch die Menschenwürde nicht verletzt werden dürfe. Meines Erachtens lenkt Herr Thym die Diskussion an diesem entscheidenden Punkt in die falsche Richtung. Mit anderen Worten, ich - wenngleich als Nichtverfassungsrechtler - verstehe die Rechtsprechung des BVerfG zum Vorrang des Europarechts - und damit Dublin - so, dass dieser Vorrang bezogen auf den Grenzschutz nur gilt, solange die Aussengrenzen der EU so hinreichend gesichert sind, dass hierdurch zentrale Grundlagen unseres nationales Rechts nicht gefährdet werden. Eine solche Gefährdung lässt sich angesichts der Dimension der Zuwanderung aber annehmen, so dass der Vorrang - entgegen Herrn Thym - nicht mehr gelten würde. Wir wären dann doch wieder beim nationalen Recht.

Dieter Amann / 07.05.2018

... ich kenne Daniel Thym flüchtig aus einigen Anhörungen im Innenausschuss des Bundestages, wo ich als Sachverständiger der AfD aufgetreten bin und appelliere, Milde walten zu lassen. Er hat mich bisher zwar geschnitten, aber damit ist er nicht allein, jeder befürchtet, kontaminiert zu werden wenn er gefilmt wird wie er der AfD die Hand gibt - aber zurück zur Sache: wer in dem zarten Alter schon mit einer Juraprofessur und einem Lehrstuhl aufwarten kann, von dem kann man zu Recht annehmen, dass er Spitzenjurist ist und extrem abstrakt zu denken gelernt hat. Genau das tut er ja auch: er abstrahiert. Und zwar so extrem, dass er - meiner Meinung nach - zwar kein Komma der Normenverschränkungen übersieht, aber die Realität ausser Betracht lässt, z.b. dass andern EU-Staaten das EU-Recht auch schnurzegal ist. Kein Jurist, der einen Ruf zu verlieren hat, kann aber argumentieren, den andern Staaten gehe es zuerst um das eigene Wohl, EU-Recht hin oder her, also lasst es uns genauso machen.  Als sachverständiger Rechtsprofessor kann er weder im Ausschuss noch sonst öffentlich Rechtspolitik betreiben. Schon gar nicht gegen jene, die ihn als Sachverständigen vorschlagen, sonst wäre er ganz schnell von der Vorschlagsliste verschwunden. Immerhin hat er sich in seiner Stellungnahme zu BT-Drs. 19/577 und 19/224 für seine Verhältnisse und seine Auftraggeber schon weit vorgewagt, indem er z.B. klarstellt, dass das europäische Asylrecht weit über die menschenrechtlichen Anforderungen hinausgeht. Es gibt zum Glück andere, die mehr gesunden Menschenverstand in die Debatte bringen, Sarrazin hat sie in seiner neusten Replik aufgezählt. Extrem komplizierte juristische Regelungen haben eben gezwungenermaßen zur Folge, dass sie so und so ausgelegt werden können. Thym dürfte Kinder haben; ich gehe davon aus, auch er wünscht für sie das Beste. Dann KANN er nicht übersehen, was bei “weiter so” auf sie zukommt.

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