Die Linke ist jetzt eine Anti-Arbeiter-Partei

Junge, Woke und Wohlhabende stecken hinter dem Überraschungssieg der Partei Die Linke bei der Bundestagswahl. Sie vertritt inzwischen elitäre Anliegen.

Die größte Überraschung bei den letzten Bundestagswahlen in Deutschland war der relative Erfolg der Linkspartei. Noch im Januar lag sie bei nur drei Prozent, nun erhielt sie fast neun Prozent der Stimmen. „Deutschlands Linke ist von den Toten erweckt worden“, schrieb Politico. Der bemerkenswerteste Erfolg der Partei war ihr starkes Abschneiden bei den Jungwählern: Sie konnte 25 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für sich gewinnen. Auch in Berlin wurde sie mit 21 Prozent stärkste Partei. Wie ist ihr dieses Comeback gelungen?

Die Linke fand ihr Thema, als die Massenmigration zu einem der Top-Wahlkampfthemen wurde und vor allem als Friedrich Merz (CDU) im Januar schärfere Grenzkontrollen versprach. Von da an festigte sie ihren Ruf als „Antifa“-Partei und schwor, „gegen Rechtsextreme zu kämpfen“.

Eine feurige „Brandmauer-Rede“ der 36-jährigen Parteivorsitzenden Heidi Reichinnek, die sie mit dem Ruf, „Wehrt euch, leistet Widerstand […]. Auf die Barrikaden!“ beendete, ging in den sozialen Medien viral. Außerdem warf sie Merz vor, er habe sich zum Steigbügelhalter der AfD gemacht. Ein Kommentator meinte sogar, Reichinnek habe „ihre Partei im Alleingang vor dem Vergessen bewahrt“. Die Rede traf zweifellos den Nerv vieler junger linker Wähler. Vor allem aber markiert sie den endgültigen Bruch mit den alten, gegen das Establishment gerichteten Wurzeln der Partei. Die Linke ist zu einer Partei der „woken“ Mittelschicht geworden.

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass die Linke einst als die eigentliche populistische Bedrohung in diesem Land galt. Teile der Linken – wie Bodo Ramelow, der später bekanntlich Ministerpräsident in Thüringen wurde – wurden vom Verfassungsschutz beobachtet und als potenzielle Gefahr für die Demokratie eingestuft. Die 2007 aus der Fusion von PDS und WASG hervorgegangene Partei wurde zum Ventil für Millionen unzufriedener, vor allem ostdeutscher Wähler, die ihrem Unmut über eine westdeutsche politische Elite Luft machten, die ihre Sorgen nicht ernst nahm. Noch 2003 veröffentlichte die Konrad-Adenauer-Stiftung einen besorgten Bericht mit dem Titel: „Zur neuen Linkspartei und der PDS. Populisten und Extremisten im Expertenurteil“.

Keine Mehrheiten mehr in ehemaligen Arbeiterhochburgen

Bei der Bundestagswahl 2009 erreichte die Linke auf dem Höhepunkt ihrer Erfolge knapp 12 Prozent der Stimmen (in einigen ostdeutschen Bundesländern bis zu 30 Prozent). Die Reaktion auf diese Erfolge war der heutigen auf die rechtspopulistische AfD nicht unähnlich. Am Vorabend der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen 2014 kam es zu lautstarken Protesten vor dem Thüringer Landtag.

Heute kann die Linke in ihren ehemaligen Arbeiterhochburgen keine Mehrheiten mehr gewinnen. Eine Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung aus dem Jahr 2024 zeigt, dass die Wähler aus der Arbeiterschaft in Scharen abgewandert sind. Zwischen 2009 und 2021 sank der Rückhalt der Partei bei den Industriearbeitern von rund 20 Prozent auf magere 4 Prozent. Als wichtigste Unterstützer der Partei identifiziert die Studie „Angehörige der Mittelschicht“ wie Lehrer, Ärzte, Sozialarbeiter und Krankenpfleger sowie Ingenieure, Architekten und Techniker. Die Linke sei eine Akademikerpartei geworden, das sei eine Tatsache, heißt es in einem weiteren Bericht der linken Zeitschrift Jacobin.

In den letzten Jahren hat sich die Partei zu einem Sprachrohr für „progressive“ Aktivisten aus der Mittelschicht entwickelt. Ihre Haltung zur Migration verkörpert diesen Wandel. Der Co-Vorsitzende der Linken, Jan van Aken, erklärte, seine Partei wolle „niemanden“ abschieben – auch nicht nach den tödlichen Anschlägen, die zum Teil von abgelehnten Asylbewerbern verübt wurden. Für die Europawahl 2024 wählte die Linke Carola Rackete, Kapitänin eines Flüchtlingsrettungsschiffs, zu ihrer Spitzenkandidatin. Sie wurde 2019 bekannt, nachdem sie sich entschieden hatte, Bootsmigranten nach Italien zu bringen – trotz Hafensperre und gegen die Anweisungen der italienischen Behörden. Die Europawahlen im vergangenen Jahr waren für Die Linke ein Desaster, sie erhielt nur 2,7 Prozent der Stimmen.

