Dushan Wegner, Gastautor / 22.05.2024 / 14:00 / Foto: Pixabay / 32 / Seite ausdrucken

Die letzten Tage eines Cafés in Köln

Das berühmte „Café Fromme“ in Köln hört nach über 100 Jahren auf. Man findet wohl keine Nachwuchskräfte. Eine weitere Tradition stirbt. Ein Land und seine Kultur zerrinnen uns zwischen den Fingern.

Vor Jahrzehnten, die gereifteren Kölner werden sich erinnern, da gab es in Köln in der Schildergasse einen wunderbaren Spielzeugladen namens „Feldhaus“. Mehrere Stockwerke voll käuflichen Glücks.

Vorm Eingang ein riesiger Steiff-Teddybär. Wenn man hineinkam, war links die Abteilung mit den Schlümpfen, im ersten Stock die Abteilung mit den Modelleisenbahnen und den Spielen, namentlich auch Carrom-Brettern. (Carrom ist eine Art „Finger-Billiard“. Ich habe zwar mit Freunden reichlich Carrom gespielt, aber nie ein eigenes Brett besessen. Das Notieren dieser Erinnerungen bringt mich auf die Idee, heute, würdige Jahrzehnte später, meinen eigenen Kindern das Carrom-Spiel zu zeigen.)

Im zweiten Stock des „Feldhaus“-Paradieses wurde der Modellbau gefeiert. Regale um Regale mit Modellbausätzen, „Revell“ natürlich und die teuren italienischen und noch teureren, doch auch sehr exquisiten japanischen Marken. Schiffe, Autos, Flugzeuge und natürlich Panzer. Dazu Gipsmasse und diverse Bäume, Gebüsche und Gras als grünes Pulver. Und natürlich die ferngesteuerten Autos. Wow, die ferngesteuerten Autos!

Ein Paradies weniger

In einem Jahr, als wir von der Schule aus ein Praktikum absolvieren mussten, bewarb ich mich beim „Feldhaus“ für ein Praktikum – und ich wurde genommen. Ach, ich bin den Leuten nicht böse, dass sie mich am ersten Tag mehrfach durchs gesamte Haus schickten, um Batterien für den Preisauszeichner zu holen.

Diese Geräte, mit denen Preisschilder aufgeklebt wurden, brauchen überhaupt keine Batterien, zumindest brauchten sie die damals nicht. Mich diese Batterien holen zu lassen, war ein Initiationsritus. Man ließ mich spüren, dass ich noch viel zu lernen hatte. (Und ich meine düster, darüber schon mal geschrieben zu haben… nur wo?)

In den ersten Tagen meines Praktikums ließ man mich sogar gelegentlich mit ferngesteuerten Autos spielen – bis ich ein Modellauto einem Kunden mit Karacho gegen die Fußknöchel fuhr. Ach ja, lang ist’s her. Und dann, Jahre später, sprach es sich in Köln plötzlich herum, dass das „Feldhaus“ schließen würde. An seine Stelle trat irgendein weiteres Klamottengeschäft. Ein Stück des Kölns meiner Kindheit starb, und damit starb – seien wir stets ehrlich – ein Stück von mir.

Nicht nur ein Café

Ich fühlte mich an jenen Abschied erinnert, als ich dieser Tage las, dass in Köln nun auch das „Café Fromme“ schließt. Ja, auch an das „Café Fromme“ kann ich mich natürlich erinnern. Nein, ich frequentierte es nicht ganz so häufig wie das Spielwarengeschäft „Feldhaus“, aber zu besonderen Gelegenheiten durchaus!

Das „Café Fromme“ war nicht nur ein Café, sondern vor allem auch eine eigene Konditorei, und einige Male „gönnte ich es mir“ dann doch und lud die Kinder auf eine süße Leckerei in stilvoller Atmosphäre ein. Einmal bestellte ich eine Torte dort, aus Gründen.

Und nun schließt das „Café Fromme“, nach über hundert Jahren. Focus.de zitiert Gregor Fromme persönlich: „Wir brauchen hier eigentlich sechs bis acht Konditorinnen und Konditoren. In der letzten Zeit hatten wir allerdings nur noch zwei – und diese sind auch zeitweise ausgefallen“.

Die sich freuen

Der Mangel an fähigem und willigem Personal war nicht der einzige Grund, doch wohl der entscheidende. Es liegt ja aber, so finde ich, eine bittere Gerechtigkeit darin: Wenn eine Gesellschaft nicht das Personal hervorbringt, das feine Kuchen und Torten backt, dann hat sie dieses Feingebäck eben nicht verdient.

Es gibt Leute, die wird es freuen, dass das Café und die Konditorei der Familie Fromme schließen, und es sind die immergleichen, die sich freuen – die, die nichts erschaffen und immer nur verderben können.

2020 ging ein Aufreger durch die Fake-Moral-Kolumnen des Internets. Im „Café Fromme“ gab es zu kaufen: „Kolonialdesign: schwarze Schokoküsse mit dicken Lippen, Hütchen oder sogar einem Knochen im Haar“.

Ein wenig glücklicher

Nun, auch dieses Stück trotziger Kölner und damit auch deutscher Geschichte wird nun vorüber sein. Eine dänische Bäckereikette übernimmt das Ladenlokal, so lesen wir. Man seufzt. Unsere Traditionen sterben, ein Ladengeschäft nach dem anderen. Manche Entwicklungen sind der modernen Technik geschuldet, und wir wollen sie gar nicht zurückdrehen.

Andere Entwicklungen sind wohl darin begründet, dass die von entseelter Propaganda geformte deutsche Gesellschaft die falschen Prioritäten setzt und „Influencer“ oder „Aktivist“ zu sein attraktiver ist, als Konditor zu werden und seine Mitmenschen mit feinstem Backwerk ein wenig glücklicher zu machen. Heute will ich gar nicht an all diese Debatten heran, über Kultur und Werte und neue Arbeitswelten.

