Anabel Schunke / 17.09.2019 / 06:10 / Foto: Achgut.com / 165 / Seite ausdrucken

Die linke Currywurst 

Links ist die neue Mitte. Alles jenseits davon schon rechts. Die ursprüngliche Mitte wurde aufgelöst. Sie muss sich entscheiden. Linke Deutungshoheit übernehmen oder Nazi sein. Die politischen Koordinaten verschieben sich seit geraumer Zeit mächtig. Vor allem Journalisten der sogenannten „Qualitätsmedien“ haben mit ihrer Art der Themensetzung und Aufarbeitung in den letzten Jahren einen essenziellen Beitrag zu dieser Verschiebung geleistet.

Es wird deutlich: Nicht das tatsächlich recht kleine Spektrum von ohnehin gesellschaftlich isolierten Rechtsextremen treibt die Polarisierung der Gesellschaft voran, sondern linke Schreihälse wie Herbert Grönemeyer, deren extreme Ansichten wiederum prominente Unterstützung erhalten und von einer Mehrheit der deutschen Journalisten und Politiker auch noch als politische Mitte bezeichnet werden.

Das eigentliche Problem an der wiederentdeckten prominenten Politisierung von Herbert Grönemeyer bis hin zu den „Lochis“ ist nicht, dass diese Menschen eine Meinung haben, die sie selbstredend auch vertreten dürfen. Nein, es ist ein von jedweder Kritik befreiter Umgang einer mehrheitlich linksgrün geprägten Medienlandschaft mit diesen totalitären Ansichten. 

So schreibt etwa SPIEGELOnline, Herbert Grönemeyer hätte mit seinen Äußerungen „Wut von rechts“ auf sich gezogen und verweist auf AfD-Politiker, die Grönemeyers Ausbruch mit Nazipropaganda verglichen hätten. Der mehrfach ausgezeichnete ZEIT-Journalist und Buchautor, Henning Sußebach, twittert unterdessen: „Herrlich, wie erschrocken man rechtsaußen ist, wenn die Mitte mal zurückbrüllt.“ In so manch einer deutschen Nachrichten-Redaktion bemüht man sich derweil seit Sonntagnachmittag um Schadensbegrenzung durch Auslassen.

So zog der Deutschlandfunk es vor, die heiß diskutierte Textzeile, in der Grönemeyer „diktieren“ will, „wie `ne Gesellschaft auszusehen hat“ in seiner Meldung gleich gar nicht erst zu erwähnen. Stattdessen zitiert man die weit weniger problematische Passage, in der der Künstler dazu aufruft, „keinen Millimeter nach rechts zu rücken.“ Es folgt erneut der Satz, dass sich unter anderem auch AfD-Politiker geäußert und Grönemeyers Aufruf mit Nazi-Propaganda verglichen hätten. Ein Satz, der sich so übrigens nicht nur auf SPIEGEL-Online und beim Deutschlandfunk finden lässt, sondern auch beim Tagesspiegel, dem Merkur und anderen Nachrichtenseiten. Last but not least möchte auch der sonst begabte Micky Beisenherz in seiner Kolumne eine „Lanze für den Sänger brechen“, dessen Aussage „Keinen Millimeter nach rechts“ rücken zu wollen, ihm Goebbels-Vergleiche durch „rechte Trolle“ eingebracht hätte.

„Bist du nicht für uns, bist du gegen uns“-Rhetorik

Es ist jene Art der Auseinandersetzung mit und Aufarbeitung von Grönemeyers Aussagen und den Reaktionen darauf, die dafür sorgt, dass genau jene gesellschaftliche Mitte, für die man einzustehen glaubt, sukzessive verschwindet. Weil sie keine Erwähnung mehr findet. Weil es nur noch die Gleichgesinnten gibt, die für Grönemeyer und gegen „Hass und Ausgrenzung“ in die Bresche springen und jene, die ihrem „rechten Hass“ zusammen mit „AfD-Politikern, die Grönemeyers Aussagen mit Nazi-Propaganda verglichen“, freien Lauf lassen.

Wer schreibt, „AfD-Politiker und andere“ hätten sich gestört, der will eine Verbindung herstellen, die unterschlägt, dass es eben nicht nur Rechte, sondern auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft gibt, die sich aufgrund ihres liberalen Demokratieverständnis am totalitären Tenor Grönemeyers stören. Jene, die keine hysterische Ausschlachtung aus politischem Kalkül betreiben, wie es sicherlich Teile der AfD tun. Die sich von Linksextremismus genauso abgrenzen wie von Rechtsextremismus. Denen es um den Erhalt liberaler Grundwerte geht und für die genau durch diese „Bist du nicht für uns, bist du gegen uns“-Rhetorik der Grönemeyers dieser Welt und ihrer Sympathisanten in Presse und Politik die Luft in dieser Gesellschaft zunehmend enger wird. 

