Henryk M. Broder / 06.07.2017 / 15:59 / 5 / Seite ausdrucken

Die Kraft der zwei Herzen in der Brust einer CDU-Abgeordneten

Sehr geehrter Herr XYZ, 
 
wie Sie ja sicher mitbekommen haben, haben wir im Deutschen Bundestag heute über die Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare abgestimmt.

Ich habe mich mit dieser Entscheidung außerordentlich schwer getan, am Ende aber doch mit „Ja“ gestimmt.

Über den Entscheidungsprozess und meine Beweggründe möchte ich Sie im Folgenden informieren. Eine entsprechende Persönliche Erklärung habe ich auch im Deutschen Bundestag abgegeben.

Erklärung gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Zweiten und dritten Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts.

Drucksache 18/6665
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss)
Drucksache 18/12989 Buchstabe a

Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der GO des Bundestags zu TOP ZP 11

In meiner mittlerweile mehr als 20-jährigen Parlamentszeit ist mir eine Entscheidung zu einer Abstimmung noch nie so schwer gefallen wie diese.

• Abgesehen von den bedauerlichen Umständen der Abstimmung - aus einem so hochsensiblen Thema sollte niemand ein schäbiges Wahlkampfmanöver machen -
• und abgesehen von sehr wohl begründeten verfassungsrechtlichen Zweifeln,
• abgesehen auch von dem Zeitdruck und der damit verbundenen Zuspitzung in der Debatte um ein Pro und Contra einer „Ehe für alle“ fällt es mir als gläubige Katholikin in dieser sehr weltoffenen und für ihre vielfältigen Lebensstile bekannten Stadt Berlin schwer, mich ohne Zweifel eindeutig zu positionieren.

Einerseits gehört der Eigen-Sinn der sakramentalen Ehe zu den zentralen Werten kirchlich gebundener Lebens- und Gesellschaftseinstellungen. Ihr gilt ein besonderer Schutz, weil eben in der Verbindung von Mann und Frau auch leibliche Kinder geboren werden können und Familien eine umfassende Fürsorge der Gesellschaft verdienen.

Andererseits sehen auf Dauer angelegte, in Liebe zueinander und in Sorge füreinander angelegte Beziehungen in einer diskriminierungsfreien Gesellschaft wie unserer heutigen inzwischen sehr vielfältig aus.

Diese Vielfalt empfinde ich als große Bereicherung unseres Zusammenlebens. Deshalb ist es bedauerlich, dass Betroffene die geltende Rechtslage als Diskriminierung empfinden und auf der anderen Seite traditionell Verheiratete und kirchliche Kreise befürchten, der Begriff der Ehe und ihr Gehalt könnten zum beliebigen Instrument werden. Gerade auch diese Empfindungen nehme ich sehr ernst.

In einem Land wie unserem heutigen Deutschland, das in den vergangenen Jahrzehnten so viel offener, vielfältiger und gelassener geworden ist, muss es möglich sein, Unterschiede diskriminierungsfrei festzustellen.

Und aus meiner Sicht bleiben die Ehe zwischen Mann und Frau und eine Familie mit leiblichen Kindern immer noch etwas Anderes als eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft.

Nach reiflicher Überlegung habe ich mich dennoch entschieden, für die Öffnung der staatlichen Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare zu stimmen, nicht obwohl, sondern weil ich katholisch bin. Es ist die christliche Botschaft der Nächstenliebe, die uns dazu auffordert, im menschlichen Miteinander das Verbindende über das Trennende zu stellen - die Ebenbildlichkeit Gottes über unterschiedliche Lebensweisen - und aus dieser Haltung heraus nicht nur das Eigene, sondern gleichermaßen auch das Andere anzuerkennen und zu achten.

Was heterosexuelle von homosexuellen Menschen unterscheidet, ist die sexuelle Orientierung und damit verbunden die Option, in ihrer Partnerschaft miteinander leibliche Kinder bekommen zu können. Was heterosexuelle und homosexuelle Menschen verbindet, ist der Wunsch, für einen geliebten Menschen einzustehen, sich dauerhaft zu binden und damit nicht nur Verantwortung füreinander zu übernehmen, sondern auch ein sichtbares Zeichen der Liebe und des Bekenntnisses zueinander zu setzen.

Ich wünsche mir, dass der gegenseitige Respekt gegenüber unterschiedlichen Lebensentwürfen wächst und dass die Ehe zwischen Mann und Frau und dass Familien weiterhin im Zentrum staatlicher Fürsorge stehen.

Berlin, 29. Juni 2017
Prof. Monika Grütters MdB

Ich hoffe, Sie können meine Haltung nachvollziehen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen

Ihre Monika Grütters MdB
Landesvorsitzende der CDU Berlin

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Leserpost

netiquette:

Robert Bauer / 06.07.2017

Die Frau Professor wäre besser Mitglied bei der FDP. Die haben das nämlich erfunden.

B.Klingemann / 06.07.2017

Wenn einem eine Abstimmung wirklich “außerordentlich” schwer fällt, sollte man sich lieber enthalten.

Regina Horn / 06.07.2017

“Ich hoffe, Sie können meine Haltung nachvollziehen und verbleibe…” Tut mir sehr leid. Das kann ich nicht.

Ernst-Günther Zimniok / 06.07.2017

Was soll man dazu sagen?Vielleicht fühle ich mich als verheirateter Mann jetzt auch diskriminiert,wer hilft mir in meiner Seelenpein? Der moderne Mensch ist Gott geworden und glaubt alles im Griff zu haben. Auf jeden Fall ist mit diesem Gesetz eines der dringendsten Probleme unseres Landes gelöst worden,dafür Danke!

Hubert Manter-Koller / 06.07.2017

“muss es möglich sein, Unterschiede diskriminierungsfrei festzustellen” Vielleicht liegt da des Pudels Kern: wenn ich einen Unterschied fest-stellen will, dann geht das nur, indem ich Nichtgemeinsamkeiten bewerte und beurteile und dann im Verhältnis zum Ganzen setze. Kurz gesagt: wer nicht diskriminieren will, kann auch nichts unterscheiden. Er muss alles für absolut gleichwertig halten, also ein Nihilist sein. Frau Grütters hätte einfach sagen können, dass eben ihr Pöstchen an der Sache hängt und Angie die Sache gerne so gedreht hätte, dass auch ein paar von cdu mit ja stimmen, damit sie es nicht machen muss, aber trotzdem als Einführerin der Ehe für alle gilt. Es geht wie immer nur um PR für Frau Merkel. Dieses Moral- und Wertegerede drum herum finde ich persönlich inzwischen überflüssig. Es geht darum, Merkel an der Spitze zu halten, alles andere ist eh zweitrangig. Kann mir keiner erzählen, dass das gerade in der cdu anders wäre. Im Übrigen ging es weniger um die Homoehe, als um die geräuschlose Einführung des Meinungsunterdrückungsgesetz aus dem Hause der spd und um die Schleifung des Bankengeheimnis. Deswegen musste das auch alles so holterdipolter über die Bühne gehen und wurde erst eine Woche vor der Abstimmung zur Diskussion gestellt. Damit sich dann alle entweder über das Thema unterhalten oder darüber, wie unverschämt die Eile ist, sodass sich dann eben kaum noch jemand über NetzDG oder Bankengeheimnis unterhält. Es war typisch merkelsche Machtpolitik, wie wir sie nun seit bald 12 Jahren kennen und zu dieser Machtpolitik zählt auch das Schreibsel von Frau Grütters. In der Politik passiert nichts zufällig, das ist alles Taktik.

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