Vehikel für die Anliegen der Eliten

Die migrationsfreundliche Haltung der Partei war jedoch entscheidend für ihren Erfolg bei den letzten Bundestagswahlen. Als die Anschläge und der öffentliche Druck auch SPD und Grüne dazu zwangen, sich (zumindest rhetorisch) für schärfere Grenzkontrollen einzusetzen, konnte Die Linke eine Nische für sich finden. Sie konnte sich nun als Gegenpol zu AfD und Populismus positionieren.

Neben der Forderung nach offenen Grenzen hat sich die Linkspartei eine Reihe weiterer „progressiver“ Anliegen zu eigen gemacht, darunter die Verfolgung eines radikalen Klimaschutzes und die Transgender-Politik. Einige der Wahlkampfforderungen der Partei – höhere Steuern für Reiche („Milliardäre soll es gar nicht erst geben“), Mindestlohnerhöhungen, höheres Arbeitslosengeld und eine bundesweite Mietpreisbremse – sind nicht neu. Diese Fixierung auf Umverteilung hat die Wähler aus der Arbeiterklasse nie besonders angesprochen.

Unter dem Strich gingen die Gewinne der Linken vor allem auf das Konto der Grünen (über 700.000 Stimmen) und der SPD (560.000 Stimmen). Diese Verschiebung unterstreicht die Transformation der Partei zu einem Vehikel für die Anliegen der Eliten. Von der Neuausrichtung der Parteien in Deutschland könnte die Linkspartei auch in Zukunft weiter profitieren. Eine Partei für die arbeitenden Menschen – oder eine Arbeiterpartei – wird diese Linke aber nicht werden. Auch den Rechtspopulismus wird sie nicht eindämmen können. Anders als im Falle von Sahra Wagenknechts BSW hat es keine Wählerwanderung von der AfD zur Linkspartei gegeben.

Trotz ihres Erfolgs bei den letzten Wahlen ist Die Linke zu einer Partei geworden, die eine bürgerliche Agenda verfolgt, die die Interessen der Wähler, für die sie gegründet wurde, missversteht und untergräbt. Sie ist offiziell zur Anti-Arbeiter-Partei geworden.

Diese Übersetzung eines Spiked-Kommentars erschien zuerst in Novo-Argumente.

 

Sabine Beppler-Spahl ist Diplom-Volkswirtin, Deutschlandkorrespondentin des britischen Online-Magazins Spiked sowie Vorsitzende des Vereins Freiblickinstitut e.V. Sie ist Herausgeberin des Sammelbandes „Cancel Culture und Meinungsfreiheit“.

Die in diesem Text enthaltenen Links zu Bezugsquellen für Bücher sind teilweise sogenannte Affiliate-Links. Das bedeutet: Sollten Sie über einen solchen Link ein Buch kaufen, erhält Achgut.com eine kleine Provision. Damit unterstützen Sie Achgut.com. Unsere Berichterstattung beeinflusst das nicht.

Foto: Montage achgut.com

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Bernd Gottschalk / 12.03.2025

...vor allem ist die Linke eine Partei der jungen Migranten geworden…

A. Ostrovsky / 12.03.2025

Arbeiter? Sind das nicht diese haarigen Gestalten, die immer etwas riechen und so ein kohleverschmiertes Gesicht haben? Die sind doch schon unter Schröder ausgestorben. Es gibt gar keine Arbeiter mehr. Heh, wenn einer weiß, was Arbeiter sind, dann die LINKE/SED. Arbeiter haben einen blauen Latzanzug an und ein verschmiertes Gesicht. Weil sie vor 50 Jahren schon den Marx nicht begriffen hatten. Deshalb wussten sie einfach nicht, was Arbeiter sind. Ich war nie Arbeiter, weil ich studiert hatte. Arbeiter studieren nicht, außer in den Schriften von Lenin und Ulbricht. Immer wenn die unintelligentesten sich mit Ellenbogen und Intrigen bis an die Spitze kämpfen, dulden sie unter sich nur Unintelligente. Alle Anderen “gehören nicht zu uns”, “sind keine Demokraten”, “wollen keinen Frieden” und “haben unseren klaren Klassenstandpunkt verlassen”. DAS WAR IMMER SO, Frau Beppler-Stahl hat es nur jetzt erst begriffen. Soll ich jetzt hier schreiben, wie Marx die Arbeiterklasse definiert hat? Ich bin doch nicht verrückt! Ich mache mich doch nicht zur Zielscheibe für ALLE! Die LINKE heult mit den Hedgefonds, den Neuaristokraten und den antifaschistischen Zockern wie Görgy Schwartz. Und für den Krieg sind sie, nicht für den Frieden!

Kordula Bayer / 12.03.2025

Den “kleinen Mann” vertritt nur noch das BSW. Leider ist dort die Israelpolitik kritikwürdig. Aber im Sozialen sind sie gut und auch reell.

