Die Leiden des Björn Höcke

Nachdem der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke in einer Rede gegen die deutsche Erinnerungspolitik mobil machte und seine Anhänger auf einen „langen, entbehrungsreichen Weg zum absoluten Sieg“ einschwor, ist in Teilen seiner Partei die Distanziereritis ausgebrochen. Wirklich logisch ist das allerdings nicht. Denn Höcke denkt lediglich die Schuldabwehr-Übungen zu Ende, die bei Kollegen und Anhängern seiner Partei schon länger zum Repertoire gehören.

Bei der „Alternative für Deutschland“ ist immer was los. Nachdem Björn Höcke in einer Rede gegen diese „dämliche Bewältigungspolitik“ und für eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ mobil machte, rätselt der Rest seiner Partei darüber, ob der AfD-Fraktionsvorsitzende aus Thüringen das alles denn wirklich so gemeint hat. Alexander Gauland kann die Aufregung nicht verstehen, André Poggenburg findet Höckes Einlassung dagegen „nicht zielführend“. Die einen meinen also so, die anderen so, und am Ende will es auch Björn Höcke selbst gar nicht so gemeint haben.

Nun vertreten nicht wenige Menschen die Ansicht, die Distanzierungs-Versuche einiger AfD-Verteter wären erst dann glaubwürdig, wenn Björn Höcke der Partei verwiesen würde. Das stimmt aber gar nicht. Denn erstens sind die Distanzierungs-Pirouetten, die im Nachgang aufgeführt wurden, ohnehin schon eher fadenscheinig. Frauke Petry erkennt in Höckes Ausflug in Goebbels’sche Parallelwelten eher eine „Belastung“ für das Projekt an sich. Ihr Gemahl Pretzell wiederum sieht es ähnlich und spricht zudem von einer „12-jährigen Geschichtsepoche“ – vermutlich, weil jeder andere Begriff die zarten Seelen seiner Anhänger verletzen könnte.  Beide bewegt offenbar nicht, was Höcke sagt. Sie finden es wohl auch nicht per se unangenehm, mit ihm in einem Boot zu sitzen. Sie stört erstmal nur, dass er womöglich ein paar Wähler abspenstig machen könnte. Die Distanzierung ist nicht inhaltlicher oder gar moralischer, sondern taktisch-strategischer Natur. Eine Verbannung Höckes würde derselben Logik folgen.

Der Versuch, dem Dritten Reich ein Facelift zu verpassen

Zweitens hat Höcke nur das zu Ende gedacht, was in und rund um die AfD (aber nicht nur dort) ohnehin schon lange zu den gängigen Ertüchtigungsübungen gehört: nämlich der Versuch, dem Dritten Reich ein ordentliches Facelift zu verpassen. „PEGIDA“ etwa führt immer wieder montags nicht nur Russland-Flaggen, sondern auch Stauffenberg-Fahnen spazieren. Frauke Petry möchte gerne wieder das Adjektiv „völkisch“ verwenden, weshalb sie für eine Generalreinigung desselben plädiert. Die „Junge Alternative Dresden“ beförderte wiederum erst neulich beide Weltkriege zu „Freiheitskämpfen“.

Freunde der Partei sehen immer seltener einen Unterschied zwischen Deutschland 2017 und Deutschland 1933. Sie wähnen sich im Widerstand gegen das „Merkel-Regime“ und weitere „Volksverräter“, die in ihrer Vorstellung an einer “Umvolkung“  arbeiten. Ohnehin sei die Flüchtlingspolitik nur Symptom eines „Schuldkults“, woraus die meisten Berufsopfer messerscharf schlussfolgern, dass spätestens jetzt ein Schlussstrich nötig sei, um dann endlich mit den Asylbewerbern klarzukommen. Gäbe es die Flüchtlingskrise nicht, man müsste sie glatt erfinden. Selten gab es ein so geeignetes Ventil und eine so passende Waschanlage für alte Sehnsüchte.

Die Opferrolle zählt zu denjenigen Rollen, die in Deutschland am glanzvollsten gespielt werden. Erst war man Opfer des Weltjudentums, dann der Alliierten, nun der Erinnerungskultur. Björn Höcke leidet nicht nur unter der Bombardierung Dresdens, sondern auch unter der Re-Education der Amerikaner, mit der die „deutschen Wurzeln“ nahezu vollständig „gerodet“ worden seien. Nun geht ihm die Erinnerung samt Berliner Mahnmal an die Nieren, die „das deutsche Volk“ an der Umsetzung größerer Pläne hindere. Und wo nur genügend Opfer-Punkte gesammelt sind, winkt irgendwann der vermeintlich legitime Widerstand. Denn die Mini-Höckes und ihr Guru sind freilich genauso wenig aggressiv wie ihre Vorfahren. Schon aus Tradition „wehren“ sie sich lediglich - und sind daher aus Prinzip für nichts verantwortlich.  

