Anabel Schunke / 09.03.2021 / 16:00 / Foto: Achgut.com / 65 / Seite ausdrucken

Die linke Lust am Lockdown

Der Lockdown geht in die nächste Phase. Wöchentlich kostet das den Steuerzahler gemäß Schätzungen zwischen 1,5 Milliarden und 3,5 Milliarden. Zigtausende Menschen stehen vor den Scherben ihrer Existenz. Dennoch ist es erstaunlich still in diesem Land, dessen Gesellschaft in den letzten Jahren von einer beispiellosen Hybris begleitet wurde, die uns nun unter anderem in Form einer selbstgefälligen Trägheit zum Verhängnis wird. 

Und dennoch wäre es zu einfach, das stille Hinnehmen der Menschen einzig mit ihrer Trägheit zu erklären. Bei vielen, insbesondere jenen, deren Existenz am seidenen Faden hängt, brodelt es. Leider hat dieser Teil der Bevölkerung zu spät erkannt, dass jene, die nicht indirekt oder direkt vom Staat leben und ihr Einkommen am freien Markt generieren, in diesem Land keine Lobby mehr haben, die sich für sie einsetzt.

Die zaghaften Versuche einer FDP, der am Ende des Tages wie immer der Mumm und die Konsequenz fehlt, um glaubhaft zu erscheinen, einmal ausgenommen. Zu entscheiden hat die FDP ohnehin genauso wenig wie die AfD, die im Gegensatz zu den Freien Demokraten den Bogen so weit überspannt, dass man am Ende hauptsächlich nur das extreme Lager der sogenannten Corona-Leugner bedient.

Nein, was fehlt, ist vielmehr der öffentliche Druck auf die Bundesregierung, der ausbleibt oder allenfalls so halbherzig daherkommt wie die Versuche der FDP, so etwas wie eine wirkliche Opposition zu mimen. Es ist dasselbe Problem, das schon in der Flüchtlingskrise dafür gesorgt hat, dass keine wirksame öffentliche Kritik laut wurde: eine mehrheitlich linke Medienlandschaft, die mit den politischen Entscheidungen der Verantwortlichen weitgehend konform geht, auch wenn sie am Ende freilich anders wählt.

#Wir bleiben Zuhause

Dabei ist es nicht verwunderlich, dass ausgerechnet die politische Linke vor lauter Konformismus und #WirBleibenZuhause-Profilbildern kaum noch revolutionären Spirit versprüht. Der Marsch durch die Institutionen der einstigen Revoluzzer war erfolgreich. Wer das mediale und politische Establishment in diesem Land stellt, kann sich eben nicht mehr erfolgreich als Anti-Establishment-Bewegung verkaufen. Die Linken sind die neuen Konservativen.

Oder wie Kult-Teilnehmer Andreas es bei „Frauentausch“ so schön formulierte: „Es bleibt alles, wie es ist!“ Wer nicht mitmacht, ist je nach Thema Nazi, Klimaleugner oder Covidiot. Differenzierungen sind etwas für Menschen, die man mit dem Stempel „rechts“ sozial und beruflich vernichten kann. Also nichts für Leute, die linker Aktivismus und journalistische Kontrollinstanz in einem sind. 

Bleibt die Frage, woher die linke Lust am Lockdown kommt. Mangelndes ökonomisches Verständnis spielt dabei sicherlich eine tragende Rolle. Wer die Wirtschaft als Antagonismus begreift, als Gegenentwurf zur eigenen Welt und sich selbst nicht als Teil dieses Wirtschaftskreislaufs, von dem insbesondere der linke Nonsense-Sektor der erfundenen, nutzlosen Berufe profitiert, der hält eine funktionierende Volkswirtschaft auch für verzichtbar.

Anders gesagt: Wer der Meinung ist, dass Strom aus der Steckdose und Geld aus dem Automaten kommt, der macht sich eher weniger Gedanken darüber, ob ein Lockdown nun dreieinhalb oder fünf Milliarden wöchentlich kostet und ob der Einzelhändler und der Hotelier morgen noch wissen, wie sie ihre laufenden Kosten decken können.

Germans last

Was dem armen Hotelier und der Einzelhändlerin aber vor allem zum Verhängnis wird, ist die mangelnde Empathie von links gegenüber der eigenen Bevölkerung, die sich zum einen aus einer tief verankerten Fremdenliebe und zum anderen aus der linken Neiddebatte speist, die den Unternehmer, egal wie klein sein Unternehmen auch sein mag, zum Feind erklärt. Das Motto lautet, wie auch schon in der Flüchtlingskrise und der Klimapolitik: Germans last.