Denn es ging nicht um Grönemeyers Positionierung gegen „Hass und Ausgrenzung“, wie es immer so schön heißt, wenn es darum geht, deutlich zu machen, dass jeder, der sich nicht auf die gleiche Seite stellt, automatisch für Hass und Ausgrenzung ist oder das, was die neue linke „Mitte“ dafür hält. Es ging auch nicht um seine Aussage „keinen Millimeter nach rechts“ rücken wollen, oder die Befürchtung, dass sich ein wachsender Teil der Gesellschaft, offen für rechtsaußen zeigt, die ich im Übrigen teile. Nein, es ging explizit um die Aussage, „diktieren zu wollen, wie `ne Gesellschaft auszusehen hat.“ Darum, dass ihm seine Fans völlig ekstatisch und vollkommen unkritisch zujubelten, während sich seine Stimme überschlug. Darum, dass der Bundesaußenminister ihm daraufhin für seine Worte dankt. Dass von den Stimmen, die in diesem Land öffentliches Gewicht besitzen, keine mehr zu erkennen scheint, dass Links- und Rechtsextremismus zwei Seiten derselben Medaille sind. Dass es bei Grönemeyer und Co. nicht um die Mitte gegen Rechts geht, sondern wieder einmal um die Durchsetzung einer einzig „wahren“ Weltsicht und folglich die Bekämpfung all jener, die diese nicht teilen. Und dass das sowohl im Nationalsozialismus als auch in der DDR zu Zwang, Unfreiheit, Menschenverachtung und Gewalt geführt hat. 

Moral ist und bleibt ein subjektiver Wert. Eine dem Zeitgeist unterliegende Anschauung, die genau deshalb nicht zur Prämisse politischer Leitlinien werden darf. Die immer von einigen geteilt und von anderen abgelehnt wird und so der freien, pluralistischen Gesellschaft niemals Rechnung trägt. Der Anspruch, eine „wahre“ Moral oder Weltanschauung durchsetzen zu wollen, endet folglich immer im Zwang, an dessen Ende die Unfreiheit aller und die Gewalt gegenüber jenen steht, die diese Moral nicht teilen. Wer das nicht versteht, sollte wahlweise weder schreiben, noch Politik betreiben oder in Bezug auf Herbert Grönemeyer besser wieder über Currywurst singen. 

Foto: Achgut.com

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B. Rilling / 17.09.2019

Ich finde Herr Grönemayer sollte einfach nur singen! Wenn “Personen der kulturellen Öffentlichkeit” ihren Einfluss nutzen, um politische Meinungen in völlig unbedarfte Jugendhirne zu pflanzen, dann werde ich unruhig und wütend! Denn ich habe das alles schon einmal erleben müssen! Dass alle dazu frenetisch jubeln, kann ich mir gar nicht erklären! Eigentlich gehörte er ausgebuht und dann hätte sich der Saal zusehends leeren müssen. Aber Herr Gröhlmeister kann ja auch trefflich fordern! Er zahlt ja mit seinen Mio. an hart verdienten Penunsen in Deutschland den Spitzensteuersatz! Da kann er doch auch fordern, was mit seinem Geld hier Gutes geschehen soll! Doch nee, verdammt! Er lebt ja schon längst nicht mehr in Bochum, sondern in einer schicken Villa in England! Aber an der tollen Aktion NeST nimmt er doch sicher teil! Sonst wäre er ja auch nicht berechtigt, das von den dummen “Daheimgebliebenen” zu fordern oder?

Volker / 17.09.2019

Insgesamt ein sehr denuzierter Auftritt von Herrn Grönemeyer. Ich finde er und viele andere Prominente machen es sich leider zu einfach vom goldenen Thron schwimmend in Millionen € andere Leute ihre Meinung zu “diktieren”. Nach seiner Aussage keinen Millimeter nach rechts habe ich für mich entschieden keine Sekunde mehr Herbert Grönemeyer Musik zu hören.

T. Brecht / 17.09.2019

Grölemeier ist mir schon länger suspekt lebt schön abgeschottet in London und reitet in Deutschland auf der grünroten Welle was für ein erbärmlicher Heuchler. Die gesellschaftliche Mitte ist noch da nur leider unsichtbar im Hintergrund. Wann ist der Zeitpunkt gekommen an dem sich die schweigende Mitte erheben wird ?  Ich warte mal ab aber die gelbe Weste liegt griffbereit.

