TikTok und die dort vertretenen "influencer" motivieren häufig zum Konsum. Und nun ermutigen die Trends „No Buy January“ und „No Buy Year 2025“ zum Sparen. Mal sehen, wie lange die Beteiligten das aushalten.
Neulich fiel mir beim Aufräumen mit Schrecken auf, dass ich eindeutig zu viele Drogerieprodukte besitze und begann, die aufzubrauchen, die noch in gutem Zustand waren und den Rest zu entsorgen. Es ist verrückt, wie schnell man Dinge ansammelt, und ehe man sich‘s versieht, ist der Schrank voll.
Passend dazu gibt es aktuell auf TikTok den „No Buy January“ sowie das „No Buy Year 2025“. Wie die Namen schon sagen, besteht die "Challenge" darin, den gesamten Januar oder auch das gesamte Jahr so wenig Ausgaben wie möglich zu haben. Ausnahmen bilden zum Beispiel Produkte, die man aufgebraucht hat und nachkauft, weil man sie regelmäßig verwendet. Es werden Listen mit erlaubten Dingen geteilt und dazu Tipps gepostet.
Ein weiterer Trend, der ebenfalls in diese Richtung geht, ist der „Underconsumption Core“ (siehe hier und hier). In einem etwas holprigen Deutsch bedeutet das: „Unterverbrauch-Trend“. Er beschreibt eigentlich eines der selbstverständlichsten Dinge der Welt und ähnelt den beiden bereits genannten Trends: Es geht um einen normalen Konsum, nicht alles in siebenfacher Ausfertigung zu besitzen und – ganz wichtig – Sachen gründlich aufzubrauchen.
Ein visuelles Konsumparadies
Im letzten Jahr wurden in Deutschland mehr als 16,9 Milliarden Euro erwirtschaftet – und das allein für Körper- und Schönheitspflegeprodukte. „Die umsatzstärkste Produktgruppe innerhalb der Körperpflege bilden Haarpflegemittel, gefolgt von Haut- und Gesichtspflegeprodukten sowie dekorativer Kosmetik und Düften“, schreibt Statista. Was Damenkleidung betrifft, rechnet man für dieses Jahr mit einem Umsatz von 37,83 Milliarden Euro, pro Kopf rechnet man mit einem Umsatz von 454,70 Euro. Diese hohen Zahlen haben natürlich nicht nur etwas damit zu tun, dass viel konsumiert wird, sondern auch damit, dass der Euro zusehends an Wert verliert, was zu steigenden Preisen führt.
TikTok hat definitiv einen wesentlichen Einfluss auf den Konsum – zumindest was meine Generation betrifft. Schaut man sich Videos an, in denen Influencer das ganze Jahr über ihren Konsum präsentieren, wird einem schlecht (siehe hier und hier). Wer benötigt bitte für eine einzige Saison zehn Paar Schuhe oder 15 Taschen? Ich besitze von Letzteren vier – von denen ich ehrlich gesagt nur zwei regelmäßig benutze.
Nun ist es der Job der "Influencer", Produkte zu bewerben, weshalb sie dementsprechend immer das Neueste besitzen. Das Problem ist nur, dass viele junge Mädchen und Frauen glauben, sie müssten diese ganzen Dinge ebenfalls haben. TikTok und Instagram sind ein visuelles Konsumparadies.
Der Ostdeutsche und die Sparsamkeit
Es ist unfassbar, wie häufig man auch unterbewusst durch soziale Medien zum Kaufen angeregt wird. Hier eine neue Hose, da ein neues Parfüm, und der gehypte Lippenstift, der selbstverständlich der beste ist, den der Markt jemals gesehen hat, wandert ebenfalls in den Warenkorb. Wenn bestimmte Produkte von bekannten Influencern gezielt beworben werden, glaubt man unterbewusst, sie auch zu benötigen – ohne Preis und Qualität zu hinterfragen. Die ständig wechselnden Trends machen es TikTok-Nutzern nicht einfach, ihre Augen davor zu verschließen. Bis vor wenigen Monaten war ich auf dieser Plattform noch nicht so aktiv, aber mittlerweile muss ich ehrlich sagen, dass auch bei mir die Impulskäufe langsam überhand nehmen.
Ich habe dagegen jetzt Maßnahmen eingeführt: Zur Unterhaltung in Momenten der Langeweile höre ich nun vermehrt Hörbücher oder Podcasts. Die haben auch den Vorteil, dass ich sie hören kann, obwohl ich nicht lange auf der Couch sitzen kann und gerne nebenbei meine Hausarbeit erledige. Sie werden jetzt vielleicht die Augen verdrehen und sich fragen, ob das die wahren Probleme einer Mittzwanzigerin sind. Ja, sind sie – unter anderem.
Meine sparsamen Eltern sind Trendsetter, ohne es zu wissen – und diejenigen von Ihnen, die in der DDR großgeworden sind, sicherlich auch. Sparsamkeit war bei uns zum Alltag geworden – auch wenn mir das nicht gefallen hat. Häufig habe ich die Augen verdreht, aber langsam beginne ich zu begreifen, dass es in Ordnung ist, Sachen zu besitzen, man aber aufpassen muss, dass sie uns nicht besitzen. Der Ostdeutsche zeichnet sich durch Sparsamkeit aus, weil es in der DDR an vielen Dingen einen Mangel gab und man lieber reparierte als wegwarf.
Der böse Kapitalismus?
Um an dieser Stelle meinen verstorbenen Opa zu zitieren: „Wir hatten ja nichts.“ Meine Generation hingegen ist im Wohlstand aufgewachsen, merkt aber jetzt, dass dieser Wohlstand nicht für immer anhalten wird und lebt oft von Gehalt zu Gehalt. Eine Eigentumswohnung wird man sich sowieso nicht leisten können, ganz zu schweigen von einem Haus. Natürlich ist hat der schnelle Konsum was Selbstzerstörerisches und wird erst recht nicht dazu führen, Geld anzusparen, aber Shopping verschafft nun mal schnelle und kurz anhaltende Glücksgefühle. Was allerdings sehr seltsam ist, ist der Umstand, dass der „Underconsumption Core“ teilweise als eine Art Kampf gegen den Kapitalismus verstanden wird. Er richte sich „gegen den grenzenlosen Kapitalismus, den wir täglich oftmals unbewusst unterstützen, und für bewussten Minimalismus“.
Man könnte meinen, der Kapitalismus sei ein Monster mit vielen Köpfen, das uns durch hypnotische Einflüsterungen zur Kaufsucht verführt. Doch zwingt uns nicht der böse Kapitalismus in die Läden, sondern unser eigener Wunsch nach Bedürfnisbefriedigung.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der neue sparsame Lifestyle anhält, ist allerdings gering. Da hilft nur die Abmeldung jeglicher Social-Media-Konten und endlich mal wieder ein Buch in die Hand nehmen.
Marie Wiesner, Jahrgang 1999, arbeitet in der Redaktion der Achse des Guten.