Die Frau, von der ich spreche, ist nach einer gewissen Pause – die sie brauchte, um ihre pompösen, nichtssagenden Memoiren zu schreiben – triumphal zurückgekehrt und mischt sich erneut in die Politik des von ihr schon sattsam geschädigten Landes ein.
Mit dem Stichwort „böse Frau“ steche ich in ein Wespennest und mache mich verdächtig bei Feministinnen, die hinter solcher Thematisierung verborgene misogyne Regungen vermuten. Die bekannte mittelhochdeutsche Verserzählung „Die böse Frau“, entstanden im 13. Jahrhundert, wird von einigen LiteraturhistorikerInnen mit den Hexen-Verfolgungen des Mittelalters in Verbindung gebracht, sozusagen als mentale Einstimmung auf die massenhysterischen, kirchlich sanktionierten Frauenmorde. Daher gilt, in der üblichen deutschen Verbotsbereitschaft, das Thema weitgehend als Tabu.
Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben: Immer wieder in der Geschichte hat es böse und hinterhältige Frauen gegeben. Etwa im 9. Jahrhundert vor Christus die in den biblischen Büchern Könige und Chroniken auftretende Jesebel, Königin von Israel, oder die nicht minder böse Königin von Judäa. Atalia. Beide Frauen huldigten dem phönizischen Blutgott Baal, dem Kinderopfer dargebracht wurden, Atalia ermordete überdies alle ihre Enkel und Thron-Anwärter mit Ausnahme des kleinen Joash, den eine Tante versteckte und den schließlich Propheten und Palastgarde, der Willkür Atalias müde, mit sieben Jahren zum König erhoben, worauf die Despotin vom Volk erschlagen wurde. Ohne Frage böse war auch die biblische Dalila, die den wunderbar starken Richter Samson bezauberte und dann an seine Feinde verriet, von denen er in der Erschlaffung post coitum überwältigt und geblendet wurde, wie Rembrandt in seinem berühmten Monumentalgemälde von 1636, zu sehen im Frankfurter Städel, dramatisch dargestellt hat.
In der Dalila-Geschchte erscheint bereits das Motiv einer besonderen Art weiblicher List und Tücke, die maskuline Eitelkeit und Macho-Attitüde geschickt auszunutzen versteht, um Männer dadurch ins Verderben zu locken. Auf diese Weise beherrschte die mörderische Messalina, die dritte Gattin des alternden Kaisers Claudius, über Jahre den römischen Hof: Männer verführend, sogar zum Beischlaf nötigend, was diesen ebenso den Tod brachte wie anderen, die sich der unersättlichen Kaiserin zu entziehen versuchten. Aber auch Frauen, die Messalina gefährlich schienen, wurden aus dem Weg geräumt, männliche Thron-Prätendenten oder reiche Senatoren, deren Vermögen sie sich aneignen wollte.
Unliebsame Männer starben am Hof von „Bloody Mary“
Die Köpfe rollten auch am Hof der chinesischen Kaiserin Wu Zetian im siebenten Jahrhundert, die gut vier Jahrzehnte lang mit kalter Machtpolitik, Mord und Intrige den Hof in der damaligen Residenz Luoyang beherrschte, erst ihren Mann, dann ihren ältesten Sohn vergiftete, zu ihrer Machtsicherung immer mehr Männer töten ließ, und weitgehend allein die Politik des Landes bestimmte. Unliebsame Männer starben auch am Hof der als „Bloody Mary“ in die Annalen eingegangene Königen Maria der Ersten von England, einer Tochter Heinrichs des Achten. Zarin Katharina die Zweite von Russland gelangte zum Thron, indem sie ihren Ehemann Peter von Holstein-Gottorp beseitigen ließ, vielen Historikern gilt sie dennoch als gebildete, vergleichsweise moderate Herrscherin, gemessen am Standard der russischen Zaren.