Mathias Hartmann / 12.03.2025

@Robert Schleif: Zustimmung. Das sind nicht Bürgerliche sondern bourgeoise Bohemiens (Bobos) und akademisches Prekariat.

D.Kempke / 12.03.2025

Der “Erfolg” der SED (dies ist und bleibt sie) war rein temporär - verursacht durch für den Augenblick von Grünen und SPD enttäuschte Linksextreme sowie ein paar Rückkehrer vom BSW die mit den Regierungsbeteiligungen desselben im Osten erkennen mussten, dass Wagenknecht nichts anders macht und man somit auch gleich beim Original bleiben kann. SPD+Grüne werden das kaum auf sich sitzen lassen - s.h. die aktuelle Genasführung des Herrn Merz. Sobald sich diese Erkenntnis durchsetzt und die letzten Alt-SED-Anhänger wegsterben geht die Linke/SED wieder unter 5%. Zumal die Klientel der Nichtproduktiven Linken mit der fortdauernden Wirtschafts- und Schuldenkrise ohnehin bald zahlenmäßig wieder schrumpfen wird.

Fritz Gessler / 12.03.2025

die linken lügen, die rechten betrügen… niemals war dieser spruch wahrer als heute

Jochen Lindt / 12.03.2025

Diese neue Wählerschicht nennt man “Globalisierungsgewinner”.  Dazu kann der Arzt ebenso gehören, wie der islamische Immigrant und Transferleistungsempfänger.  Oder der NGO-Flüchtlingshelfer.  Nur der deutsche Arbeiter kann keinesfalls dazu gehören, auch nicht in Zukunft.  Die Linke hat sich an Bertolt Brechts Empfehlung gehalten und “sich ein anderes Volk gewählt”.  Und es hat geklappt!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Sabine Beppler-Spahl, Gastautorin / 12.06.2025 / 10:00 / 30

Warum Rouven Laur starb

Vor einem Jahr wurde in Mannheim der Polizist Rouven Laur getötet. Die Gedenkroutine sollte zum Jahrestag den islamistischen Hintergrund des Anschlags möglichst vergessen machen. Das hat Folgen. Ein Jahr nach dem…/ mehr

Sabine Beppler-Spahl, Gastautorin / 07.06.2025 / 10:00 / 32

Kulturkampf um einen Volksaufstand

Vor 500 Jahren tobte der Bauernkrieg. Heute prägt die Angst vor dem Populismus die Erinnerung an das historische Ereignis in Deutschland. Was vor fünfhundert Jahren…/ mehr

Sabine Beppler-Spahl, Gastautorin / 07.05.2025 / 16:00 / 35

Wenn der Inlandsgeheimdienst sich als Richter aufspielt

Wenn ein Geheimdienst entscheidet, wie weit der Diskurs reichen darf, sagt die Demokratie leise Servus. Kann die Demokratie in Deutschland überleben? Für viele im politischen…/ mehr

Sabine Beppler-Spahl, Gastautorin / 12.04.2025 / 06:15 / 87

Mit der Kettensäge gegen die Meinungsfreiheit

Die AfD liegt nach neusten Umfragen sogar vor der CDU. Da sich die bisherigen Mittel als wirkungslos erwiesen haben, greift man zur nächsten Eskalationsstufe, der Einschränkung demokratischer Grundrechte,…/ mehr

Sabine Beppler-Spahl, Gastautorin / 23.12.2022 / 12:00 / 81

Eine echte Bedrohung der Demokratie

Die Reichsbürger sind gefährlich, aber die Überreaktion der Regierung ist noch gefährlicher. Rund 3.000 Polizeibeamte im Einsatz, 54 Verdächtige und 25 Festnahmen im Kampf gegen…/ mehr

Sabine Beppler-Spahl, Gastautorin / 04.11.2022 / 15:00 / 8

“Battle of Ideas” in Berlin

„Von der Inflation bis zum Krieg in der Ukraine, von den Kulturkriegen bis hin zu zerfallenden Institutionen – dies war ein Jahr mit enormen Herausforderungen“,…/ mehr

Sabine Beppler-Spahl, Gastautorin / 31.08.2022 / 06:15 / 101

Bringt Deutschlands Krise den Euro zu Fall?

Mit dem wirtschaftlichen Schwanken Deutschlands werden auch die grundlegenden Konstruktionsschwächen der Eurozone bedrohlich deutlich.  Drei Wirtschaftsnachrichten erreichten uns in den letzten Wochen, die wenig Gutes…/ mehr

Sabine Beppler-Spahl, Gastautorin / 25.05.2022 / 12:00 / 51

Und ewig kränkelt das Weib?

Die Kampagnen für einen Menstruationsurlaub befördern das alte Stereotyp der verletzlichen, kränkelnden Frau. Die Biologie der Frau galt lange Zeit als Grund für ihre Verbannung…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com