Chaim Noll / 12.08.2019 / 06:15 / Foto: Freud / 119 / Seite ausdrucken

Die Konrad Adenauer Stiftung schaltet gleich

Veranstalter in Deutschland, die mich zu Vorträgen oder Lesungen einladen, wenden sich dazu oft an Kooperationspartner, um die Kosten zu teilen. Ich komme von weither und verursache dadurch einen gewissen Aufwand. Bisher haben die parteinahen Stiftungen der verschiedenen politischen Parteien Deutschlands bei solchen Gelegenheiten gern als Kooperationspartner fungiert und aus ihren üppigen Fonds ein paar Euro zu Honorar und Reisekosten beigesteuert.

Im Frühjahr dieses Jahres gab die Friedrich-Ebert-Stiftung in Leipzig den Auftakt, mich wegen kritischer Äußerungen zur Politik der Bundesregierung nicht mehr einzuladen, sogar wieder auszuladen, nachdem man mich bereits eingeladen hatte. Das hat Staub aufgewirbelt bis nach Amerika und Israel und nicht zur Verbesserung von Deutschlands Image beigetragen. Die SPD-nahe Stiftung hätte mich am Reden gehindert, schrieb die Jerusalem Post, „because he wrote articles critical of the German government’s pro-Iranian regime policies that jeopardize the security of the Jewish state.“

Die Anregung zum Nachdenken wurde nicht aufgegriffen, sondern hinter den Kulissen für weitere Maßnahmen gesorgt. Resultat: Es bleibt nicht beim Boykott durch die Friedrich-Ebert-Stiftung. Auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) darf mich nicht mehr einladen. Die Leiterin ihres Hamburger Büros schrieb dieser Tage an einen Veranstalter, der ihr Kooperation für einen Abend mit mir im März 2020 vorschlug: „Die Konrad-Adenauer-Stiftung Hamburg möchte ausdrücklich gerne in 2020 eine Kooperationsveranstaltung mit Ihnen machen, aber bitte mit einem anderen Referenten.“

Der Pluralismus wurde hinterrücks außer Kraft gesetzt

Es sind eigentlich zwei verschiedene Stiftungen, die zu verschiedenen Parteien gehören – aber sie agieren wie eine. Der Pluralismus wurde hinterrücks außer Kraft gesetzt. Dafür gibt es ein deutsches Wort: Gleichschaltung. Das Traurige ist, dass ich die Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Hamburg kenne. Und daher weiß, dass nicht sie für den Boykott verantwortlich sind. Einige von ihnen mögen und schätzen mich. Sie sind allesamt jünger als ich, sie gingen noch zur Schule, in den Kindergarten oder waren nicht einmal geboren, als ich schon mit ihrer Stiftung gearbeitet habe. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat in den vergangenen 35 Jahren viele Veranstaltungen mit mir organisiert oder andere Organisatoren darin unterstützt, darunter etliche, in denen ich die Politik früherer Bundesregierungen offen kritisiert habe.

Was ist inzwischen in Deutschland geschehen? Die Demokratie wurde durchorganisiert, gesäubert, ordentlich und überschaubar gemacht. In den so bereinigten Machtstrukturen bedarf es nur noch eines verabredeten Signals, um eine unliebsame Person durchgängig auszuschalten. Unter Vervollkommnung verstand man in Deutschland fast immer Totalisierung. Die alte Bundesrepublik, vierzig Jahre lang von den Vertretern gestandener Demokratien beaufsichtigt, war eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt hat. Unter der anderthalb Jahrzehnte währenden Kanzlerschaft einer FDJ-Funktionärin ist Deutschland in seine alten Muster zurückgefallen. Die heutigen Machthaber, in hermetischen Apparaten aufgewachsen, vermissen nichts, für sie ist die Welt in Ordnung, ihre Demokratie perfekt.

Es ist von neuem ein System, in dem man wegen einer abweichenden Meinung bestraft und für Mitläufertum belohnt wird. Das Ergebnis dieser negativen Auslese sind Apparatschiks, die zwar im Sinne des Apparats gut funktionieren, aber wegen ihrer andressierten Mediokrität, ihres Mangels an Kreativität, ihrer Unfähigkeit zu schöpferischer Kontroverse nicht imstande sein werden, die Herausforderungen von Deutschlands Zukunft zu bewältigen. Und obwohl das alle spüren, kann die schleichende Lähmung offenbar niemand mehr aufhalten. Ich stelle es mir schrecklich vor, heute in Deutschland jung zu sein und in diesem Ambiente überleben zu müssen.

Eine erfreuliche Nachbemerkung:

Der Ebenezer Hilfsfonds Deutschland e.V. will die Veranstaltung mit Chaim Noll ermöglichen. Sie ist geplant fuer den 25.3. 2020, 19.00 Uhr in der Gedenkstaette Kontorhaus Messberg 1 in Hamburg.