Björn Höcke, der in seiner Rede über Gaskammern und Krieg großzügig hinwegsieht, weil bei ihm erst da der Spaß aufhört, wo die „kollektive Identität“ und die „deutschen Wurzeln“ bedroht sind, hat insofern nur Konsequenz walten lassen. Den ewigen Kreislauf der deutschen Seelenhygiene – bestehend aus Verharmlosung, Schuldabwehr, Opferrolle und Schlussstrich-Sehnsucht - durchbricht er, um seinem Gefolge den logischen Ausweg zu weisen: nämlich den „langen, entbehrungsreichen Weg zum absoluten Sieg“. Unklar ist, wie viele diesen Weg mitgehen würden. Aber die klammheimlich artikulierte Wanderlust, die dafür erst notwendig ist, gehört zweifellos nicht nur im Hause Höcke zum guten Ton.

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Johannes Fritz / 19.01.2017

Es ist bemerkenswert, wie man stockreaktionär sein kann und der Partei trotzdem nicht beitreten, sie nicht wählen und sie noch auf Twitter links liegenlassen muss. Eine große Zahl an gemeinsamen Anliegen haben ich und die AfD und sie macht es mir völlig unmöglich, sie zu wählen. Eine Partei, die zu den oben genannten Dingen einen Wolfgang Gedeon (!) in ihren Reihen hat, ist nicht nur jetzt, sondern auch nach einem eventuellen Rauswurf (auf den ich nicht mehr warte) derart belastet - ja, das hat er mit Absicht geschrieben - einfach unwählbar. Außerdem beschleicht mich der Verdacht, dass diese Leute nicht aus Dummheit, sondern aus Kalkül nicht nur nicht rausfliegen, sondern weiter öffentlich wirken dürfen.

Frank Wagner / 19.01.2017

Rudolf Augstein und Martin Walser haben vor Jahren exakt das Gleiche über die Berliner Gedenkstätte gesagt. Genau genommen hat Höcke deren Zitate einfach nur wiedergegeben.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Jennifer Nathalie Pyka / 07.11.2016 / 12:00 / 15

Die Amerikaner sind und bleiben ein großartiges Volk

Das erkennt man schon daran, dass sie die letzten Monate überstanden haben, ohne kollektiv ihre Fernsehgeräte aus dem Fenster zu werfen, die Heugabeln herauszuholen oder…/ mehr

Jennifer Nathalie Pyka / 16.09.2016 / 08:17 / 18

Donald Trump: Der Siebener im Lotto für die Feinde des Westens

Donald John Trump aus Queens ist ein fleißiger Mann. Mit Immobilien, Hotels, Misswahlen und vielen anderen hübschen Dingen hat er sich nicht nur einen Namen,…/ mehr

Jennifer Nathalie Pyka / 23.08.2016 / 06:00 / 15

Löschen bis die Feuerwehr kommt – ein sehr deutscher Brand

Die Löschpolitik des US-Unternehmens Facebook war schon bizarr und undurchsichtig, bevor deutsche Politiker ins „no hate speech!“-Fieber verfielen. Doch seit Heiko Maas den Kampf gegen…/ mehr

Jennifer Nathalie Pyka / 01.08.2016 / 06:15 / 10

Auf in den totalen Frieden

Die Bestürzung war groß, als im Januar 2015 mehrere Terroristen erst ein Blutbad in der Pariser „Charlie Hebdo“ Redaktion veranstalteten, nur um anschließend noch vier…/ mehr

Jennifer Nathalie Pyka / 22.07.2016 / 06:00 / 17

Das Kommando NoHateSpeech tritt zum Dienst an. Finanziert vom Familienministerium

Der Kampf gegen Hass und Hetze im Internet zählt zu den größten Herausforderungen des Jahrzehnts. Viel hat die Bundesregierung schon getan, doch noch viel mehr…/ mehr

Jennifer Nathalie Pyka / 20.07.2016 / 07:30 / 11

Im Reich der Mutmaßung glaubt man auch an Trauma-Therapien gegen den Dschihad

Es ist gut möglich, dass Historiker in einigen Jahrzehnten der Frage nachgehen werden, warum nicht wenige Deutsche mitsamt des SWRs auf das Attentat von Würzburg…/ mehr

Jennifer Nathalie Pyka / 07.07.2016 / 12:00 / 8

Das Familienministerium finanziert vieles, auch den Hass auf Juden

Im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt es immer etwas zu tun. Und Hausherrin Manuela Schwesig sorgt höchstpersönlich dafür, dass das auch so…/ mehr

Jennifer Nathalie Pyka / 27.06.2016 / 06:25 / 8

Großbritannien: Es fehlt nur noch die Reisewarnung

What a difference a day makes! Kaum haben in Großbritannien die Falschen über das Schicksal des Landes abgestimmt, schon zieht das Sturmtief Martin quer über…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com