U. Unger / 17.09.2019

Nun hat es sich gelohnt, früh auf zu stehen, Frau Schunke. Nicht gegen Grönemeyeier oder gegen rechts. Für die Banalitäten der Demokratie. Ein Mensch eine Stimme. Diejenigen, die eine Wahl gewinnen, dürfen danach Ihre Vorstellungen der Problembewältigung und Gestaltung umsetzen, bis zur nächsten Wahl. Dem Gewählten steht m.M.n. nur der Respekt des Wahlergebnisses zu. D. h. dies gilt es zu respektieren. Ein persönlicher Respekt steht dem Gewählten nicht zu. Der abstrakte Respekt vor dem jew. Amt, soll diesen Konsens betonen, mehr nicht. Kritik und Alternativen zu jeder Entscheidung zu formulieren, ist jedem, egal ob Oppositionspartei oder Einzelperson immer erlaubt. Ich glaube mit wenigen Worten den Minimalkonsens von Demokraten umrissen zu haben. Zum Thema Grönemeyer habe ich viele Kommentare gelesen, (um 200) viele Entgegnungen unsachlich und ähnlich niveaulos, wie der geschaffene Anlass. Als Demokratat frage ich mich nur, wer wem mit welcher Legitimation etwas “diktieren” möchte. Wahlergebnis? Erkenne ich an. (Eingeschränkt, s.o.). Herrn Grönemeyer bin ich für seinen Auftritt dankbar, weil er so selbstentlarvend war. Gestützt durch ein Youtube Video bei TE verlinkt. Der private Grönemeyer in seiner aggressiven Alltagstoleranz und der professionelle Sänger im Dienst, kein Unterschied! Verstörend anders, selbst im Vergleich zu ausschließlich Freiberuflern, die man persönlich, beruflich und privat kennt. Mäßigung und eine gewisse Selbstbeherrschung, HG Fehlanzeige. Nun will er Respekt, nach meiner Auffassung, der positive Draufblick auf eine Person inklusive der Handlungen eben dieser. Vorrauseilend gebe ich immer 2 % die hat er. 98% muß er regelmäßig verdienen, wie jeder. Viele meiner Mitmenschen stehen bei nahe 100, Grönemeyer bei 6. 100% kann es nicht geben, sonst wäre ich jemdem hörig.

Franck Royale / 17.09.2019

Und man muss wieder daran erinnern, daß der Nationalsozialismus in der Weimarer Republik genau aus diesem linken, diktierenden, umstürzlerischen, schreienden Milieu entstanden ist, welches sich in unterschiedlichen Rotstufen dabei überbot gegen Bürgertum, Eigentum, Industrie und Kapital zu hetzen - bis es braun wurde.

Michel Behringer / 17.09.2019

Welches politische Amt hat Grönemeyer gerade inne? Egal, diese unsäglichen Äußerungen vor dem österreichischen Wahlvolk müssen Konsequenzen haben! Grönemeyer muss sein Amt niederlegen und zwei Jahre in der Kommunalpolitik Buße tun. Diktieren, das kommt aus dem Lateinischen, und wie die römische Republik geendet ist, das brauch ich hier wohl niemandem zu erklären.

Sonja Brand / 17.09.2019

Herbert Gröhlemeyer ist das perfekte Beispiel für den Aufstieg der weltfremden und speichelleckenden Linken, die zum Aufstieg der Nazis geführt haben.

Hartmut Laun / 17.09.2019

Die Hassrede von Grönemeyer als nur auf die gefährliche Botschaft zu reduzieren ist zu wenig. Redet er so unter seinen Genossen, in der Kneipe, in der U-Bahn, nun gut. das sei dem Mann gegönnte. Nein, sein hysterisches Brüllen ist ein Teil seiner Propaganda.  zu einer bestimmten, zu einer wohlbestimmten Zeit seinen Hass gegen andere vor einem großen Publikum zu verbreiten, welches damit nicht rechnet, das gehört dazu. Und was unbedingt dazu gehört, dass ist die grölende Begeisterung des Publikums als Antwort auf den Hass von G. gegen andere. Täusche ich mich, oder sind auf Demonstrationen und im Publikum solcher Künstler in der letzten Zeit ungewöhnlich viele junge Frauen zu sehen, die da in der ersten Reihe laufen?

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