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Chaim Noll spricht über die Geschichte seiner Ausladung

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beat schaller / 12.08.2019

Ich kann es fast nicht glauben, dass sich eine solche riesige, mafiöse Krake in der Politik überhaupt installieren kann. Das braucht eine ganze Menge an krimineller Energie und eben auch eine Elite, die sich NOCH selbst bedienen kann. Wir müssen wohl lernen, in grösseren Zeitdimensionen zu denken, denn die Bäume wachsen auch in EUtschland nicht in den Himmel. Ähnliches gibts ja auch in Frankreich zu sehen. Einen interessanten Artikel habe ich gerade bei Getstone Institut gelesen: "Frankreich versinkt langsam im Chaos" von Guy Millière 6. August 2019 b.schaller

Roy Siek / 12.08.2019

So einen Bericht zu lesen schmerzt und macht mehr als nur nachdenklich. Zum einen ist eine Absage, an einen zuvor eingeladenen Redner, eine an Deutlichkeit kaum zu übertreffende Düpierung und zum anderen, mit Blick auf die Argumentation, dass sich Herr Noll negativ über die proislamische, regimefreundliche Politik der Deutschen Regierung gegenüber dem Iran geäußert hätte, treibt es einem die schamesröte ins Gesicht, ob der sonst so üppig fließenden Krokodilstränen seitens regierungsnahen Organisationen, oder gar ihr selbst.Ohnehin ist die Gruppe der etablierten Parteien immer sehr stark mit Worten unterwegs die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel stets und ständig hervorzuheben. Kommt es allerdings zu antisemitischen Übergriffen, wird mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass es nur eine rechtsgerichtete Tat gewesen sein kann, was für sich genommen schon schlimm genug wäre, dies aber leider nur als ein rhetorischer Kniff missbraucht wird, um jeden Zweifel zu zerstreuen das es auch, wie mittlerweile nicht mehr abstreitbar, eine immer häufiger werdende, islamisch bzw. pro-palästinensisch motivierte Tat gehandelt haben könnte.Die gleiche Tendenz zeigt Deutschland auch immer wieder im UN-Rat, in dem zuletzt mit der Resolution „Situation von – und Hilfe für palästinensische Frauen“ Israel sieben mal im Text als das alleinige Übel für die schlechte Situation palästinensischer Frauen dargestellt wurde. Statt dagegen zu stimmen, enthielt sich Deutschland nur und tollerierte diese Farce.Mitunter ist die Kritikfähigkeit einer Regierung, ein guter Gradmesser für den Zustand einer Demokratie, der sich für mein dafürhalten mit der Ausladung von Herrn Noll abermals in Richtung ungesund bewegt hat.

Sabine Lotus / 12.08.2019

Oh, danke für das Mitgefühl Herr Noll. Der Spaß an den Absurditäten ist wirklich schon länger vorbei. Gestern passierte mir etwas, das ich für Forenlatein hielt: Bei der Lektüre von Alexander Wallasch über die neuesten Verrenkungen von 'Hans Georg Rest..' zum Thema Randale im Schwimmbad überkam es mich und ich vomitierte ohne Warnung auf mein Smartphone. So etwa gibt's also tatsächlich. Der einzige Trost hierzulande ist, daß die Haltungszombies ihren Pharrussieg ganz sicherlich nicht genießen. Spätestens bei der Deutschen Grünen Revolution ist der Spaß dann ganz vorbei. Aber das werden die noch nicht einmal begreifen, wenn der Kopf im Korb liegt.

beat schaller / 12.08.2019

Danke Herr Noll für den Bericht. Was ich nicht verstehe ist, dass sich in Deutschland eine solche riesige, mafiöse Krake in der Politik überhaupt installieren kann. Allerdings glaube ich, dass wir in etwas längeren Zeiträumen denken müssen, denn auch hier werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Es betrifft ja nicht nur EUtschalnd, sondern auch Frankreich und viele mehr. Hierzu gibt es einen erleuchtenden Artikel , "Frankreich versinkt langsam im Chaos" von Guy Millière, 6. August 2019, auf Getstone Institut zu lesen. Auch mit deutscher Übersetzung. b.schaller

Chris Groll / 12.08.2019

Hallo Herr Noll, Sie haben vollkommen Recht. "Die alte Bundesrepublik, vierzig Jahre lang von den Vertretern gestandener Demokratien beaufsichtigt, war eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt hat. Unter der anderthalb Jahrzehnte währenden Kanzlerschaft einer FDJ-Funktionärin ist Deutschland in seine alten Muster zurückgefallen". Deutschland und die meisten Deutschen können eben keine Demokratie. Ihr letzter Satz: "Ich stelle es mir schrecklich vor, heute in Deutschland jung zu sein und in diesem Ambiente überleben zu müssen", gilt nur für die wenigen jungen Menschen, die noch selbstständig überlegen und auch zudem noch evtl. konservativ sind. Einige dieser jungen Leute schreiben ja auch hier bei Achgut, was immer wieder wohltuend ist.

M. Haumann / 12.08.2019

"Jeder kann doch lernen und sich zum Besseren ändern", verkündete ich anlässlich eines Falls als junges Ding meinem liebenswürdigen ersten Chef, der mich ein bisschen mitleidig ansah und erwiderte "Machen Sie den Job mal ein paar Jahrzehnte und dann reden wir noch einmal darüber, was alles vielleicht einfach nur Genetik ist". Boah, fand ich den zynisch und fatalistisch! So wollte ich nicht werden! Jetzt stehe ich vor den wieder erschreckend zahlreichen Mitläufern, ohne die solche Entwicklungen nicht möglich wären, und sehe im Geiste in den alten Wochenschauen ihre Vorväter und -mütter zu Zigtausenden die Arme hochreissen. Ich muss den Chef noch einmal anrufen...

Reinhard Schilde / 12.08.2019

Beschneidung der Meinungsfreiheit, Zensur von Internet und Presse, Diffamierung anders Denkender, Propaganda aus allen Kanälen, und und und... Die Liste ist lang. Wer noch glaubt, dass wir in einer Demokratie leben, verschließt die Augen vor der Realität. In einer Demokratie leben wir schon seit geraumer Zeit nicht mehr, allerhöchstens in einer Scheindemokratie, kurz vor der Diktatur.

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