Shakespeares war ganz bestimmt kein Rassist, wusste unsere Nachrichten- Sprecherin diese Woche zu beteuern. Woran ich vorsichtig zweifeln möchte. Ganz gewiss verstand er etwas vom Hass. Nach dem Lesen dieses gut gemeinten professoralen Traktats frage ich mich, was Dankbarkeit ausmacht, ob es vielleicht eine spezifische Form von Scham ist. Was nebenher die zivilisatorische Genese des Gefühls erklären könnte. Und auch, ob nicht die Religion und der Schamane für diese, ach so menschliche Angelegenheit verantwortlich waren. Es gibt ein paar Sachen, für die ich persönlich so etwas wie Dankbarkeit spüre, aber im Allgemeinem fiel es mir immer schwer, dankbar zu sein und das auch zu zeigen. Meine Mutter würde das Mangel an Charakter nennen. Ich beziehe nun sei vielen Jahren Unfähigkeitsrente, viele Leute meinen, ich hätte schon das Wenige nicht verdient, und ich fühle mich von dieser Gesellschaft gar nicht beschenkt, nur verarscht. Ich bin der Undank! (Obwohl ich das Verswerk Wilhelm Buschs seit Kindertagen kenne.) Nun fehlt aber in obigem Traktat die lehrreiche Sequenz am Schluss, wie der undankbare Leser zu erziehen sei. Aus gutem Grund, vermute ich?
Meine Mutter meinte lakonisch: “Mache Dich nicht abhängig von anderen, dann mußt Du auch nicht dankbar sein.” Dankbarkeit, die von Herzen kommt ist gut und auch wichtig. Erzwungene Dankbarkeit für etwas, was man vielleicht gar nicht gefordert hat, noch dazu mit den Worten: “Ich habe es ja nur gut gemeint” (was das Gegenteil von gut ist) geht bei mir gar nicht. Auch kleine Kindern sollte man nicht zwingen danke für etwas zu sagen, was sie nicht gewünscht haben. Kinder kann man eigentlich nur durch dementsprechendes VORLEBEN erziehen. Wenn man sich aufrichtig für Hilfe oder ein Geschenk bedankt, dann übernehmen das die Kinder automatisch. Wie der Herr so das Gescherr.
Die Fähigkeit zur Dankbarkeit hat wohl in erster Linie mit emotionaler Größe zu tun. Je höher diese ausgeblidet ist, desto größer die Fähigkeit Dankbarkeit empfinden zu können. Ein kleingeistiger Geizhalt etwa, wird seine Schwierigkeiten mit der Dankbarkeit haben. Je mehr und bereitwilliger ein Mensch geben und abgeben kann, desto dankbarer ist er in der Regel, wenn ihm selber Gutes widerfährt. Wer nur gelernt hat, zu nehmen, ist emotional verarmt. In der Regel kennt er dann Gefühle wie Dankbarkeit kaum. Wer etwa seine Kinder „zuschüttet“ mit Aufmerksamkeit und Geschenken, verdirbt nicht selten ihre Fähigkeit zur Dankbarkeit und auch ihre Fähigkeit des Gebens. Zu große Verwöhnung kann sehr schädlich sein. Das Erhaltene wird zur Selbstverständlichkeit. Es entsteht kein Dank. Ähnlich mag es sich mit vielen Flüchtlingen verhalten.
Das ist fast eine kleine philosophische Erörterung. Dankbarkeit ist eine Art befriedigende Erleichterung, die man, wenn Sie ins Bewußtsein dringt, mit etwas zu koppeln gewillt ist. Das kann eine Person sein, die etwas mit guter Absicht dem Dankbaren gegenüber unternahm oder etwas Schlechtes unterließ. Aber auch das Schicksal wird gerne bemüht, um sich selbst ein wohliges Gefühl zu verschaffen. Vielen reicht schon der Anblick des Elends anderer, um sich dankbar zu fühlen ,und da finden wir Anschluß an die Gutmenschen der Flüchtlingskrise. Wir begeben uns auf die Gefühlsebene und sind dankbar, daß wir nicht in der Situation dieser armen Familien sind, kinderreich,, traumatisiert, verletzt, erschöpft und ausgelaugt. Da kommen endlich die alten Klamotten an den Mann, die schon so lange im Keller vor sich hinmüffeln. Damit soll wiederum bei den Flüchtlingen Dankbarkeit erzeugt werden, aber leider wird der Dankbarkeitserzeuger nicht immer bedient, denn die Undankbaren kommen oft nicht aus wirklicher Not, sondern sind Wirtschaftsflüchtlinge und haben andere Erwartungen; fühlen sich betrogen. Ein trügerisches Spiel der Gefühle. Vielleicht sollte man mal auf Verstand setzen!
Es gilt eher das alte Sprichwort ; Undank ist der Welt Lohn ! Bei manch guter Tat , sei froh , dass man dich dafür nicht haßt ! Drum sparsan sei, mit guten Taten !
