Roger Letsch / 05.08.2022 / 06:15 / Foto: Ildar Sagdejev/Specious / 70 / Seite ausdrucken

Die Ladepause ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben

Für einfallsreiche staatliche Gouvernanten bestehen Möglichkeiten, die Folgen verpfuschter Energiepolitik auf die Bevölkerung abzuwälzen – etwa durch Abschaltung von Elektro-Autos. Die Pläne liegen bereits in der Schublade. 

Das Foto einer kurzen Zeitungsmeldung macht gerade die Runde, in welcher Pläne des Wirtschaftsministeriums beschrieben werden, bei drohender Netzüberlastung große Verbraucher wie Elektroautos und Wärmepumpen ferngesteuert vom Netz zu nehmen. Der aufmerksame Fußballkenner – also nicht ich – erkennt an oben sichtbaren Fußballergebnissen jedoch schnell, dass die Meldung mehr als ein Jahr alt ist. Der aufmerksame Politikbeobachter – also schon eher ich – mag sich jedoch der voreiligen Entwarnung nicht anschließen, solche ollen Kamellen seien doch längst von der Realität abgeräumt. Faktisch ist das richtig. Der Gesetzesentwurf aus 2021 existiert jedoch und wurde ausführlich besprochen. Vor einem Jahr kam denn auch nur eine halbe Entwarnung aus der betroffenen Branche: „Regierung verschiebt Entscheidung über Zwang-Ladepausen [für Elektroautos] durch ‚Spitzenglättung‘.“ Die Betonung liegt hier auf verschiebt. Vom Tisch ist die Sache nämlich nicht, und ob der Protest der Autoindustrie angesichts der bevorstehenden Energiemangellage ein zweites Mal die Gesetzgebung verhindern könnte, darf bezweifelt werden. Dass die Politik einen weiteren Anlauf für rigorose Maßnahmen nimmt, wenn ihr die Zeit günstiger erscheint, ist natürlich noch nie vorgekommen! Oder?

Wir dürfen davon ausgehen, dass die aktuelle Verschärfung der Lage im Stromsektor den langfristigen Zuteilungsplänen der Politik im Rahmen des „Great Reset“ eine gewisse Dringlichkeit verleiht, sich jedoch technisch bis zum Winter kaum alle Voraussetzungen schaffen lassen, um in großem Maße „Spitzenglättung“ durch Abschalten von E-Autos und Wärmepumpen zu ermöglichen. Öffentliche Ladesäulen abschalten, das bekäme man ja noch hin, wie es etwa in Großbritannien bereits Praxis ist, aber was ist mit Privathaushalten?

Die Hand des Staates am Smart Meter

Um die Hand des Staates auch schnell dorthin zu führen, geht der Einbau intelligenter Smartmeter nicht schnell genug voran. Schaut man aber, wer gesetzlich gezwungen wird, solche Messsysteme zu dulden, wird klar, dass es gerade jene betrifft, die ihr E-Auto zuhause laden oder Großverbraucher wie eine Wärmepumpenheizung betreiben. Verpflichtend ist das Smart Meter nämlich für Haushalte, die (im Dreijahresmittel) mehr als 6.000 Kilowattstunden verbrauchen, die mehr als 7 Kilowatt Photovoltaik auf dem Dach oder Wärmepumpen bzw. Nachtspeicherheizungen haben. Wer also demnächst von der abgeschalteten Ladesäule grinsend nach Hause fährt, könnte feststellen, dass die Hand des Staates schon da ist. Ein Narr, wer da glaubt, die verfügbaren Daten über den aktuellen Stromverbrauch könnten (im Notfall) nicht auch dafür verwendet werden, eben jene Verbraucher abzuschalten oder ganze Versorgungsgebiete als Lastabwurf zu nutzen, in denen viele Teslas am Stecker hängen oder Wärmepumpen laufen.

