Offenbar hat unsere heutige Generation weitgehend verlernt, über die Voraussetzungen ihrer kulturellen, spirituellen und religiösen Glaubenssätze nachzudenken und zu reden. Nur Menschen ohne Religion können auf den Irrtum verfallen, mit drei Nachmittagen Integrationsunterricht, gegeben von einer aus dem Schuldienst ausgeschiedenen alten Jungfer, ließen sich gläubige Neuankömmlinge zu guten Staatsbürgern machen. — Ähnlich unfähig sind viele von uns die Frage zu klären, wozu sie sich und anderen die Unannehmlichkeiten von Fahrverboten oder sonstiger rotgrüner Bereicherung aufs Auge drücken. Glauben sie doch an ein namenloses Jenseits, für dessen Zugang ein volles Ökopunkte- oder Multikulti-Konto nötig ist? Ist es noch Weltrettungs-Religion oder schon Weltuntergangs-Hysterie?
Gott hat nichts gegen Atheisten, ganz im Gegenteil. Er liebt sie und muss an ihnen keine Rache üben. Atheisten jammern (beten) ihm nämlich nicht ständig die Ohren voll, wollen irgendwas von ihm, den Sieg beim Radrennen, den Gewinn des Fußballspiels, die Vernichtung des Kriegsgegners, den Tod des bösen Nachbarn oder die eigene Gesundung. Er muss nicht nach verlorenen Schlüsseln suchen und keine Erleuchtung bei einer Prüfung bringen. Auch verlangt er von Ungläubigen nicht, dass sie wie sein Bodenpersonal in Frauenkleidern und mit komischen Hüten auf den Köpfen herum laufen. Gott sei Dank bin ich Atheist, und drum kommen wir blendend miteinander aus.
Ein sehr interessanter Text. Allerdings habe ich mit dem letzten Absatz Probleme. Religion ohne Ver - und Gebote ist m. E. nicht denkbar. Es sei darin erinnert, dass der Dekalog eine der wichtigsten Wurzeln unserer europäischen Zivilisation darstellt. Wer Religion auf Machtausübung reduziert, der nähert sich dem Islam an. Allah ist im Islam der allwissende Machtausüber, dem sich der Muslim bedingungslos zu unterwerfen hat. Der liebende Gott des Christentums lässt uns Gedankenfreiheit und über - lässt uns die Entscheidung für oder gegen ihn. In der “DDR” war - wie offensichtlich auch für den Autor - Kirche und Religion ein Refugium, ein geschützter Raum. (Auch wenn es einige wenige Stasi - Pfarrer gab.) Ich finde es schade, dass sich in der offenen Gesellschaft viele Ex - “DDR” - Bürger aus diesem Raum wieder verabschiedet haben.
Religion ist wohl vor allem dann stark, wenn sie Zuflucht bietet vor einer unterdrückenden Macht. In der DDR etwa, mögen Bürger in der Kirche Zuflucht gefunden haben. Geht die Kirche hingegen mit einer staatlichen Macht konform, kann sie vor dieser keine Zuflucht mehr bieten. Dann wird sie leicht zu deren Geißel. Dann konspiriert sie mit der Macht, macht sich eins mit ihr. Dann wird sie leicht zum Spürhund im Dienste der Macht. Dann wäre es besser, sie zöge sich zurück. Dann wäre es besser, sie überprüfte ihr Verhältnis zur Wahrhaftigkeit und lehnte sich danach erst wieder aus dem Fenster.
Schon der Steinzeitmensch wollte eine Erklärung für sein Dasein. Und wenn vom Universum nur ein einziges Atom übrig bleibt, dann wird man dafür eine religiöse Erklärung suchen müssen. Ethik, die nur die sittlichen Normen im Umgang der Menschen miteinander beschreibt, wird da nicht reichen. Stanislav Lem, ein polnischer Science-fiction Autor (lange vor dem Zusammenbruch des Ostblocks) erklärte (mit einem Augenzwinkern) die Entstehung des Lebens als Folge eines gebrauchten Spüllappens, den eine Raumschiffbesatzung bei einem kurzzeitigen Besuch des Planeten Erde vergessen hatte. Auch eine Möglichkeit. Aber woher kamen dann die? Und woher die Bakterien? Ein Agnostiker fragt sich das halt nicht oder es interessiert ihn nicht.
erfrischend Ihre Sprache, erhellende Ihre Einsichten. Sehr geehrter Herr Quencher, so wie Sie es herleiten - so ist es! Keine Sentimentalitäten! Religion ist wie ein Engramm, eine Prägung, ein Brandmal. Sie ist da und sie sitzt tief. Und kein blödsinniger Ethikunterricht im Alter nach 10 Jahren - plus, plus - wird daran kurzfristig irgend etwas ändern können. Religion steckt irgendwann in den Genen, umzulernen ist meist nicht mehr möglich und nicht mehr gewollt. Aber Kreisverwaltungen / Länder / der Bund ernennen alibimäßig noch eine*n Beauftragte*n um das Vorhaben in seiner Nutzlosigkeit zu organisieren. Ein entsprechendes Salär und eine entsprechende Pensionsberechtigung macht solche Posten attraktiv für Ausgemusterte / Abgeschobene / Ideologen und vernebelt das Urteilsvermögen der Wähler und Bürger.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.