Empathie gibt es von den vermeintlichen Menschenfreunden nur für Menschen anderer Herkunft sowie für Staatsabhängige wie Hartz-IV-Empfänger, bei denen man mit Geldgeschenken aus der Steuerzahler-Gießkanne kurz vor der Wahl schnell und einfach punkten kann. Wer als böser „Kapitalist“ hingegen in der freien Wirtschaft tätig war, darf nicht auf Mitgefühl hoffen, selbst wenn er die ganze Party zuvor finanziert hat. 

Was den Lockdown angeht, entpuppt sich das linke Spektrum als ausnahmslos egoistisch und fast schon bösartig schadenfroh gegenüber jenen, die zuvor von einem freien, demokratischen System profitiert haben. Die durch die Maßnahmen herbeigeführte Unfreiheit lässt einen Hauch von DDR durch Deutschlands Straßen wehen, der das wahre Mitläufertum der sich stets als progressiv verkaufenden Linken offenbart. Es legt die Sicht frei auf Menschen, die der blanke Neid auf die Freiheit und Lebenslust der anderen antreibt, die nicht in einem Korsett aus eingeredeter Schuld am Elend der Welt feststecken. 

Die Freiheit der anderen

Der Neid auf die Freiheit der anderen resultiert wiederum aus einer Angst vor dem Leben und seinen Risiken an sich. Nichts anderes spiegelt sich auch in der linken Identitätspolitik wider, die die ganze Welt am liebsten so lange mit Sprechverboten und Schuldkomplexen überziehen würde, bis auch der Empfindlichste keine Mikroaggression mehr spürt. Nicht der Konservative oder „Rechte“ fürchtet den Kontrollverlust, sondern der Linke, der schon die Freiheit an sich als Diskriminierung jener begreift, die nichts mit ihr anzufangen wissen.

In Wahrheit sehnt er sich, in den Bereichen, die er als bedrohlich wahrnimmt, nach Recht und Ordnung, die er an anderer Stelle, zum Beispiel im Asylrecht, vorgibt, abschaffen zu wollen. One World lautet das Credo. Aber nur, solange es nicht den eigenen Safe Space tangiert, sprich, solange man Forderungen ohne ersichtliche Konsequenzen aussprechen kann. Gratismut nennt man das. Und der endet, wo die Angst vor der Krankheit beginnt und der offene One-World-Linke zum piefigen Blockwart wird, der sich über Rodler im Harz und Nachbarn mit Besuch echauffiert, jedoch nicht über Migranten, die sich nicht an die Regeln halten, denn das wäre wieder „Nazi“.

Anders als es Jan Fleischhauer in seiner aktuellen Kolumne vermutet, gilt das nicht zuvorderst für die Generation 60+, die sich mitunter erstaunlich unbeeindruckt von Corona zeigt, sondern für die jüngere Generation und solche, die sich als ihre prominenten Vertreter gerieren. Jan Böhmermann ist so einer, der aus seinem Spaß am Lockdown keinen Hehl macht, wenn er verkündet, dass er auch dann nicht in Clubs gehen wird, wenn sie wieder aufmachen. Die größten Konformisten in der Krise, die brav alles schlucken, was ihnen vorgesetzt wird, sind ausgerechnet jene, die sich sonst als die Vorhut gegen das vermeintlich entstehende Vierte Reich wähnen. Quelle surprise. 

Der Langweiler als Held der Nation

Auch im privaten Umfeld gilt: Der Satz „Mir macht der Lockdown nichts aus“ kommt stets von jenen, die sich auch vorher nicht sonderlich oft außerhalb ihrer vier Wände bewegt haben. Menschen, die deshalb stets die Angst hatten, etwas zu verpassen und nun dankbar dafür sind, dass es nichts mehr zu verpassen gibt und alle dasselbe langweilige Leben führen müssen wie sie. Der Langweiler als Held der Nation. Die Bundesregierung hat es mit ihren kleinen Image-Filmchen propagiert. Endlich wieder ein Grund für die linken Retter der Republik, sich moralisch überlegen zu fühlen. 

Das Problem: Der Linke fürchtet den Freiheitsdrang seiner Mitmenschen, die keinen Spaß an seiner selbstgewählten Ödnis finden. Er spürt, dass der Unmut wächst. Dass Menschen, bei denen es um die nackte Existenz geht, keinen Bock mehr haben, sich von Studenten und anderen Nichtbetroffenen mit Genderproblemchen und White-Privilege vollsülzen zu lassen. Also tut er das, was er immer tut: Statt Verständnis zu zeigen und realpolitische Verbesserungen zu fordern, zieht er die ideologischen und moralischen Daumenschrauben noch ein wenig fester an. Gut und schlau ist, wer sich uneingeschränkt für die Maßnahmen ausspricht. Der Rest sind Nazis.

In der Flüchtlingskrise hat man Kritiker so mundtot gemacht. Ob man auch dieses Mal damit durchkommt, wird sich zeigen. 

