Krisztina Koenen, Gastautorin / 04.04.2022 / 18:28 / Foto: Imago / 31 / Seite ausdrucken

Landbevölkerung sichert Orbán 2/3-Mehrheit

Von Krisztina Koenen.

Die ungarische Parlamentswahl am Sonntag endete mit einem eindeutigen Ergebnis. Bei einer Wahlbeteiligung um die 70 Prozent erhielt die Koalition von Viktor Orbáns Fidesz Partei und der Christlich Demokratischen Volkspartei KNDP 53,29 Prozent der Stimmen, und verfügt damit erneut über eine Zweidrittelmehrheit, die sogar noch klarer ausfällt als in der vergangenen Legislaturperiode. Die vereinigte Opposition mit Parteien der Postkommunisten, Eurokraten, der verschiedenen Grünen und der nationalsozialistischen Jobbik erhielt 34,89 Prozent. Ins Parlament konnte darüber hinaus die Bewegung „Unser Vaterland“, eine Abspaltung von Jobbik, mit 6,15 Prozent einziehen. Das Wahlergebnis spricht dafür, dass es innerhalb der ungarischen Bevölkerung ganz offensichtlich eine konservative Mehrheit gibt.

Auffallend ist die Verteilung der Stimmen: Das Fidesz-Bündnis hat mit der Ausnahme von Pécs und Szeged alle Direktmandate im ländlichen Ungarn gewonnen, während Budapest mit Ausnahme zweier Bezirke an die Opposition fiel. Das zeigt eine schon lange bestehende, unheilvolle Zerrissenheit des Landes. Budapest war schon immer wie ein eigenes Land im Lande, es war reicher, linker, internationaler und frivoler als der ländliche Raum, in dem es bis zum heutigen Tag sehr arme Regionen gibt, wo hart gearbeitet werden muss und der Wohlstand für die Dekadenz fehlt. Orbán ist der Fürsprecher dieser oft in Tradition und lokaler Geschichte verwurzelten und mit einfacher Vernunft gesegneten Bürger, die für die Extravaganz der Hauptstadt und so mancher ihrer woken Einwohner so gar keinen Sinn haben. Er konnte sie für sich und seine Politik gewinnen, weil die Angesprochenen nicht das Gefühl hatten, hier spiele ihnen jemand was vor.

Orbáns bester Wahlhelfer war die Opposition selbst

Trotzdem ist die Wahl selbst für Fidesz und Orbán überraschend eindeutig ausgefallen. Selbst in Budapest, das fast vollständig der Opposition zufiel, lagen die Ergebnisse nur sehr knapp auseinander. Offensichtlich sehr populär war die Politik der Regierung, im Ukraine-Krieg neutral zu bleiben, aber trotzdem die EU-Sanktionen mitzutragen und zugleich den inzwischen mehr als 300.000 ukrainischen Flüchtlingen jede erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen. Darüber hinaus kann die Fidesz-Regierung auf eine sehr erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung zurückblicken.

Bis zur Pandemie hatte Ungarn jedes Jahr fast doppelt so hohe Wachstumsraten wie der EU-Durchschnitt, das Land hat den Zustand eines Entwicklungslandes – bis auf einige besonders benachteiligter Regionen – erfolgreich hinter sich gelassen. Alle Schichten der Gesellschaft sind wohlhabender geworden, wenn auch sicherlich nicht in gleichem Maße. Aber wahrscheinlich noch wichtiger ist, dass es Fidesz und insbesondere Viktor Orbán persönlich gelungen war, das Selbstbewusstsein einer ewig von Minderwertigkeitskomplexen geplagten Nation wieder aufzurichten. Auch wenn nur wenige zur Zeit bereit wären, auf eine EU-Mitgliedschaft zu verzichten, unterstützt eine große Mehrheit die Standhaftigkeit Orbáns in der Migrations- und Genderfrage, seine Behauptung der nationalen Unabhängigkeit, und hält die ständige Anklage, Ungarn sei kein Rechtsstaat, für ein Instrument der gegen das Land gerichteten Machtpolitik der EU. 

Doch Orbán hatte auch mächtige Wahlhelfer, und der größte unter ihnen war die Opposition selbst. Wie Achgut.com schon berichtet hat, bestand die oppositionelle Koalition aus linken Postkommunisten wie die Sozialisten und die Demokratische Koalition DK, zwei Grünen und einer linken aktionistischen Partei sowie der nationalsozialistischen Jobbik. Programmatisch einte diese Koalition einzig der persönliche Hass auf Orbán und – wenn wir von Jobbik absehen – die sklavische Befolgung der woken Weltrettungs- und Lebensführungsrezepte, wie sie die EU einfordert, ein Programm, das kaum imstande war den Geist und die Herzen der Landbewohner zu erobern. 