Apropos Tesla und Abschalten. Der E-Auto-Pionier und Branchenprimus bedient sich einer Methode, die vor mehr als 40 Jahren bereits von IBM verwendet und vielleicht sogar erfunden wurde. Man spart sich eine Menge Logistik und beschleunigt die Produktion, wenn man nur ein Modell herstellt und bestimmte teure Features einfach sperrt. Erst auf Wunsch und gegen Bezahlung werden sie freigeschaltet. Im Zeitalter der hallenfüllenden Großrechner schickte IBM dann einen Techniker, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mit dem „goldenen Schraubenschlüssel“ ein paar kleine Änderungen an der Verdrahtung vornahm und so zum Beispiel den Hauptspeicher erweiterte. Heute geht sowas natürlich per Software. Die Teslas S-60 (60 Kilowattstunden) und S-90 (90 Kilowattstunden) sind hardwareseitig völlig identisch, und ein Dritte-Hand-Teslafahrer in den USA staunte nicht schlecht, als die Werkstatt ihm mitteilte, man habe einen „Fehler in seiner Fahrzeugkonfiguration“ behoben. Der erste Besitzer des S-60 hatte einen neuen Akku erhalten, mangels gedrosseltem jedoch einen mit freigeschalteten 90 KWh. Zwei Käufer später – beide glaubten, durch Kulanz einen S-90 zu fahren – machte Teslas Software der besseren Reichweite ein Ende. Man würde aber – gegen Zahlung von 4.500 Dollar – die zusätzlichen 30 KWh gern freischalten, bot Tesla an. Was man als Posse oder Zeichen von arrogantem Verhalten gegenüber Kunden abtun könnte, zeigt aber ein tiefer liegendes Problem.

Ergänzend zum Kaltduschbefehl

Mag ja sein, dass Tesla oder auch andere Hersteller die Macht des permanenten Zugriffs auf die Funktionen eines Autos nicht missbrauchen. Noch nicht. Zudem schließt man mit einem Autohersteller einen zivilrechtlich bindenden Vertrag. Doch wie weit würden Sie etwa dem Staat vertrauen, wenn der in ähnlicher Weise aktiv würde? Wobei: Streichen Sie den Konjunktiv, der Weg ist ja längst beschritten. Seit 6. Juli in jedem EU-Neuwagen. Leider kommen auch die Ausbaustufen der EU zur permanenten Geschwindigkeitserfassung von Neufahrzeugen zu spät, um Robert Habecks kalten Duschbefehl im Winter 2022 noch zu unterstützen. Doch bei der bloßen Erfassung von Daten mit dem ISA-System bleibt es ja nicht. Der Tempobegrenzer kann die Leistung des Motors drosseln oder ihn ganz abschalten. Und diese Art von Stilllegung beträfe dann nicht nur E-Autos.

Sie sehen, liebe Leser, es gibt mehr als eine Möglichkeit für einfallsreiche staatliche Gouvernanten, die Folgen der über Dekaden verpfuschter Energiepolitik auf die Bevölkerung abzuwälzen. Bei Appellen, kalt zu duschen, wird man es nicht belassen, wenn es tatsächlich zum Schwur kommt. Die Pläne sind da, man muss sie nur aus Schubladen holen. Die Fußballergebnisse vom letzten Jahr mögen heute irrelevant sein, die unerfüllten Träume der Politik reifen, wenn sie lange in Schubladen liegen und vom Wähler vergessen werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

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Leserpost

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Heiko Stadler / 05.08.2022

@Claudius Pappe: “Diese Smartmeter sind nicht fernsteuerbar. Es fehlten die Module dafür und den notwendigen Internetanschluss. Im Moment sind es nur digitale Strommesser.” Seit wann braucht ein Smartmeter einen Internetanschluss? Ich denke mal, das Ausspionieren der Bürger läuft per eingebauten Mobilfunkempfang.