Foto: Achgut.com

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armin wacker / 09.03.2021

Hallo Frau Schunke, ich bin jetzt 61 und noch nie privat geflogen. Meine Frau noch gar nie, aber wer mich als Langweiler tituliert bekommt ein echtes Problem. Es ist ihre Generation, die völlig aus dem Ruder läuft.

Klausgerd Trebnitz / 09.03.2021

“Nicht der Konservative oder ‘Rechte’ fürchtet den Kontrollverlust, sondern der Linke, der schon die Freiheit an sich als Diskriminierung jener begreift, die nichts mit ihr anzufangen wissen.” - Mhmm, was für ein Satz ... toller Artikel, danke!

Karoline Kupfer / 09.03.2021

@Dr. Goetze: Meine volle Zustimmung zu Ihrem Kommentar. Auch mich befremdet genau dieser Satz von Frau Schunke, die eigentlich sonst immer um Ausgewogenheit bemüht war/ist.

Wolfgang Schlage / 09.03.2021

Ich bin Mitglied einer konservativen (also rechts, aber nicht “rechts”) kleinen Oppositionspartei, der LKR (bitte googeln). Die enttäuschten Bürgerlichen, gerade die Jungen, müssten uns die Türen einrennen: als Mitmacher, als Kandidaten, als Plakatkleber, als Multiplikatoren – als AKTIVE TEILNEHMER dieser Demokratie, um einen demokratischen Umschwung mitzugestalten. Keiner kommt. Sie meckern vielleicht; sie tun nichts. Sorry Deutschland, Du hast Demokratie nicht verstanden. Du denkst, Du lebst im Kaiserreich. Was immer jetzt passiert: Du bist wirklich selbst schuld.

M.Riedl / 09.03.2021

Sehr treffend beobachtet , links im herkömmlichen positiven Sinne sind   die Linken   jedoch schon längst nicht mehr , sie sind inzwischen autoritärer , spießiger wie die Generation ihrer Eltern oder Großeltern . Mich regt unsere Entmündigung und ständige Einschränkung unserer Grundrechte auf . Und noch   mehr die brüllende Stille in den Medien darüber .

G. Böhm / 09.03.2021

Frau Schunke scheint noch nicht verinnerlicht zu haben, daß mit sämtlichen Parteien des demokratischen Blocks (in der ehemaligen DDR hieß dieser Nationale Front) kein Staat mehr zu machen ist. Das ist durchaus verständlich, wenn man weiß, daß die Erkenntnis der Sache u. a. eine Frage des Abstandes zu selbiger ist.

Matthias Pfeifer / 09.03.2021

@ Dr Goetze: Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund. Genau dieser Ausfall von Frau Schunke relativiert ihren im übrigen sehr gut geschriebenen Beitrag, Vielleicht ist dieser Kotau vor dem Mainstream der Versuch, sich nach dem letzten Shitstorm wieder lieb Kind zu machen. Für die Harmonie von Frau Schunke und Mainstream bei Corona gibt es gute Chancen. Doch dass sich Mainstream und AfD versöhnen, das ist ausgeschlossen - und das weiß auch Frau Schunke.

Joe Baldur / 09.03.2021

Interessant, welche AfD Sie so zu erleben scheinen. Die AfD, deren Bundestagsreden und FB- oder Twitter-Beiträge ich verfolge, äußert sich zur aktuellen Demokratiekrise (von vielen fälschlicherweise als Corona-Krise bezeichnet) wie zu ALLEN anderen heiklen Themen, die das Land seit Merkels Regentschaft untergraben und gespalten haben, von allen Parteien mit Abstand am vernünftigsten. Die AfD ist die einzig verbliebene wählbare Partei, die einzige Partei, der Grundrechte noch etwas bedeuten, die einzige Partei, die noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Und letztlich die einzige Partei, die uns diesen seit Merkels Amtsantritt grassierenden linken Wahnsinn NICHT eingebrockt hat! Und im Gegensatz zu Ihnen vernehme ich von der FDP nicht einmal zaghafte Versuche. Kubickis Zwischenrufe sind nicht mehr als die typischen, vermeintlichen Diskurs vortäuschenden Zwischenrufe einer kontrollierten Opposition (das große 1x1 einer Autokratie!). Sie verhallen wirkungslos in Merkels Trauerhalle. Und Menschen, die sich auch vorher nicht sonderlich oft außerhalb ihrer vier Wände bewegt haben, neigen grundsätzlich nicht dazu, Angst zu haben, etwas zu verpassen. Welch verquere Erstsemester-Psychologie. Der Unterschied ist vielmehr: Es gibt Selbstständige, Wertschöpfer und Menschen, die mit ihrer Ausbildung Geld verdienen können auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite die Betreuten, die Transferempfänger, die Geisteswissenschaftler und andere Alimentierte. Raten Sie, wer den Lockdown bejubelt.

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