Pandemie und der Ukraine-Krieg haben das Land wirtschaftlich schwer getroffen

Als besonders problematisch erwies sich der nur durch ein Missgeschick Spitzenkandidat gewordene Péter Márki-Zay, der zwar als Unabhängiger galt, aber auf dem Ticket von Jobbik in diese Position gelangte. Es ist schwer zu sagen, ob er einfach ein wirrer Geist ist, oder zwischen den linken und Jobbik hin und hergerissen Unsinn und unanständiges Zeug erzählte. So kam es, dass man bis zum Schluss nicht wusste, wofür er steht. Die graue Eminenz, der echte Machtmensch in der Koalition war hinter ihm Ferenc Gyurcsány, der abgehalfterte ehemalige Ministerpräsident der Sozialisten, der zuerst seine Ehefrau zum Spitzenkandidaten machen wollte, damit jedoch bei der Urwahl scheiterte. Die Schuld für die Wahlniederlage sieht er folgerichtig allein bei Márki-Zay. Gyurcsány wird sich jetzt als Vertreter der stärksten Partei DK in der Fraktion vermutlich zum Fraktionssprecher küren lassen und versuchen, die restlichen Koalitionäre mit Ausnahme von Jobbik zu einer Einheitspartei einzustampfen. 

Sehr geholfen haben Fidesz außerdem die schwer erträglich fordernden Auftritte des ukrainischen Botschafters sowie die Angriffe des ukrainischen Präsidenten Zelensky auf Orbán und Ungarn generell und das unverhohlene Paktieren beider mit der Opposition. Zelensky behauptete, Ungarn würde für billiges Öl und Gas das Blut der Ukrainer vergießen helfen, gewann für diese Sicht der Dinge auch Márki-Zay und natürlich auch Gyurcsány, die als weitere Steigerung Orbán beschuldigten, ein unmoralischer Lump zu sein. Márki-Zay behauptete gar, Orbán sei allein an Geld interessiert und dafür würde er sogar zum Kinderschänder – ein Beispiel, das auch etwas über das Niveau des oppositionellen Wahlkampfes aussagt.

Es wäre ein großer Fehler, wenn Orbán und Fidesz nach diesem Wahlsieg in einen Machtrausch verfielen und die Zweidrittelmehrheit unredlich zu nutzen anfingen. Sie werden in den kommenden Monaten ohnehin schwere Aufgaben meistern müssen, für die sie auch die Opposition brauchen werden. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben das Land wirtschaftlich schwer getroffen. Mit dem Geldverteilen und der Verschuldung wird es so nicht weitergehen können, es wird Einsparungen geben müssen, die auch die Bevölkerung treffen werden. Ob die ungarische Neutralität im Ukraine-Konflikt weiter bestehen kann, hängt von vielen Faktoren ab, die zu bestimmen nicht in der Macht Ungarns steht. Die EU wird weiterhin, womöglich sogar noch verbissener als bisher, alles tun, um der Regierung und ihrem Wahlvolk das Leben schwer zu machen. Ja, Orbán hat Recht, dass sein überwältigender Wahlsieg auch in Brüssel bemerkt wurde. Ob das jedoch eine für Ungarn positive Aussicht ist, ist in Kenntnis der EU eher zweifelhaft.

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Sepp Kneip / 04.04.2022

Auf die Ungarn ist Verlass. In der damaligen Migrationskrise hat schon mal ein ungarischer Erzbischof gesagt, wir schützen unsere Schäfchen, nicht die Wölfe. Das Gleiche macht Orban auch - und die Schäfchen danken es ihm. Es war schon ein Bravourstück von Orban, wie er seinerzeit den Ober-Wolf Soros aus Ungarn befördert hat. Christliche Werte scheinen noch zu zählen, wie man in Ungarn sieht. Wenn die EU Ungarn weiterhin drangsaliert, demaskiert sie sich selbst als das, was sie wirklich ist, Als einen schwerfälligen und undemokratischen Popanz. Wir haben zwar hier auch eine Partei mit einen C im Namen. Das ist aber leer, wie die ganze Partei. Warum kann sich die AfD nicht dazu durchringen, eine charismatische und christliche Person an ihre Spitze zu stellen? Sie sollte von Orban lernen.