Heute will ich nur mein Seufzen übers Verschwinden einer weiteren Tradition in Worte fassen. Jedes Verschwinden dieser Symbole und Traditionen fühlt sich an, als würde mir ein schweres Modellauto gegen die Fußknöchel fahren – ferngesteuert von einem dummen 14-Jährigen mit Brille und der naiven Hoffnung auf all die schönen Dinge, die seine Stadt ihm und dereinst seinen Kindern noch bescheren wird.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht. Dieser Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog Dushanwegner.com.

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Jörg Themlitz / 22.05.2024

“Ein Land und seine Kultur zerrinnen uns zwischen den Fingern.” Oder doch die freiwillige, bewusste Zerstörung durch fremde Kulturen. (Wer die fremden Kulturen nicht gut findet, ist böse.) Ernst Jünger (oh Gott) sah in der bewussten Zerstörung der deutschen Innenstädte durch anglo amerikanische Bomber die zielgerichtete Zerstörung der deutschen Kultur beginnend mit der Architektur. In der DDR wurden nur die “Kulturschaffenden” unterstützt die auf Linie lagen. Papierkontingente, Räume, Instrumente, Fahrzeuge usw. Auch diese Einfaltigkeit wurde damals Vielfalt geheißen. Ein Schamane (Influencer, Aktivist) der seinen Stamm mit allerlei Scharlatanerie erfreut, heilt, tröstet, Konflikte klärt usw., kann von seinem Stamm mit ernährt werden. Mehr Schamanen machen den Stamm kaputt.

Olaf Dietrich / 22.05.2024

Tja, seit den Maßnahmen geht´s bergab. Die Jugend will IT und so, ist aber zu blöde dafür. Wenn die wüssten , wie erfüllend ein Leben als Konditor sein kann, Handwerker.  Mein Bruder ist Schreiner. Erschafft Dinge. Ich Songwriter (bandcamp). Dito.  DAS KANN KEINE KI DER WELT!! Und die “Zugereisten” stehen rauchend vor´m Wettbüro. Armselig, meinen aber dank Allah seien sie was besseres. Frankreich ähnlich:  Mal eben einen Café im Dorfbistrot : ZU!  Bäckerei: ZU. Die Jungen rauchend in Paris vor den Wettbüros. Nehmt ihnen die Sch***  Smartphones Weg. Wer dafür Geld hat braucht keine Stütze. Die sitzen ja schon auf den Schlauchbooten mit den Dingern rum. Wer zahlt das denn ??  Deutsche NGO`s.    Unser Volk braucht die Peitsche!!  Dringend!! Die Sch….-regierung sowieso!!  Amen!

Florian Bode / 22.05.2024

Und so werden die Innenstädt öde und werwechselbar. NewYorker, Starbucks, Zara, BurgerKing, Rossmann, McDonalds, Subway, H&M, Bershka, usw. Warum noch hinfahren? Dass Demokrafie wichtig ist (um es mal freundlich auszudrücken) hat R. T. Erdogan schon vor vielen Jahren erkannt und kundgetan. Derweil Micheline und Michel mit ihrer Selbstverwirklichung und allerlei Wehwehchen beschäftigt waren. Die Mütter der Kinder, die heute Torten machen sollen, wurden daher nie geboren.

Detlef Rogge / 22.05.2024

Wieder eine Aufbackstation mehr. Mein Bäcker, der einzige Vollkornbäcker weit und breit, hält sich wacker. Vom Ambiente her, Zeitreise in die Sechziger. Der Chef als Alleinmeister, seine Frau verkauft. Ansonsten kein Personal. Sehr versteckt gelegen, keine Laufkundschaft, muß ich per Auto hin. So wie fast die gesamte Kundschaft, alle aus der Öko-Bourgeosie. Saftige Preise. In der gleichen Straße hat der Schuster altersbedingt zugemacht. Kein Nachfolger. Wer läßt sich wie ich noch Schuhe besohlen? Turnschuhe/Sneakers soll tragen wer will.

Moritz Ramtal / 22.05.2024

Es gibt nunmal kein Multikulti, es gibt nur kulturelle Handlungen. Werden es für eine zu wenig Menschen, dann stirbt diese mangels der nötigen Dichte aus.

janblank / 22.05.2024

Und nun kommt eben das Neue: Shisha Bars, Handyläden, Barbershops und Leerstand und dazwischen Trauben von Eckenstehern, die einem zuraunen: Wass guckts Du ? Es gibt ja Leute, die freuen sich drauf….. jeder der dieses Land noch vor 30 oder 40 Jahren erleben durfte, wendet sich mit Grausen ab. Selbstmord hat schließlich auch etwas höchst Unappetitliches.

Paul Franklin / 22.05.2024

Vergangenes Wochenende, beim Besuch eines Mittelaltermarkts, gab es unter allen Besuchern genau einen (1), der ohne Zweifel einen Migrationshintergrund hatte. Ansonsten: Null (0) vom südländischen Typus, Null (0) vom kopftuchtragenden Typus, Null (0) vom afrikanischen Typus, etc. Es findet keine Integration statt, daher ist ein Wandel der Kultur zwangsläufige Folge. Ist gemäß dem späten Wolfgang Schäuble aber der natürliche Lauf der Geschichte, den man nicht aufhalten soll. Der Untergang der deutschen Kultur reiht sich damit in das Verschwinden zahlloser anderer Kulturen ein. In 500 Jahren werden in Geschichtsbüchern Erntebilder mit der Beschreibung “Deutsche Kartoffel, ca. 20. Jahrhundert” zu finden sein.

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