Selbstlos ist sicherlich niemand. Selbst, wenn man ein großes Opfer bringt, von dem man rein gar nichts hat, hat man immer noch das tolle Gefühl, ein überaus guter Mensch zu sein. Der Mensch ist immer darum bestrebt, ein gutes Selbstbild zu haben, das ist lebenswichtig für ihn, daher rührt sicher auch so manche Ehrenamtlichkeit. Ist ja auch in Ordnung. Wichtig ist, was unterm Strich herauskommt. Ich selbst bin überaus dankbar, am meisten dem Schicksal gegenüber, weil es doch alles in allem es gut mit mir gemeint hat. Da das Schicksal nichts Konkretes ist, bleibt meine Dankbarkeit hier ein bisschen diffus, das macht aber nichts, weil meine Grundtendenz dadurch sehr positiv ist. Jeder hat sicherlich unterschiedlich viel Grund, dankbar zu sein, der eine mehr, der andere weniger. Ist Dankbarkeit völlig uneigennützig? Ich finde, dass das der falsche Ansatzpunkt ist. Dankbarkeit kommt unwillkürlich auf, wenn jemand unserem Ego gut getan hat, und natürlich am stärksten, wenn uns jemand das Leben gerettet hat. Insofern ist es natürlich mit unserem egoistischen Ego aufs Engste verknüpft, sozusagen sind das menschliche Ego und seine Bedürfnisse die Voraussetzungen für Dankbarkeit. Und insofern hat die Dankbarkeit auch mit Eigennutz zu tun. Dankbarkeit war sicher ein Kitt in der Gesellschaft und wurde positiv selektiert, weil sie das soziale Miteinander gefördert hat. Der Dankkbare erwies wiederum seinem “Gönner” oder den anderen in seiner Gruppe Gefälligkeiten und gab die Zuwendung, die er erhalten hat, dadurch zurück. Würde er sich als dauerhaft undankbar erweisen, würde ihn die Gesellschaft langfristig abstrafen. Interessant aber auch, dass ein Zuviel an “dankbar-sein-müssen” wieder Aggressionen hervorruft, weil dadurch das Selbstbild beschädigt wird. Es ist wie alles im Leben ein Balanceakt!
Auf den ersten Blick scheint das Helfersyndrom die Sucht nach Dank. Wie jede Sucht aber kann sie – im Gegensatz zu Bedürfnissen – auch durch noch so viel „Stoff“ nicht befriedigt werden. – Was ist der wahre Grund, warum sich die Deutschen so sehr nach Dankbarkeit sehnen, dass sie dabei fast jeden Verbündeten beleidigen? Was ist der Grund, dass sie sich im Gegenzug den übelsten Diktatoren anbiedern? Sie suchen keine dankbaren Freunde, sondern servile Gefolgsleute. Stichwort: Underdog sucht Loser. Selbstwertgefühl und Würde liegen leider immer noch nicht in unserer kulturellen DNA.
Immer diese Überhöhung von Gefühlsduseleien… Gefühle und Empfindungen sind evolutionär antrainierte Muster von Neuronenfeuer, zu dem jede Lebensform fähig ist, die von Mutter Natur mit genügend Neuronen ausgestattet wurde. Die einzige Tätigkeit unseres Gehirns, die spezifisch menschlich ist, ist die Kausalkette “Wahrnehmen -> Analysieren -> Entscheiden -> Handeln”. Sofern Gefühle in diese Kausalkette eingreifen, würdigen sie den Menschen mit seinen einzigartigen Fähigkeiten auf der Menschlichkeitsskala herab. Nun dazu, wie man einem Alien “Dankbarkeit” erklären kann: “Siehe Alien, da hast Du ein Glas voll Zucker. Kohlenhydrate halten Dich am Leben. Ich bin nicht verpflichtet, es Dir zu geben, und Du hast es nicht verdient. Der einzige Grund, weshalb Du es bekommst, ist, weil ich mich Dir wohlwollend zeigen will. Ich erwarte, dass Du Dich in Zukunft mir gegenüber wohlwollend zeigst. Tust Du dies nicht, zeigst Du damit, dass Du es nicht verdienst, dass jemand in den Lauf der Dinge eingreift, um Dich am Leben zu halten, weil Du nicht die Bereitschaft zu einer Gegenleistung zeigst. Wenn Du mich in Zukunft durch Verhalten, das mir nicht passt, verärgerst, lass ich Dich, und jeden, der so ist wie Du, in Zukunft eher sterben, als dass ich helfe. Siehs als Anreiz zur Kooperation im Gefangenendilemma. Verhalte Dich entsprechend, oder Du verhungerst im Nash-Gleichgewicht. Wenn Du es vom fernen Weltall aus bis auf die Erde geschafft hast, dann solltest Du wissen, was das ist. Nun lass es Dir schmecken.”
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