George Samsonis / 04.04.2022

Ungarn und Polen sind zu beneiden.

Ferenc von Szita - Dámosy / 04.04.2022

sehr guter Artikel…! nur einige wichtige Ergänzungen: die Rechtspartei Jobbik bildet KEINE Ausnahme unter den Globalisten und ‘Eurokraten’, sondern hat sich denen regelrecht angebiedert, zwecks Machterlangung (obwohl sie im Grunde ihres Wesens durchaus antisemitisch und rechtsradikal geblieben ist, was seitens der ungarischen Grün-Linksliberalen und auch der EU stillschweigend toleriert wird!) -die neue Unsere-Heimat-Partei setzt sich folglich aus solchen Ex-Jobbiklern zusammen, die ihren ‘echten’ rechts-nationalradikalen Prinzipien treugeblieben sind und beim opportunistischen Anbiederungskurs der ‘Mutterpartei’ Jobbik nicht mitmachen wollten -Ungarn hat ein Mischwahlsystem, wo nur 46,7% der Parlamentssitze per Verhältniswahl gewählt werden, 53,3% hingegen per Direktmandate per Ein-Kandidat-Mehrheitswahl in den Wahlkreisen; da Umfragen sich aber stets nur auf ERSTERE beziehen (Direktmandatsumfragen gab und gibt’s -wohl weil zu aufwendig- LEIDER nie!), sind sie nur knapp die Hälfte wert (besagte 46,7%) und sagen daher bezüglich des tatsächlichen Endergebnisse im Grunde NICHTS aus -dieses Mischwahlsystem hat, entgegen vieler Behauptungen, NICHT (!) Orbán installiert, sondern das gibt es in Ungarn von anfang an seit der Wende…!!! (Gegenbeispiel: die linksliberale Horn-Regierung 1994-1998 hatte laut Liste, also laut EIGENTLICHER Zustimmung, nur etwas über 40%, erlangte damals aber durch die hinzugezählten Direktmandate ca.70%, also fast eine 3/4-Mehrheit…!!! und DA krähte merkwürdigerweise kein Hahn danach…!) ...so, das war’s. ;-)))

Dr. R.Möller / 04.04.2022

Vielleicht sind die dummen Bauern gar nicht so dumm wie städtischen Genies fühlen, mit denken ist da ja nicht mehr so viel.

T. Schneegaß / 04.04.2022

@Norbert Brausse: Sie sagen es. Überall dort, wo konzentriert die Nichtteilnehmer an der Wertschöpfung herumlungern und ihr von den Teilnehmern an der Wertschöpfung ermöglichtes, leistungsloses “Einkommen” in Edel-Boutiquen und Cafe-Häusern gelangweilt über den Tisch schieben, gewinnen die Garanten dieses Systems. Leider wird es noch etwas dauern, bis auch diese Dekadenz, wie bisher immer, ihren Höhepunkt erreicht und aus dem Zusammenbruch das wie auch immer aussehende Neue entstehen kann. Länder wie Ungarn können diesen Prozeß lediglich etwas verlangsamen, aufhalten lässt er sich nicht.

Peter Zinga / 04.04.2022

Orbán ist der Fürsprecher dieser oft in Tradition und lokaler Geschichte verwurzelten und mit einfacher Vernunft gesegneten Bürger, die für die Extravaganz der Hauptstadt und so mancher ihrer woken Einwohner so gar keinen Sinn haben. Wer lebt in der Städten? Inteligenz… Und was sagte Bismarck über Intelligenz?                                                                                                    ” Der Grősste Dorftrottel ist nich in der Lage, solches Blődsin auszuschpechen, wie ein durch Ideologie verblődete Intellektuele”. Oder so etwas.

Hans-Peter Dollhopf / 04.04.2022

Frei nach Gauck: Dunkelungarn. “... alle Direktmandate im ländlichen Ungarn ... in Tradition und lokaler Geschichte verwurzelten und mit einfacher Vernunft gesegneten Bürger ...” Let’s drink to the hard working people Let’s drink to the lowly of birth Raise your glass to the good and the evil Let’s drink to the salt of the earth

Stanley Milgram / 04.04.2022

Orban vertritt die Ungarn, und sonst keinen. Ungarn first. Was soll daran falsch sein? Ich fahre im Sommer nach Ungarn und schaue mir das mal an. Sind ja nur lächerliche 1.100 km, genauso weit wie nach Callela, fahre ich geschmeidisch an einem Tag durch… und wenn es gut ist, dann bleibe ich grad da.

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