Claudius Pappe / 05.08.2022

Gestern hat die grünbunte Bundesregierung die Gasumlage beschlossen. Sie kann alle drei Monate ” angepasst ”  werden und beträgt 1,5-5 cent/kWh. Also kommen Mehrkosten von 10-30% auf die Gaskunden zu. So geht Energiewende. Wir werden alle arm sein, hungern und frieren. Nur unsere ” Gäste” aus Timbuktu, Ankara, Namibia, Anatolien, Griechenland, Gabun, Ukraine, Albanien, Lybien, Rumänien, Marokko, Togo, Indien, Bulgarien, Syrien, Afghanistan, Sudan, Irak, Iran usw. werden reich und glücklich sein.

Fritz kolb / 05.08.2022

@Marcel Seiler: richtig, genau das ist die Ursache des Fiaskos. Wahlweise unfähige, korrupte, expertisefreie und/oder ideologisch verblendete Politfiguren (Graichen, Kempfert, Kelleners, Lempke, Habeck, Baerbock und viele rote Abarten) sind ganz legitim ins Amt gewählt worden. Dazu ein sehr schwacher, kleiner Kanzlerdarsteller mit getrübter Vergangenheit, dem die Minister auf der Nase herumtanzen. Mit „Argumenten“ wie „einer muss doch mal anfangen“, gemeint sind die Aktionen der Klimakirche, bis hin zu „ich geh nicht wählen, die sind doch alle korrupt“ oder „ich wollte eigentlich, aber das Wetter war so schön, ist ja sowieso egal“ oder „schon mein Vater hat die gewählt“  ist das Verhaltensspektrum einigermaßen abgebildet. Das Ergebnis kann jetzt in Hippieland, ehemals eine der führenden Industrienationen der Welt, besichtigt werden. Ich sehe schon chinesische Touristen auf Besichtigungstouren durchs Land reisen, diesmal nicht wegen der historischen Stätten, sondern um diese deutschen Sonderlinge zu besichtigen. So ungefähr wie Affen im Zoo.

Angela Maaz / 05.08.2022

@ A.Lisboa: Jeder Mensch hat etwas zu verbergen. Wer hat’s gesagt? Edward Snowden! Kürzlich hat ein Bekannter ein Schufa-Auskunft über sich selbst angefordert. Der hat Bauklötzer gestaunt, was die so alles von einem wissen und wie sie finanziell beurteilt werden.

Rainer Irrwitz / 05.08.2022

Nicht vergessen: am 7. Oktober (Tag der Republik) Punkt 12.00 Uhr den Heizlüfter für eine Stunde auf voller Stufe laufen lassen. #Stresstest DDR2.0

Esther Braun / 05.08.2022

Der Supergau droht doch schon wegen ein paar Heizlüftern…

Claudius Pappe / 05.08.2022

Diese Smartmeter sind nicht fernsteuerbar. Es fehlten die Module dafür und den notwendigen Internetanschluss. Im Moment sind es nur digitale Strommesser.

Patrick Meiser / 05.08.2022

@Martin Sauer : Genau so ist es. Verkehrskennzeichenerkennung, Notrufassistent usw. braucht kein Mensch. Nur Doofe lassen sich diesen überflüssigen Schnickschnack als notwendig einreden und kaufen solchen Quatsch. Wer ohne Spurhalteassisten nicht geradeaus fahren kann, der sollte den Lappen abgeben, denn der kann auch bei Schnee und Eis nicht sicher fahren. Wie Sie richtig anmerken, Fahrgefühl (Popometer) läßt sich nicht durch Technik ersetzen. Der Autor hat völlig Recht, wenn er darauf hinweist, daß aufgeschobene Pläne bei Behörden oder Ministerien jederzeit hervorgeholt und reaktiviert werden können. Das scheint den Schlafschafen nicht klar zu sein, die machen bedenkenlos alles mit u wundern sich hinterher, wenn ihnen die Rechnung präsentiert wird.

Ludwig Luhmann / 05.08.2022

Die Grün Lobotomierten finden alles gut, was Gaia vor dem tödlichen Virus Mensch schützt!

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