Überhaupt werden mordende, machthungrige Frauen in der Historiographie sehr unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob die führenden Autoren der Zeit ihnen gewogen waren oder nicht. Es gibt so etwas wie Rache der Literaten. Oder das Gegenteil, wie im Fall Katharina, die mit Voltaire und anderen Aufklärern korrespondierte und deshalb gnädiger beurteilt wird als sie verdiente.
Berühmt als literarische Figur wurde Lady Macbeth. In Shakespeares Drama bringt sie es mit unbeirrbarem Machtwillen, mit Überredungskunst und Anstiftung zum Mord bis zur Herrscherin ihres Landes. Shakespeares Figur basiert auf einer realen historischen Person, Königin Grouch von Schottland, die ihren Mann Macbeth zum Mord an König Duncan anstiftete, worauf das blutbefleckte Paar selbst die Herrschaft übernahm. Die schottische Nobeldame gilt seither als Synonym für menschliche Perfidie in ihrer femininen Form.
Allegorie für femininen Machtwahn
So nannte der russische Schriftsteller Nikolaj Leskow 1864 seine aus den Kriminalakten des Gebietes Orjol angeregte Geschichte von der Auslöschung einer ganzen Familie, deren skrupellose Protagonistin eine junge Frau ist, „Die Lady Macbeth von Mzensk“, nach der später Schostakowitschs berühmte Oper „Katerina Ismailova“ und mehrere Verfilmungen entstanden. Shakespeare ließ seine Lady Macbeth von Reue und Paranoia ergriffen werden, auch Leskow erzählt für seine Jekaterina ein tragisches Ende.
Vor allem wurde Lady Macbeth zur Allegorie für femininen Machtwahn in der Politik. So verglichen die Medien ihres Landes die australische Labour-Politikerin Julia Guillard, die 2010 Premierminister Kevin Rudd durch eine Intrige zu Fall brachte, um seine Nachfolgerin zu werden, mit Lady Macbeth. Was würden sie zu einer früheren Bundeskanzlerin sagen, die mit ähnlichen Verrätereien und Wortbrüchen zur Macht gekommen ist, diese sechzehn Jahre lang gnadenlos behauptet hat und bis heute das große Wort führt, fern davon, ihre zahlreichen katastrophalen Fehler einzugestehen?
Die Frau, von der ich spreche, ist nach einer gewissen Pause – die sie brauchte, um ihre pompösen, nichtssagenden Memoiren zu schreiben – triumphal zurückgekehrt und mischt sich erneut in die Politik des von ihr schon sattsam geschädigten Landes ein. Nein, sie bekommt nie genug, der Schaden, den sie angerichtet hat, ist ihr nicht groß genug, es gibt noch viel mehr zu stören, zu zerstören.
Denn die Lady Macbeth von Berlin-Mitte übertrifft ihre Vorgängerinnen darin, dass sie keine ihrer Verfehlungen bereut, von keinem Gewissen angefochten ist. Eine Öde des Herzens, die selbst ein Kenner des Bösen wie Shakespeare sich nicht vorzustellen vermochte. Diese Frau spukt schon zu Lebzeiten, und das kann noch lange so gehen.
Chaim Noll wurde 1954 unter dem Namen Hans Noll in Ostberlin geboren. Sein Vater war der Schriftsteller Dieter Noll. Er studierte Kunst und Kunstgeschichte in Ostberlin, bevor er Anfang der 1980er Jahre den Wehrdienst in der DDR verweigerte und 1983 nach Westberlin ausreiste, wo er vor allem als Journalist arbeitete. 1991 verließ er mit seiner Familie Deutschland und lebte in Rom. Seit 1995 lebt er in Israel, in der Wüste Negev. 1998 erhielt er die israelische Staatsbürgerschaft. Chaim Noll unterrichtet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit an der Universität Be’er Sheva und reist regelmäßig zu Lesungen und Vorträgen nach Deutschland.
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